RUMMELSNUFF Interview 2008

RUMMELSNUFF oder Doomshantys zwischen Kraft und Eisen

Nachdem ich ja schon im BLACK 46 das Projekt RUMMELSNUFF vom Kraftsportler Roger Baptist (KEIN MITLEID, FREUNDE DER ITALIENISCHEN OPER, ATOMATIC NOIR) vorgestellt hatte, ist jetzt endlich das Debüt-Album „Halt durch!“ bei ZickZack erschienen. Sein hämmernder wie schunkliger Sound mit Texten über Matrosen, Bergmänner, Ringer und treue Hunde drängt geradezu zum polarisieren, was auf der Record-Release-Feier anläßlich der CD in Dresden aber gar nicht so der Fall war.

Wo oben von der Bühne der Schweiß spritzte, tanzten unten Glatzköpfe, alternatives Gezottel und auffallend viele Frauen einträchtig zu den Beats und elektronischen Shanty-Hymen a la Hans Albers auf brachial. Selbst wenn die üblichen Sorgenfaltenträger wieder mal völkisches wittern und sich durch die „scheiß Kommunisten“-Rufe aus dem wogenden Mop bestätigt fühlen – RUMMELSNUFF ist eine Klasse für sich. Nach dem berauschenden Konzert nahm sich Roger Baptist kurz Zeit, mir schnell ein paar Fragen zu beantworten, um wenig später die unzähligen drängenden Autogrammjüngern zu befriedigen.

? Deine Debüt-CD ist nach einigen hin und her nun endlich erschienen – bist Du mit dem Ergebnis und den bisherigen Publikumsreaktionen auf der Record-Release-Veranstaltung zufrieden?

Die deutschsprachige Welt hat Kenntnis von RUMMELSNUFF genommen, ihn gefeiert und verrissen, teilweise natürlich auch geschmäht. Insgesamt steht das Echo den Erwartungen nicht nach!

? Das Presseecho war ja überraschend breit gestreut und reichte unter anderem von SPEX über INTRO bis hin zum SPIEGEL – hattest Du das so erwartet und bisher blieb ja auch der in der Westpresse zu erwartende große Verriß aus oder?

Meines Wissens wurde im Wesentlichen entweder gefeiert oder ignoriert.
? Das Album erschien bei ZickZack, dem legendären Label von Alfred Hilsberg – gilt das heute wirklich noch als Referenz oder könntest Du Dir in absehbarer Zeit auch einen Wechsel zu einem Major-Label vorstellen?

RUMMELSNUFF wirkt nach eigenem Stand der Erkenntnisse verstörend auf die Mächtigen der Musikindustrie.

? So einige Songs der Anfangszeit, die inzwischen auch kleine Klassiker geworden sind, wurden gar nicht für das Album berücksichtigt, aber dafür so einige neuere Tracks – gab es bei der Auswahl für die CD bestimmte Kriterien einzuhalten und werden eventuell die alten Sachen später noch Verwendung finden?

„Das Fest“ wird unter anderem demnächst erscheinen, aber einige der „kleinen Klassiker“ (danke dafür) werden wohl nur in unserer Erinnerung weiterleben.

? Zu einem absoluten Live-Favorit hat sich ja inzwischen die HUMAN LEAGUE-Cover-Version „Don’t You Want Me“ entwickelt und den Song hätte ich mir zum Beispiel sehr gut als Hidden Bonus-Track auf der CD vorstellen können. Statt dessen ist dort ja „Schützenfest“ zu finden, den ich als absolut eigenständigen Song bzw. richtigen Hit betrachte und der an dieser Stelle seinem Status wirklich nicht gerecht wird – warum diese blasse Plazierung am Ende des Albums?

Ein Kompromiß mit dem Label. Alfred Hilsberg hielt „Schützenfest“ für ungeeignet, weil es zu bierzeltselig sei. Aber es spricht ja doch für RUMMELSNUFF, wenn wir uns leisten können, Hits zu verstecken!

? Der neuste Song auf dem Album dürfte „Vollnarkose“ zusammen mit Roman Shamov sein, der sehr hart und direkt zur Sache geht und mich an eine böse Mischung aus DAF und Aggro Berlin erinnert – was wollt Ihr mit diesem Song ausdrücken… außer natürlich den populären Tunesier von der Sonnenbank zu schubsen?

Da stand kein böser Rapper Pate, aber die Nähe zu DAF ist durchaus beabsichtigt. RUMMELSNUFF darf sich über Popularität in EBM-Kreisen freuen und spendete diesen zuletzt entstandenen Albumsong als Hommage an die Szene. Sehr schöner Nebeneffekt: Der Käpt’n darf sich einmal mehr mit seinem Freund Shamov auf der Bühne fetzen, der übrigens auch den Text verbockt hat.

? Trotz harter Tracks wie „Vollnarkose“ geht der Trend bei RUMMELSNUFF immer mehr hin zum „volkstümlichen“ Shanty – wohin wird Dich diese Entwicklung noch führen?

Eine sehr sehr gute Frage. Da gibt es einen neuen Entwurf und der soll mit der schönen Stephanie Mai im Duett dargeboten werden. Klingt nach düsterer, entspannter Elektro-Barmusik und erzählt von einer SM-Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau. Auch Gassenhauer wird es wieder geben und die Gitarre wird nicht so untergeordnet wie bisher stattfinden. Dennoch bleibt RUMMELSNUFF der überwiegend elektronisch generierten Musik treu. Laß Dich überraschen!

? Die Optik bei RUMMELSNUFF war zum Verständnis des Sounds schon immer sehr wichtig und inzwischen gibt es auch schon so einige Videoclips – wann kommt die endlich die offizielle DVD?

Mit der DVD darf wohl noch in diesem Jahr gerechnet werden und nach meinen Vorstellungen idealerweise im Herbst vielleicht?

? Mit „Kumpel Glück auf!“ hast Du an der Old School-EBM-Compilation „Lieder der Berge – Elektronische Grüße aus dem Erzgebirge“ teilgenommen, dessen Erlös einem guten Zweck (Kinderträume e.V.) zu Gute kommt – das war sicher für Dich eine Ehrensache, aber wie kam es dazu?

Auf Einladung von Electric-Tremor Dessau. Ich fühle mich geehrt, dabei sein zu dürfen!

? Auf einigen Songs und auch Live hat Dich jetzt Dein alter Kollege Blitz (KALTFRONT, FREUNDE DER ITALIENISCHEN OPER) an der Gitarre unterstützt – wird diese befruchtende Zusammenarbeit eine Zukunft haben?

So soll es sein! Ich hatte diese, über Jahre geschätzte und sich gegenseitig ergänzende Zusammenarbeit irgendwie vermißt, wie ich jetzt weiß.

? Was hast Du mit RUMMELSNUFF noch für Pläne für 2008 und arbeitest Du schon wieder an neuen Songs für das zweite Album?

RUMMELSNUFF und die Freunde seiner Weisen dürfen sich auf mehrere Echtzeit-Hochlichter im Osten Deutschlands freuen (zum Beispiel Jena, Rostock, Cottbus, Dessau) und vielleicht wird auch noch nach und nach ein wenig vom noch abwartenden Westen „erobert“. Hamburg ist da nur ein Anfang! Weiterhin soll ja die schon erwähnte DVD erscheinen und wenn es das ZickZack-Budget hergibt oder sich Partner finden, wird es auch noch ein schickes Vinyl geben!

? Ich danke Roger Baptist für das Gespräch und wünsche für die Zukunft immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel. Des weiteren geht Dank an Sven Marquardt für die Fotos.

– Marco Fiebag –

 

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