Die zwei Gemälde von Pete Greening, der auch für die vierte Ausgabe der Kompilation „Drone-Mind / Mind-Drone“ zwei seiner Bilder für die visuelle Seite dieser Serie zur Verfügung gestellt hat zeigen -wie schon die drei Male zuvor- Raster. Auf den ersten Blick mehr oder weniger: alles Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung…Ohne zu wissen, nach welchen Kriterien Drone-Records diese Art von Bildern zum visuellen Aushängeschild der Serie machte scheint doch eines nicht ganz von der Hand zu weisen: genau wie die Schönheit dieser Arbeiten für viele wegen der auf den ersten Blick so variantenarmen Anmutung schwierig bis kaum lesbar wird, zumindest ohne Eingewöhnung / Einführung, genau so ist die eigentliche Vielgestaltigkeit von Drone in Sound, Komposition und Atmosphäre etwas, das sich einem einfachen Genuss für eine Menge von Leuten zu entziehen scheint. Insofern könnte die Auswahl eines solchen Bildkonzeptes kaum treffender sein…
Gleiches Urteil gilt auch wieder für die Auswahl der Künstler und für die Stücke selbst; in der Zusammenstellung innerhalb einer LP wie aus einem Guss, im einzelnen Stück aber eben auch sehr unterschiedliche Aspekte des Genres beleuchtend: Kirill Platonkin startet auf „Takeoff“ mit einer hell vibrierenden, weit im Vordergrund stehenden Gitarrenfläche, die mit Fieldrecordings versetzt ist und, ganz im Gegensatz zu der im Drone-Genre weit verbreiteten Haltung der langsamen Fades mit starken Brüchen arbeitet, wenn es gegen Ende darum geht, die Fieldrecordings in die Freiheit zu entlassen… Auch sein zweites Stück, „Pinewood Spell“, arbeitet mit einer Gitarrenfläche, lässt diese aber ganz weit hinten, umhüllt von einer Art bassigen Filterwolke, die das Stück in eine immerwährende Umdrehung schickt. Jérémie Mathes‘ Instrumente bleiben unbekannt und unerkannt, werden als reines „Source-Material“ benannt; zentrales Element von „Uunartoq Qerqertoq“ ist der Metalltank, in dem die Aufnahmen stattfanden und der (: Wirklichkeit schlägt Simulation) Tiefe, Sustain und eine (sehr dunkle) Atmosphäre verleiht. Im Grunde nicht länger ein Effekt, sondern als zentrales Instrument wirkt; als Live-Mixer, als Komponist…
Iliou Persis startet auf „Tomba Di Tutte Le Imagino“ mit Sounds, die sich wie eine Harfe aus Basssaiten anhöhren. Die sich jedoch zunehmend in ihrem von sich selbst verursachten Strudel verschluckt, bis eine Art Maehlstrom entsteht, mit choralartigen Stimmen wie von weit oberhalb das Schicksal derer im Wirbel betrauernd. Bis plötzlich Tribalperkussion die Flächen durchbricht, kurzzeitig Macht erlangt, letztlich aber wieder in die Unhöhrbarkeit korrodiert.
Roman Kharkovsky schickt wellenartige Drones, getaktet durch einen sehr langsamen, sehr tiefen Puls, immer wieder attackiert von konkreter erscheinenden Sounds, bis sich eine Fläche entwickelt, die irgendwie raue Streicher ausdrückt, zum Schluss überrollt von den Wellen. Und auch das abschließende „When I Became The Clouds Above Kremenchuk“ steigt wellenhaft ein, im Sound jedoch abstrakter, elektronischer; wiederum durch scharfe und kurz klingende Sounds gerieben, bis es sich zu einer warm-dunklen Fläche verdichtet, die, im Gegensatz zu den arachischen Streichern auf „Dark And Blue Full Moon Night On The Bank Of Dnieper River (Kremenchuk)“ zuvor wesentlich stärker den Sound eines ganzen Streichorchesters zu rekonstruieren scheint…
Ein weiteres Mal eine perfekte Zusammenstellung was Drone sein kann. Sehr empfohlen.
(N)
VARIOUS – Drone-Mind // Mind Drone Vol. 4
Der mittlerweile vierte Streich aus der Drone-Mind/Mind-Drone Reihe liegt mir in grünem Vinyl vor, ist aber auch in drei anderen Farben erschienen. Die Beiträge kommen aus Russland, Frankreich, Portugal und Pakistan, den „Auftakt“ macht Kirill Platonkins kurzes „Takeoff“, ein sehr schönes, geradezu klassisches Gitarren Drone Stück, bei dem einen der helle Soundteppich, angereichert auch durch etwas, was für mich wie ein Vogelschrei klingt, einen in die Höhe schweben und träumen oder die Dinge aus der Höhe sehen lässt – tatsächlich beschreibt es auch der Künstler selbst so ähnlich, wie bei dronerecords.de nachzulesen ist. Zumindest zu Beginn deutlich tiefer und dröhnender, jedoch durchaus nicht ohne Elemente fragiler Schönheit ist der „Pinewood Spell“, das zweite Stück aus Russland, das ebenfalls eine angenehm schwebende, komplexe Atmosphäre hervorruft. Aus Frankreich stammt der dritte Track der A-Seite, auch wenn sich Jérémie Mathes eines grönländischen Titels, „Uunartoq Qeqertoq“ (Englisch: „The Warming Island“) bedient.
Das Stück ist deutlich experimenteller und weniger flächiger Natur, die teilweise „noisigen“ (aber nie krachig lärmenden, wenn das Sinn ergibt) Elemente fügen sich zu einem fast schon rhythmischen, jedenfalls interessanten und spannenden Klangganzen zusammen – sicher ist dies eines der Stücke, bei dem es schwierig ist, die Klänge angemessen in Worte zu passen: Hört es euch an! Iliou Persis aus Portugal ist mit einem Stück namens „Tomba di tutte le imagio“ auf der B-Seite vertreten und auch hier wird aus einer Vielzahl von Klangquellen, einige glockenähnlich, andere fast schon knatternd, ein vielschichtiges Klangerlebnis aufgebaut, das durch das auf der Plattenhülle verwendete Zitat von Max Ernst, mit dem er den Begriff „Collage“ erläutert – als Verbindung von „zwei oder mehr wesensfremden Realitäten auf einer augenscheinlich dazu ungeeigneten Ebene“ – sicher als solche aufzufassen ist. Ein vor allem zu Beginn und am Ende faszinierendes Stück, bei stellenweise indes für meinen Geschmack die Percussion-Elemente etwas überhand nehmen. Glücklicherweise unternimmt es Roman Kharkovsky aus Pakistan, meine Wissenslücke bzgl. der dortigen Drone Musik Szene etwas zu verringern. Gewidmet sind beide Stücke u.a. dem ukrainischen Komponisten Mykola Lysenko und auch die Titel der Stücke beziehen sich beide auf Kremenchuk in der Ukraine. Das erste ist eine majestätische, dabei aber nicht nur aus gefälligem Wohlklang bestehende Klanglandschaft, die gerade durch ihre leicht dissonanten Elemente interessant und etwas „kantig“ und eben mehr als nur eine berauschend einlullende Soundwolke wird. Den Abschluss bildet dann tatsächlich Stück, das sich auf Wolken bezieht: „When I became the Clouds above Kremenchuk“, welche zuerst mit Schlägen beginnt, dann aber zur einer voluminösen, vielschichtigen, nun, „Wolke“ anschwillt, die keineswegs nur als harmloses Wölkchen zu denken ist, sondern für mich viel mehr das Schöne, irgendwie eben auch Diffuse, am Drone beinhaltet: Man kann es kaum festhalten, wenn aber dran und/oder drin ist, spürt man es und merkt, dass es gut ist: Gute Neuigkeiten aus Pakistan, sag ich mal. Auch insgesamt geradezu natürlich eine empfehlenswerte Zusammenstellung feiner Musik in einem übrigens ebenfalls gelungenen Cover. Eine Platte, die einmal mehr zeigt, dass (gerade instrumentale und besonders Drone) Musik so viel mehr sein kann und ist als Hintergrundambient, gerade wenn sie einem Freiräume gibt, die man sich quasi selbst „erhören“ muss. Macht es!
(flake777)
Format: LP |
Stichworte: |