Seit weit über dreißig Jahren ist David Tibet als Musiker, Poet, Maler, Verleger, Forscher und Kulturarchäologe in seiner eigenen subkulturellen Nische aktiv. Und nach weit über dreißig Jahren vermag David Tibet es immer noch, mit einer Überraschung aufzuwarten: so kündigte er jüngst für den Juni 2016 einen Konzertabend in Barcelona an, bei dem neben CURRENT 93, BABY DEE und SIX ORGANS OF ADMITTANCE auch die Veteranen der New Wave of British Heavy Metal, ANGEL WITCH, auftreten werden. Der legendäre Ruf der Band des Gitarristen Kevin Heybourne gründet auf dem 1980 erschienenen selbstbetitelten Debütalbum (nebenbei bemerkt eine meiner ersten, von mir noch immer hochgeschätzten Schallplatten), das bis heute zu den stilbildenden Meilensteinen des Genres zählt. Und wer weiß: vielleicht entspringt diesem Abend ja auch eine Kollaboration zwischen CURRENT 93 und ANGEL WITCH. Nicht überraschen hingegen können CURRENT 93 mit ihrer neuesten Veröffentlichung The Moons at Your Door. Das Album präsentiert zwei jeweils rund zwanzig Minuten lange Klanglandschaften, zu denen Tibet und seine Mitstreiter Aufnahmen von Meeresbrandung, Wind, Regen, Gewitter sowie verschiedene Alltagsgeräusche kompiliert haben. CURRENT 93 knüpfen hier an frühere Veröffentlichungen ähnlichen Charakters an, erinnert sei an dieser Stelle etwa an Dawn, Nature Unveiled, The Sadness of Things oder Teile des Zyklus The Inmost Light – allesamt Werke aus dem Hause Tibet, die ich nicht sonderlich schätze. Nun könnte man zwar sagen, das Ganze sei äußerst stimmungsvoll, mystisch, mysteriös und aufgrund der von Alan Taylor mantraartig vorgetragenen Verse auch meditativ: aber nach dieser Art von Schönschreiberei einer künstlerisch eher fragwürdigen Veröffentlichung steht mir einfach nicht der Sinn. The Moons at Your Doors ist für meine Ohren schlicht überflüssig, und das liegt sicher nicht nur daran, dass ich die auf dem Inlay gedruckte Aufforderung „Hear loud in the night in the dark“ missachtet habe. Was The Moons at Your Door allerdings zu einem Kleinod macht ist das Artwork, das vor allem in der LP-Version des Albums zur Geltung kommt. Für das Cover hat David Tibet drei Graphiken geschaffen, auf denen mehrere nicht näher zu definierende Fabelwesen dargestellt sind, die mit Sternen angefüllt zu sein scheinen und miteinander interagieren. Also lege ich statt The Moons at Your Doors (übrigens in weißes Vinyl gepresst und ein Blickfang ganz eigener Art) Angel Witch auf den Plattenteller und lasse die Klangwelt Kevin Heybournes mit der Bilderwelt David Tibets in einen möglicherweise fruchtbaren Dialog treten: laut, in der Nacht, aber nicht ganz im Dunklen.
(M. Boss)
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