Durch den Traum: Musik-Illustrator KARMAZID im BLACK-Gespräch

atticOkkultistisch. Geheimnisvoll. Morbide und elegant: Artworks zwischen Himmel und Hölle Manchmal muss erst ein Zufall einstige Fähigkeit ans Licht zurückholen. Etwa weil der 8-to-5-Job einen auslaugt. Die gesellschaftliche Tristesse sich vordergründig breit gemacht hat, oder weil man trotz Talent nicht an die eigene Größe glaubt. Im Falle des 33-jährigen illustrativen Faktotums KARMAZID geht es gerade ziemlich heftig durch die Decke. Und das völlig ungeplant. Seit über drei Jahren zeichnet der Unterfranke P.Z. favorisiert für Bands aus dem Death-, Black-, & Occult-Rock-Umfeld (darunter so illustre Namen wie URFAUST, ATLANTEAN KODEX oder SABBATH ASSEMBLY) kongeniale Schwarzweiß-Illustrationen. Wer ein Faible für mittelalterliche Holzstiche hat und mit genannten Subgenres der metallischen Spielart liebäugelt, sollte einen Blick riskieren. Innerhalb der letzten Jahre konnte sich der umtriebige und arbeitswütige Zeichner eine exorbitante Anhängerschaft aufbauen. Wie aus Weiterempfehlungen ein gewisser Internet-Hype entstehen kann, erklärt KARMAZID im Gespräch mit dem BLACK Magazin, der sich ganz bescheiden seinen ganz eigenen Mythos bewahrt.

? Hallo, seit einiger Zeit bist du ein gefragter Künstler im Bereich von Artwork-Designs für Okkult-Rock & Black Metal-Bands (verstärkt auch für das allseits verehrte Ván Records-Label). Kannst du dich für unsere Leser im Kurzporträt vorstellen, wann alles für dich angefangen hat?
Angefangen hat alles vor ungefähr drei Jahren, als ich nach längerer Zeit mal wieder anfing ein wenig zu zeichnen und durch eine Verkettung von mir bis heute nicht ganz klaren Zufällen Jim von Urfaust (Anmerk d. Redaktion = Atmospheric Black Metal Band aus den Niederlanden) auf mich aufmerksam wurde und mich mit einem Shirtmotiv für eine seiner Bands beauftragte. Danach kam dank der fantastischen und widerlichen Seuche namens Internet relativ schnell eine gewisse Bekanntheit. Warum und wie, das ist mir alles schleierhaft.

1Deine Zeichnungen tragen alle einen sehr düsteren Stil mit okkult-ritueller Symbolik, welche auf deine Interessen in Alchemie, Runensymbolik, Dämonologie und Okkultismus schließen lassen. Welche alten Lehrmeister gehören hier zu deinen Einflüssen ?
An sich spreche ich eher ungern über dieses Thema. Meiner Meinung nach wird gerade in sozialen Netzwerken zu viel mit der eigenen spirituellen Integrität angegeben, eine furchtbare Sache.

? Du hast nie eine Kunstakademie besucht, bist Autodidakt. Relativ spät hast du begonnen dich zu professionalisieren und voll auf dein Talent zu setzen. Schließlich hat sich innerhalb der Subkultur dein Künstlername herumgesprochen. Mittlerweile bist du gut beschäftigt und hast ein volles Arbeitsregister. Mit welchen Motiven hat deine Liebe zum Zeichnen begonnen, und was könnte ein Punkt sein, an dem du damit aufhören wirst?
Angefangen hat es mit der Rückansicht eines Hasen, gezeichnet von meiner Oma. Wenn man ihren Berichten glauben dar,f hat mich das als Junge ziemlich aus der Bahn geworfen. Danach ging es, wenn ich mich recht erinnere, ziemlich nahtlos über in Monster und Drachen, wohl inspiriert von den Covern einstiger Hard Rock-LPs (besonders „Demons & Wizards“ und „Fallen Angel“ von Uriah Heep) und den Fantasy-Romanen meiner Eltern. Mit zehn Jahren ging es dann primär um Titten und Blut (ich hab da kürzlich ein paar Frühwerke gefunden, die ich heute eher bedenklich finde…). Mit Maiden, Kreator und Protector kamen dann auch so langsam Teufel und Dämonen ins Spiel. Leider habe ich dann eine ganze lange Zeit kaum oder nur lustlos gezeichnet.

? Dennoch hast du es geschafft, mit deinem Stil einen eigenen Trademark zu schaffen. Wie würdest du sagen, unterscheidet sich deine Kunst von anderen Kreativen im eher subkulturellen Umfeld?
Schwer zu sagen. Ich vergleiche mich nicht unbedingt mit den „Kollegen“, oder versuche irgendwelche Alleinstellungsmerkmale zu erzwingen. Wenn es geht vermeide ich einige der muffigen Klischees und klassischen „kvlt666\m/“-Trigger. Im Gegensatz zu meinen sonstigen Vorlieben mag ich es, wenn ich in meine Illustrationen eine gewisse Eleganz mogeln kann. Metal-Illustrator Matt Putrid sagte kürzlich zu mir: „You have the angle too where you can draw something almost pretty“. Das war für mich eine interessante Beobachtung. Elegant und vage beunruhigend ist für mich spannender als plump und bluttriefend.

? Der Futurist Filippo Tommaso Marinetti meinte, ein Rennwagen sei schöner als die Nike von Samothrake, der zeitgenössische Skandal-Künstler Gottfriend Helnwein meint, Donald Duck sei bedeutsamer als die Mona Lisa. Beschäftigst du dich auch mit zeitgenössischen Künstlern der Dunklen Sparten – oder siehst du dein Zeichnen viel mehr als stille Passion, möglicherweise kathartisches Treiben, an?
Ich interessiere mich kaum für Kunst. Manchmal stolpere ich über ein altes Gemälde in dem ich mich verlieren kann, manchmal sehe ich einen Airbrush-Drachen auf einem Jeep den ich geil finde. Kunst ist solch ein vages Wort und für mich mit einer Menge unangenehmer Konnotationen besetzt, so dass ich mich eigentlich von allem fernhalte was damit ausgezeichnet ist. Eine Seite schmückt sich damit, Kunst zu machen, die andere damit, Kunst zu mögen. Oft habe ich das Gefühl, dass der Drang etwas zu Erschaffen oder sich von etwas Erschaffenem lebenserschütternde Eindrücke abzuholen untergeordnet sind und es viel mehr darum geht, sich in diesem schleimigen Sumpf aus selbstgerechter Wichse namens „Kunst“ zu suhlen. Alles in einem: Viel Ego, wenig Substanz und Zauber.

? Interessierst du dich für phantastische Literatur oder den phantastischen Film?foddo

Wenn ich mal Filme schaue dann ja, hauptsächlich Fantasy, von käsig bis episch. Phantastische Literatur ist allerdings seit frühester Kindheit ein größeres Thema: Pratchett, Lovecraft,Cook, George RR Martin, Tolkien, Moorcock.

? Welche Musik läuft momentan, während du am Zeichentisch sitzt?
In meinem Fünf-fach CD-Wechsler tummeln sich gerade „Hail to England“ von Manowar, Halfvergaan „Ontwaakt“ von Wederganger (eines der irrsten Alben diesen Jahres), „Vessel“ von Trial, „Battalions of Fear“ von Blind Guardian und „Into Duat“ von Magister Templi. Um die Sache aufzulockern dürfen sich im Kassetenwechsler Barrow Wight und Occult Burial abwechseln, beide hierzulande leider noch nicht gerade ein Thema aber schwer empfehlenswert. Unbedingt erwähnen muss ich noch „Hystero Epileptic Possessed“ von Spirit Cabinet, das meiner Meinung nach beste Doom Album seit Jahren, voller Ohrwürmer und frei von jeglichem progressiven Avantgarde-Schmutz.

? Was hältst du persönlich von einer Neuinterpretation der Lehren von Aleister Crowley? Sind diese im spirituellen Rahmen noch vertretbar oder plädierst du möglicherweise gar einen zeitgenössischen Okkultismus?
Per Definitionem ist das Okkulte verborgen, geheim und nicht zwingend düster, gefährlich. Crowley, Blavatsky, Pauwels, Bergier, Levi, die Evangelisten, alles wunderbare Ansätze, um einen eigenen Weg zu finden. Vorzugsweise kann man währenddessen gerne mal die Fresse halten. Zeitgenössischen Okkultismus nenne ich gerne okkulte Fan-fiction, größtenteils von (Black-) Metal inspirierter angegother Unfug, der einen entweder wahnsinnig intellektuell oder wahnsinnig badass wirken lassen soll. Zu diesem Thema gibt es ein wunderbares Zitat von Alan Moore, das leider hier wohl den Rahmen sprengen würde.

? Wo findest du neben dem Alltag Inspiration und Kreativität?
Träume, Musik, manchmal zufällige Kombinationen unterschiedlichster Dinge, die ein Bild in meinem Kopf ergeben.

? Würdest du dich selbst als pessimistischen und nihilistischen Menschen beschreiben oder steckt in den düsteren Zeichnungen nur ein Ventil, in dem du deine dunkle Seite ausleben kannst, während du im Alltag eher als umgänglich zu bezeichnen bist?
Eigentlich will ich nur meine Ruhe haben. Ich bin wohl zu einem gewissen Grad nihilistisch, pessimistisch, zornig und teilnahmslos aber irgendwie auch ganz okay, denke ich. Ob das eine „dunkle“ Seite ist oder es so was überhaupt gibt, will ich nicht beurteilen müssen.

? Gibt es etwas, was dich im Bezug auf die heutige Gesellschaft wütend macht?
Dummheit. Die antrainierte und die gezüchtete, nicht die ursprüngliche und ehrliche, um die ich manche Menschen manchmal beneide. Alte Werte sind hingegen größtenteils die romantisierte Version derselben Scheiße, die heute falsch läuft.

pm? Für welche Band oder für welches Projekt würdest du nicht zögern, umgehend alles stehen und liegen zu lassen?
Das kann ich pauschal nicht sagen, manchmal kommen von den unbekanntesten Untergrund-Bands viel interessantere Ansätze oder Konzepte, als von vermeintlich großen Namen. Außerdem mag ich viele meine Lieblingsbands nicht zuletzt, weil ich durch ihre Artworks auf sie aufmerksam geworden bin, da hab ich selbst nicht mehr daran rumzupfuschen. Ginge es allerdings darum, eine Bibel zu illustrieren oder Geschichten von Lovecraft, dafür würde ich eventuell schon den einen oder anderen Kunden vertrösten müssen.

? Gibt es im künstlerischen Sinne weitere Kunstformen, die dich interessieren? Momentan wirst du ja für deine opulenten und detailverliebten Schwarzweiß-Zeichnungen geschätzt. Denkst du darüber nach, dein Portfolio auf bspw. Öl-, oder Freskenmalerei zu erweitern? Reizt dich das Medium des Comics?
Nicht wirklich, alles an sich spannende Dinge, aber zu wenig Zeit und Geduld mich jetzt noch in das Thema Farbe einzuarbeiten. Comic ist abgesehen von den Covern nicht besonders reizvoll, mein Kram ist wenig dynamisch.

? Bitte antworte abschließend in einem Satz. Das moderne Leben ist ….
…wenn möglich dringend zu meiden, auch wenn ich nicht genau weiß, was eigentlich damit gemeint ist.

Vielen Dank für das Interview.

Interview: Dimitrios Charistes

Mehr zu Karmazid findet ihr auf Facebook
www.facebook.com/Karmazid

 

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