„Der Synthesizer ist Schuld daran, dass es bei mir Elektronische Musik geworden ist.“ Interview mit Mario Schönwälder „

MarioManikin Records, ein kleines aber feines Berliner Plattenlabel feiert sein 25 jähriges Bestehen und das will was heißen im Haifischbecken der heutigen Musikszene. Begründer und Inhaber ist der Musiker und Produzent Mario Schönwälder der musikalisch selber in die Schublade der sogenannten “ Berliner Schule“ einzusortieren ist, was aber auch kein Wunder ist, da Mario dereinst vom Berliner Elektrohead Bernd Kistenmacher inspiriert wurde. Im Programm von Manikin Records finden so begnadete Elektronik Musiker wie Klaus Schulze, Ashra, Spyra, , Rolf Trostel und ehe den Insidern bekannte Künstler wie Detlef Keller, Bas Broekhuis, Thomas Fanger, Michael Kersten usw. Das famose Label hat sich immer wieder durch außergewöhnlichen Platten und CD Aufmachungen hervor getan, wie z.b. CDs in kleinen runden Blechdosen oder ein 10 CD Set in einer Holzkiste, doch lassen wir nun den Mastermind und sympathischen Jubilar – Mario Schönwälder – selber zu Wort kommen.

? Hallo Mario, nun blicken wir schon auf kreative 25 Jahre Manikin Records zurück und da muss ich natürlich mit der Frage aller Fragen starten, nämlich was Dich motiviert hat, Dein eigenes Label ins Leben zu rufen und wie Du selber zur Elektronischen Musik gekommen bist?

Den Anfang hat in den siebziger Jahren meine ersten Begegnungen mit Pink Floyd und Manfred Mann´s Earthband gemacht. 1976 kam dann Jean Michael Jarre´s OXYGENE und eine Begegnung im Radio mit TDs STRATOSFEAR. Diese Klänge fesselten mich und ich rannte in den nächsten Plattenladen: Eine TD-Platte musste her. Ich erwischte ZEIT und der anfängliche Frust war groß. Heute schätze ich auch diese Ambient-Werke sehr. Das eigene Label ist eine andere Geschichte, die schon oft geschrieben worden ist. Die Zeit hat die Geschichte überholt. Es gab Gründe es 1992 zu tun. Was folgte waren 25 erfolgreiche Jahre für die Musik. Meine Faszination für die fremdartigen Klänge er Synthesizer ist „Schuld“ daran, dass es Elektronische Musik geworden ist.

? Welche Art von Musikern sind bei Manikin Records beheimatet und wie triffst Du hier die Auswahl. Ich habe natürlich selber z. B Platten von Fanger & Schönwälder oder Broekhuis, Keller & Schönwälder, Filter-Kaffee, Thomas Kagermann und Detlef Keller in der Sammlung?

Manikin Records besteht heute noch aus folgenden Künstlern: Broekhuis, Keller & Schönwälder, Fanger & Schönwälder, Filter-Kaffee, Spyra, Arcanum und Cosmic Hoffmann. Alle Musiker machen auch ihre Soloprojekte. Keiner ist exklusiv an Manikin Records gebunden, aber wir sind schon eine kleine eingeschworene Familie. Thomas Kagermann habe ich über den Kontakt zu Klaus Schulze kennengelernt. Wir trafen dann bei einem Konzert in der Toskana Therme in Bad Sulza wieder zusammen. Ich jammte mit Detlef, Bas, Gerd Wienekamp (von Rainbow Serpent) und Chris Lang als plötzlich Geigenklänge ertönten, die keiner von uns spielte. Thomas hatte unsere Musik gehört und war – offenbar weil ihm das gehörte gefiel – in die Jamsession mit eingestiegen. Und unser Techniker hatte geistesgegenwärtig am Mischpult die Kanäle von Thomas mit freigeschaltet, so dass auch seine Geige aufgenommen wurde. Eine Session von 70 Minuten, die 2005 zu der CD „THE LIQUID SESSION führte. So habe ich viele gute und interessante Leute durch Zufälle getroffen/kennengelernt. Das Zusammentreffen mit Bas & Detlef muss mal bei einem Broekhuis, Keller & Schönwälder – Interview gesondert beantwortet werden. Das ist eine lustige Geschichte von Zufällen.

OLYMPUS DIGITAL CAMERA? Auf welche Aspekte legst Du zudem besonderen Wert, wenn Du Demos für Dein eigenes Label aussuchst? Welche musikalischen Einflüsse und Inspirationen sind es, die Dich immer wieder zur Labelarbeit und zum selber Musikmachen motivieren und inspirieren?

Mein musikalisches Spektrum geht weit über die Elektronische Musik hinaus. Ich höre Progressive Rock Musik ebenso, wie Country, Pop und klassische Musik. Die Musik muss nur meine Gefühlswelt treffen. Genauso ist es bei den Demos. Musik die etwas auslöst gefällt mir und hat sehr gute Chancen. Es gibt kein Rezept, was es ist. Es macht Klick oder eben nicht. Zum Musikmachen muss ich mich nicht motivieren. Dafür sitze ich zu gerne im Studio. Inspiration kann ebenso vieles sein: Ein Buch, ein Film, ein Bild oder ein Spaziergang durch die Stadt. Eindrücke kann man überall gewinnen. Man muss sie nur speichern und dann umsetzen. Und dann gibt es noch die Inspiration durch einen neuen Sound, aus dem sich eine Idee ergibt. Alles wird gespeichert und aufgehoben. Für gleich oder später. So habe ich ein Archiv mit vielen Ideen, aber auch kompletten Aufnahmen.

? Zum Thema Musikbekannheit Deiner Künstler : Wie ist Deine geschätzte Meinung zum Bereich – Electromusic im Radio – von z. B. T. Dream, Jarre, Vangelis oder eben auch Fanger & Schönwälder – wie könnte man diesen Bereich beeinflussen, um überhaupt einmal mehr von „unserer“ Musik im Radio zu hören?

Radio höre ich schon lange nicht mehr gerne. Das ist so gleichgeschaltet wie privatrechtliche Fernsehsender. Keine Sparten mehr, nicht individuelles. Einfluss haben nur die Charts und damit die große Industrie. Einfluss durch den Hörer: Fehlanzeige. Ich bin noch 1984 im Sender Freies Berlin in der Sendung STECKDOSE als neuer Amateur vorgestellt worden (Danke Wolfgang!). Da war Radio – unabhängig von meinem Deja Vu – noch etwas hörenswertes.

? Für Dich als Labelchef : Ist es OK – wenn die von einigen Leuten als „Kavaliersdelikt“ betitelte – CD Piraterie – stattfindet, also wenn man Eigentum von Musikern von irgendwelchen Seiten herunterladen kann oder ist es wiederum für junge Bands sogar ein Vorteil um deren Anfangs noch unbekannte Elektromusik durch die Piraterie überhaupt erst bekannt zu machen?

Durch illegale Downloads ist noch kein neuer Künstler entdeckt worden. Das ist einfach Diebstahl am geistigen Eigentum. Und in meinen Augen ist es auch kein Kavaliersdelikt. Wenn Popgrößen 2 Millionen illegale Downloads in den Umsetzen spüren, dann sind es bei mir schon 20 oder 200 Downloads, die ohne Vergütung erfolgen. Die Menge ist aber unerheblich bei der Grundsatzfrage: Es ist Diebstahl. Und die Verklärung, dass es einen ehrt, ist auch nur ein Versuch der Rechtfertigung von Leuten die diese Geschäfte betreiben. Ein Portal wie Bandcamp findet da meinen Zuspruch. Der unbekannte Musiker kann seine Sachen dort ggf. mit „Name your price“ anbieten. Da zahle ich gerne etwas, wenn mir die Sachen gefallen.

? Und wie stehst Du zur gerade wieder aufflammenden Liebe der Vinylkultur – ist die CD dagegen gar ein Auslaufmodel?

Vinyl war schon alleine durch die DJ-Kultur nie richtig tot gewesen und es war nur eine Frage der Zeit, wann Retro oder Audiofreaks sie wieder aufleben lässt. Sie ist in Sachen Dynamik ungeschlagen und vieles klingt halt wirklich richtig gut. Die Produktionskosten sind – gerade in Bereich der kleineren Auflagen – ungleich höher, so dass es nur einem kleinen Kreis möglich ist, ihre Musik auf diesem Medium anzubieten. Ich finde das schade. Die CD wird wie Vinyl und Kassette, die auch nicht vom Markt ganz verschwunden ist, so schnell nicht auslaufen. Die physikalischen Verkaufszahlen werden – wie schon seit Jahren – bei allen Medien zurückgehen. Aber es beruhigt mich, dass es immer Sammler geben wird, die ein Produkt in der Hand halten möchten.

? Ist die Zukunft tatsächlich der digitale Megatrend – das Streaming – wo Millionen von Songs überall und sogar legal jederzeit bequem und billig wie nie zuvor, verfügbar sind ( Bandcamp und Co. ) – leider wird Musik dadurch dem Begriff -Kunst entzogen und könnte nur noch als „Ware “ betitelt werden?

Ich glaube, dass es darauf nicht die absolut richtig Antwort gibt. Und ich sehe einen Unterscheid zwischen dem Streaming, das ich eher im Bereich der populären Musik als wichtig verorte und des Downloads, den ich nach einigem Zögern als wichtiges Zweites Vertriebsstandbein akzeptiert habe. Die Frage setzt m.E. schon früher an: Mutiert die Musik nicht bereits von der Kunst zur Ware in dem Moment, wo ich sie auf ein x-beliebiges Medium presse und verbreite? Oder bleibt sie doch Kunst unabhängig vom Tonträger bzw. Übertragungsmedium? Ich tendiere eher dazu, zu sagen, dass es Kunst bleibt. Und Kunst hat ihren Preis.

? Wie stehst Du als Labelchef zum Thema Musikvideos – bringt es Vorteile in diesen Audiovisuellen Zeiten – Clips für Youtube, FB oder andere Kanäle zu erstellen?

Die sozialen Netzwerke sind heute extrem wichtig für die Verbreitung von Informationen und Videos. Sie sind aber auch eine sehr gute Möglichkeit, Kontakt zu unseren Fans zu finden. Jeder kann mich direkt anschreiben. Ich antworte immer (auch wenn es mal etwas dauert :-).
Visuelle Medien wie z.B. YT sind ebenso wichtig. Die Menschen beziehen heute viele Informationen über bewegte Bilder. Clips als Werbung, aber auch Konzertausschnitte oder kleine Einblicke in die Studioarbeit geben den Leuten das gute Gefühle „immer dabei zu sein“.

? Bist Du im übrigen auch Sammler von antiquarischen Elektrogeräten wie z. b. das legendäre Umhänge Keyboard Yamaha KX 1, Minimoog, Oberheim Four Voice oder Yamaha CS 80 und ähnlichen Klassikern?

Die „Klassiker“ sind heute nahezu unbezahlbar und reparaturanfällig. Ich habe da lieber nicht „modernen“ Analogsynthesizer. Mein Minimoog heißt Moog Sub 37. Ich bin kein Sammler sondern jemand, der die Geräte um sich herum hat, mit denen er zu guten Arbeitsergebnissen kommt. Da ist es mir egal, ob es ein analoger Synthesizer, ein virtuell-analoger oder es ein gut gemachtes PlugIn ist. Die Bedienoberfläche muss stimmig sein. Das ist mir wichtig bei einem Gerät. So habe ich auch mein Studio auf meine Bedürfnisse und Vorlieben angepasst und ausgerüstet.

? Welche All Time Music Classics stehen bei Dir zuhause im Regal – LPs und natürlich auch CDs ?

Meine 10 LPs/CDs-Liste für die Insel (=“All Time Classics“):
Tangerine Dream-Stratosfear
Kraftwerk-Die Mensch Maschine
Klaus Schulze-Mirage
Ashra-Blackouts
Broekhuis, Keller & Schönwälder-Red
Supertramp-Crime Of The Century
Fanger & Schönwälder-Analog Overdose 5
Vangelis-Soil Festivities
Filter-Kaffee-102
Edgar Froese-Macula Transfer

? Und zum Schluss ein kleiner Ausblick : Was möchtest Du in der nahen oder späteren Zukunft mit Deinem Label noch umsetzen und erreichen, welche spezielle Produktion wäre für Dich als Labelchef nochmal ein persönliches Highlight?

Es wird noch einiges von Broekhuis, Keller & Schönwälder, Fanger & Schönwälder, Filter-Kaffee und mir solo geben. Was mir dafür noch Verrücktes oder Ausgefallenes an Verpackungen etc. einfällt, weiß ich heute noch nicht. Mal sehen, was 30 Jahren Manikin Records ist: Dann ist es Zeit für die Compilation „The Third Decade – Manikin Records 2012-2022!

(S.Ericksen)

 

Stichworte:
, , ,