„Der Tag, an dem ich meinen Frieden finde, wird der Tag sein, an dem WIEGEDOOD Geschichte sein werden.“ – Interview mit WIEGEDOOD

49332(1)Klirrende Kälte, ekstatische Emotionalität und peitschende Melodien, die sich auf ewig in Kopf und Herz festsetzen. Mit WIEGEDOOD zelebriert ein neues Church Of Ra-Nebenprojekt das infernalische Zepter des modernen Black Metal und begeistert damit auf ganzer Linie. WIEGEDOODS Debüt “De Doden Hebben Het Goed” umfasst zwar nur vier Stücke, wir sind uns dennoch sicher, dass dieses bescheidene Meisterwerk in den diesjährigen Bestenlisten ziemlich weit oben zu finden sein wird. Die Band scheint zumindest alles richtig gemacht zu haben, worauf es im Black Metal ankommt. Konsequenterweise verzichten sie auf aktuelle Trends oder intensive Vermarktungsstrategien – sie setzen ganz allein auf 100%-ig dargebotene Intensität mit einer hervorragenden Gitarrenarbeit, Riffs für die Ewigkeit und einem ultraschnellen, komabrutalen Drumming. Über Nacht zum Geheimtipp avanciert und bereits jetzt eine der stärksten Kapellen innerhalb des CHURCH OF RA-Künstlerkollektivs markieren WIEGEDOOD ein neues Kapitel im Soundkosmos der Ra-Familie. Gitarrist und Songschreiber Levy Seynaeve möchte auch im Interview nicht sonderlich konkret werden, lässt lieber die Musik für sich alleine sprechen und platziert sich als grundsympathischer Protagonist in einer der interessanten neuen Bands der europäischen Subkultur.

? Lieber Levy, vielen Dank, dass du Zeit gefunden hast. Momentan seid ihr damit beschäftigt euer Debütalbum zu promoten. Ich muss dir gleich ein Kompliment aussprechen. Euer Debütalbum ist der Wahnsinn und hat mich mehr als nur positiv begeistert. Mit euren hypermelodischen, zugleich extremen und intensiven Songs habt ihr meiner Meinung nach ein zeitloses Stück Black Metal-Kunst abgeliefert, welches vielen Anhängern der Church Of Ra und des modernen Black Metals sicher sehr viel bedeuten wird. Daher noch einmal von vorne: Was ist die Vision von WIEGEDOOD, und wann hat alles begonnen?
Wir alle drei beschäftigen uns schon immer mit Black Metal, verfolgen die Szene und hören die Musik seit Jahren. Durch unsere jeweiligen Hauptbands hatten wir bisher aber nie die Zeit gefunden eine eigene Band dieser Stilrichtung zu gründen. Ich war die letzten Jahre sehr viel mit AMENRA unterwegs, Wims Hauptband (=Wim Coppers, Schlagzeug) sind Rise And Fall und Gilles (=Gilles Demolder, Gitarrist) ist viel mit Oathbreaker durch die Welt getourt. Wir mussten uns daher einige Zeit gedulden, bis wir alle gleichzeitig Zeit finden konnten. Als diese Zeit schließlich gekommen war, haben wir uns zusammengesetzt und „De Doden Hebben Het Goed“ nach zehn gemeinsamen Proben geschrieben bzw. eingeprügelt. Jetzt versuchen wir die Platte mit aller Energie gebührend zu promoten – schließlich gibt es für unsere jeweiligen Hauptprojekte bereits neue Pläne.

2987422(1)? In eurer Musik verzichtet ihr konstant auf einen Bass. Liegt es daran, dass ihr kein passendes Mitglied für den Viersaiter gefunden habt oder handelt es sich hierbei um eine bewusste Entscheidung? Wie ich live gesehen habe, funktioniert es bisher ohne Probleme – auf dem Album hingegen fehlt mir etwas der Druck, dieser Wall-Of-Sound-Moment, die Tiefen.
Das sehe ich nicht so. Die Chemie zwischen uns Dreien war gleich von Anfang so gut, dass wir beschlossen haben diese Konstellation beizubehalten. Es handelt sich also um eine bewusste Entscheidung – es wird im Bandgefüge von Wiegedood keine vierte Person und auch keinen Bass zu hören geben. Wir haben nicht das Gefühl, dass dieser dem Sound etwas Markantes hinzufügen könnte.

? Sowohl in der Vinyl, als auch in der CD-Version verzichtet ihr konsequent auf den Abdruck der Texte. Kannst du mir etwas über das lyrische Konzept der Band erzählen?

Die Texte beziehen sich auf meine Wahrnehmung auf das Leben zum Zeitpunkt der Aufnahmen. Der Grundtenor ist sehr pessimistisch, was mir aber hilft, die Dinge in die richtige Perspektive zu lenken. Ich lasse die Texte lieber metaphorisch für Interpretationen offen. Ich möchte die genaue Bedeutung für mich persönlich halten. Für mich ist das ein Weg um mit den Problemen des Lebens fertigzuwerden. Ich würde mich selbst nicht als sehr extrovertierte Person beschreiben, aber in einer seltsamen Art, kann ich meine Gedanken und Gefühle durch die Musik einer Öffentlichkeit mitteilen.

? Am Ende klingt das Album mit einem auf Russisch vorgetragenen Poem aus. Was hat es damit auf sich?
Es handelt sich hierbei um die russische Übersetzung von „Onder Gaan“, dem finalen Stück auf der Platte (deutsch: Untergehen). Es reflektiert den Moment, wie sich zwei Menschen gleichzeitig nur das Beste wünschen, während Sie dabei auseinandergehen.

? Im Moment scheint ihr mit dem Church Of Ra-Kollektiv eure Basis in Ghent aufgeschlagen zu haben. Viele Musiker des Kollektivs leben dort. Kannst du uns erklären, woran es liegt, dass sich gerade dort die subkulturelle Szene bündelt und so viel kreative Energie entfacht? Welche Bedeutung hat die Stadt für euch?
Ghent hat sich für uns als ideales Zentrum für unsere jeweiligen Wohnorte etabliert. Eigentlich ist Gilles der einzige von uns, der tatsächlich dort lebt. Wim lebt in einem kleinen Dorf im Osten Belgiens und ich wohne in einem noch kleineren Dorf im Westen des Landes. Ghent bietet Musikern der hiesigen Umgebung schlichtweg eine Vielfalt an Möglichkeiten. Zum Beispiel durch den Sitz des Labels Consouling Sounds, welche auch unser Album veröffentlicht haben und die Church Of Ra-Projekte vertreiben. Die Musiker und Künstler unterstützen sich dadurch fast automatisch gegenseitig. Ich denke aber, dass es sich hierbei um einen natürlichen Prozess handelt. Ghent hat sich eben eingespielt, die Stadt ist außerdem sehr schön. Ghent ist perfekt dafür.

? In den letzten Jahren sind vermehrt sehr interessante Projekte aus Belgien bekannt geworden. Was sind die Dinge, die ihr in eurem Heimatland schätzt? Ich glaube, dass vor allem durch AMENRA und den dazugehörigen CHURCH OF RA-Zirkel ein höheres Interesse für euer kleines Land entfacht ist.
Als zuerst muss ich sagen, dass ich mich nicht wirklich als einen Patrioten betrachte. Ich genieße die kleinen Aspekte unserer Kultur, wie z. B. das jedes Dorf seinen eigenen geschichtsträchtigen Dialekt besitzt und diesen auch pflegt. Jede Stadt hat außerdem ihre eigenen irrelevanten Traditionen – ich respektiere trotzdem, dass sich viele Menschen diesen verbunden fühlen. Belgien ist ein kleines Land, aber reich an Geschichte.

? Gibt es eine belgische Band, die du persönlich – unabhängig der Church Of Ra – weiterempfehlen kannst?
Eine Band, die ich sehr gut finde sind Emptiness aus Brüssel, darin spielen Mitglieder von Enthrone. Ihr Album „Nothing But The Whole“ ist ein sehr interessanter Blickwinkel auf den Black Metal dieser Tage und verdammt großartig.

0005046813_10(1)? Eure erste große Tour ist gerade zu Ende gegangen. Welche Erfahrungen und Eindrücke habt ihr daraus gewonnen?
Die Tour zusammen mit TREHA SEKTORI war großartig. Die Menschen, die wir getroffen haben und das Feedback hätten nicht besser sein können. Auch wenn wir bisher nur vier Songs live darbieten können, wird es nicht langweilig diese, Abend für Abend mit aller Leidenschaft zu zelebrieren.

? Was hat es mit dem kryptischen und gleichzeitig okkult-anmutenden Bandlogo auf sich, welches mich ganz herbstlich stimmt und an eine Moor- und Sumpflandschaft denken lässt?
Die Fotografie wurde in Wims Heimatort von unserem guten Freund Stefaan Temmerman gemacht. Das Logo basiert auf eine alte Runensymbolik, welche unseren Bandnamen Wiegedood treffend repräsentiert. Da wir das Symbol gleich zu Beginn für unsere Live-Shows verwendet haben, glauben wir, dass es zur Gesamtästhetik und Atmosphäre der Band passt, die wir erreichen und ausdrücken möchten. Es wurde daher beibehalten.

? Würdest du dich abseits der Musik als eine pessimistische Person bezeichnen? Wie findest du im Alltag deinen Seelenfrieden?
Der Tag, an dem ich meinen Frieden finde, wird der Tag sein, an dem WIEGEDOOD Geschichte sein werden.

? Welche Bands schreiben deinen persönlichen Soundtrack des Lebens?
Den Soundtrack dazu haben wir selbst geschrieben. Er heißt „De Doden Hebben Het Goed“.

? Kannst du mir abschließend noch verraten, wohin euch die Reise mit WIEGEDOOD als nächstes führen wird? Als Nebenprojekt war die Band schließlich nicht gedacht, oder?
Es wird definitiv ein weiteres Album geben. Bereits jetzt gibt es neues Material, welches wir als Inspiration für weitere Stücke einfließen lassen. Ich möchte an dieser Stelle nur keine Mutmaßungen anstellen, wann damit zu rechnen sein wird. Alle unsere Bands bedeuten uns sehr viel und wir möchten keine Schnellschüsse abliefern. Außerdem sind wir noch weit davon entfernt – schließlich freuen wir uns auf weiteres Touren zu „De Doden Hebben Het Goed“. Alles zu seiner Zeit.

Levy, vielen Dank für das Interview.

(Dimitrios Charistes)

 

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