Was will uns Colin Potter auf seinem neuesten Machwerk wohl sagen, welches er ironisch aber selbstbewusst „Rank Sonata“, also Stink- oder Widerliche Sonate nennt. Vom Titel fehlgeleitet erwartete ich zuerst Harsh Noise-Industrial, wurde aber nach dem ersten Höreindruck eines Besseren belehrt. Langjährigen Szene-Aktivisten ist Colin Potter als legendärer Produzent und Kollaborateur von Bands wie NURSE WITH WOUND, ORGANUM, THE INSTANT AUTOMATORS oder CURRENT 93 ein Begriff. Auch als Labelbetreiber von ICR genießt er – nicht nur in seiner Heimat Großbritannien – einen gewissen Kultstatus. Er gehört zu den langjährigen Mitstreitern einer Die-Hard-Gemeinschaft, was dem Herren stets Authentizität und eine gewisse Narrenfreiheit garantiert. Doch Ikone hin- oder her. Auf „Rank Sonata“ scheint sich der Maestro unschlüssig, welchen Pfad er denn nun einschreiten möchte.
Auf den vier Stücken geht es zwar einerseits abwechslungsreich, gleichzeitig aber stagnierend zur Sache. Der zwanzigminütige Opener beginnt mit frickelnden Digital-Clicks und Minimal-Techno-Beats und träumt sich gedankenversunken durch die Nacht. Das Stück könnte auch die ganze Nacht laufen, aber entweder man befindet sich auf ganz speziellen Substanzen, um (zu verstehen) mitzugehen und einzutauchen in diese träumerische Nachtfahrt oder aber man bleibt unbeeindruckt zurück. Auch die anderen drei Stücke leben von einem unverhältnismäßigen Einsatz aus Drone-, Ambient- und Dub-Passagen. Zwar schwingt bei der Platte ein typisch UK-lastiger Basement-Sound bei, hat auch diese abgefuckte Melancholie-Attitüde inne, bleibt aber selbst nach mehrmaligem Hören irgendwie charakterlos und beliebig. Ausname ist der deepe Zweittrack „You“ der eine gewisse unheimliche Schwere in sich trägt und an Dubstep-Ikone BURIAL erinnert. Hätte Potter das Thema und Motiv dieses Stück ausgedehnt, hätte man eine beklemmende und gleichzeitig spannende Platte erwarten dürfen. So wirkt das Album irgendwie unfertig und inkonsequent – auch wenn es möglicherweise genau das sein soll.
Legende oder eben Fußvolk-Soldat – letztendlich zählt die experimentelle Qualität, und die hat Potter trotz Bekanntheit nicht vollends liefern können. Ob „Rank Sonata“ tatsächlich das „brilliante Stück Musik, voll von technischer Raffinese und Innovation“ ist, wie es in der Promo steht, möge der geneigte Fan selbst entscheiden, sofern er zu den illustren 300 Käufern des limitierten Schmückstücks zählt. Anderweitig kann man Potters neue Geräuschmusik nur via Download via Cargo Records erwerben.
(Dimitrios Charistes)
Format: LP |
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