Und wieder Ghent. Dieses magische Städtchen in Ostflandern mit dieser überbordenden Kreativität seiner lokal vereinten Szene! Wieder eine Band aus Belgien, wieder eine Band aus der illustren Riege der Church Of Ra-Formation, die gerade innerhalb des Untergrund mit einem kongenialen Mörderalbum von sich reden macht – und in vielen Jahresbesten-Listen sicher ganz vorne mit dabei sein wird. Levy Seynaeve (AMENRA, HESSIAN, EX-BLACK HAVEN), Gilles Demolder (OATHBREAER) und Wim Coppers (RISE & FALL) sind WIEGEDOOD. Allesamt in hochkarätigen Hauptbands vertreten, erforschen sie in einem weiteren Nebenprojekt die maximalen Urkräfte des Black Metal – das hat schlussendlich noch gefehlt im schlüssigen Soundkosmos des kultisch verehrten belgischen Künstler-Kollektivs. Neben Sludge, Doom, Crust, Hardcore, Drone, Postrock und Ambient ist die finale Konsequenz die rauschhafte (Selbst-)Vernichtung im Lärm. Nur das WIEGEDOOD ihren Black Metal lieber mit viel Melancholie garnieren als ihn satanisch-böse zu spielen.
Mittlerweile ist Black Metal auch in Szenen angekommen, die Jahre zuvor einen weiten Bogen um das okkulte Heavy Metal-Subgenre gemacht haben: im Post-Hardcore. Das schwärzeste aller Genres ist zu seiner eigenen poetischen Spielform finsterer Ausdrucksformen herangereift. Neuen Kult-Bands wie WOLVES IN THE THRONE ROOM, DEAFHEAVEN oder LITURGY ist es zu verdanken (oder zu verteufeln), dass infernalisches Gitarrengeschredder mittlerweile zur musikalischen Weiterbildung dazugehört. Auf ihrem Debütalbum, welches aus vier Stücken und knapp 40 Minuten Spielzeit besteht, ballert sich das Trio kollektiv in eine von Schwarz umhüllten Rauscheswolke. Lyrisch und konzeptionell hüllt man sich hingegen in mystisches Schweigen. Kein Wort ist zu verstehen; das heiser skandierende Gekrächze platziert sich eher als „viertes Instrument“ komplementär in den Hintergrund.
Komabrutales Drumming, eine lärmende Lautstärke und krächzende Vocals – nichts, was man bei hunderten Bands ähnlicher Kerbe bereits in ähnlicher Weise gehört hat. Hingegen aller Skeptiker schaffen es WIEGEDOOD vollkommen eigenständig zu klingen. Ihren Hang zur Atmosphäre nehmen sie aus ihren zuvor genannten Hauptbands mit, vor allem die doomigen Riffs der übergroß gewordenen AMENRA sind deutlich innerhalb der eigenen Sound-Sozialisation vorhanden, gepaart mit der Raserei von OATHBREAKER und der rituellen Symbolik ähnlich gearteter Ra-Projekte von KINGDOM über SEMBLER DEAH. Nur ein Bass muss außen vor bleiben, der dem Minialbum sicher noch zu einer nötigne Portion mehr Druck verholfen hätte. Dafür vernimmt man süchtigmachende Gitarrenmelodien, die genauso gut in etwas verlangsamter Form in den Hauptbands des Trios zum Einsatz hätten kommen können. Ob der hymnenhafte Opener „Svanesang“ mit cleanem Zwischenspiel und einem Riff für die Ewigkeit oder das repetitive Titelstück mit seiner fast schon beruhigenden spirituellen Aura. Im finalen „Onder Gaan“ vereinen sich dann alle Elemente zu einem Überstück schematischer BM-Kompositions-Kunst: Schwarzmelodisches Riffing mit frenetischen Leads, maximale Raserei, atmosphärische Dichte sowie das übergroßen Finale aus übereinander geschichteten Gitarrenwänden – ausklingend mit einem auf Russisch vorgetragenen Poem (warum auf Russisch, erfahrt ihr in Kürze an dieser Stelle im WIEGEDOOD-Interview, welches wir mit der Band geführt haben).
Ihren formidablen Hang zur mystischen Ästhetisierung ihrer Projekte nehmen die drei Musiker auch bei WIEGEDOOD ernst. Zwar bedient man sich diesmal ganz offensichtlicher Okkult-Symbolik für das Artwork, die gewohnte Church Of Ra-Szenerie bleibt aber auch hier als gewohntes Trademark in Graustufen getaucht. Es gibt momentan wirklich so verdammt viel Gutes und qualitativ Hochwertiges im Black Metal zu entdecken. Es gibt aber weniges, das essenziell erscheint und seine Zeit überdauern wird. WIEGEDOODs fantastisches Debütalbum gehört hier ohne Zweifel dazu.
(Dimitrios Charistes)
Format: CD/Vinyl
Label: Consouling Sounds
Format: LP/CD |
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