Über Facebook wurde ich auf das holländisch-deutsche Minimal Elektro Wave Projekt -NINE CIRCLES – aufmerksam, diese eleganten Sounds und minimalen Synthklänge hatten es mir angetan. Für die Texte und den Gesang ist „The Rose“ Lidia Fiala zuständig und das Soundgerüst produziert Ex Psyche Mitglied Per Anders Kurenbach, ich habe die beiden via Mail angeschrieben und diese interessanten Antworten bekommen, doch lest selbst.
? Hallo Lidia und Per Anders, lieben Dank nochmal für die sehr gelungene neue CD – Alice – habe die 17 Stücke in Ruhe inhaliert und bin wahrlich begeistert von der Veröffentlichung Eures Projektes NINE CIRCLES – ein elektronischer Wave Elektro Trip, auf das sich jeder Musik Freund dieser Ausrichtung freuen sollte. Man merkt natürlich sofort, dass Ihr zwei – Lidia und Per Anders – die elektronisch musikalische Klangerzeugung wirklich lebt- und daher ganz einfach gefragt: Wie kam es zum Projekt, das ja seit Mitte 2010 wieder belebt wurde, und vor allem – wie kamt Ihr zueinander und auf die Idee das Ganze neu zu starten?
Lidia: Die Band “Sixth June” hatte eine Coverversion von “What’s There Left” gemacht und hat mich gefragt, bei Ihrem Konzert im Bochumer “Zwischenfall” als Gastsängerin aufzutreten. Durch diesen Auftritt habe ich wieder Lust bekommen, auch wieder selbst Musik zu machen. Zuerst hatte ich es mit einem anderen Keyboarder versucht, aber das hat leider menschlich nicht funktioniert. Ich war schon über Facebook mit Per-Anders befreundet und wir haben unser erstes gemeinsames Konzert im Mai 2012 in Lyon gespielt – ohne uns vorher persönlich getroffen zu haben. Obwohl wir beim Soundcheck das erste Mal zusammen gespielt haben, hat es prima funktioniert und wir hatten großen Spaß auf der Bühne. Seit dem ist “Nine Circles” wieder mit Konzerten und auch neuen Songs zurück.
Per: Eigentlich sind wir uns ja schon 2009 auf Myspace begegnet. Ich habe sehr oft beim DJen und Online-Streamen die Musik von Nine Circles gespielt (durch eine Bekannte hatte ich in den 90ern die Tracks erhalten) , mich aber gewundert, dass man kaum etwas im Internet finden konnte. Keine Informationen oder Veröffentlichungen. Daher beschloss ich, einen Fan-Account zu erstellen, damit noch mehr Leute die Musik entdecken konnten. Irgendwann schrieb mich dann eine gewisse Lidia „The Rose“ Fiala an, dass sie die Sängerin von NC sei und es wohl bald wieder Musikaktivitäten geben würde :) . Anfang 2012 schrieb ich Lidia im Facebook an und fragte sie nach Veröffentlichungen und Konzerten. So erfuhr ich, dass sie das Projekt fast wieder sterben lassen wollte, da sie mit ihrem Keyboarder unüberbrückbare menschliche Differenzen hatte. Wir schrieben uns daraufhin fast täglich und beschlossen, gemeinsam weiter zu machen.
? Habt Ihr eine musikalische Ausbildung genossen oder wie seid Ihr zur Musik gekommen und seit wann seid Ihr jeweils aktiv?
Lidia: Als ich 4 Jahre alt war, hat mein Vater mich in seinen Mundharmonica-Club mitgenommen und dort habe ich meine Liebe für die Musik entdeckt. (Danke Papa!) Ich habe in meinem Leben viele Musikrichtungen ausprobiert; angefangen habe ich in den 70ern zuerst als Hippie, dann hatte ich eine Punk-Periode und danach habe ich den New Wave entdeckt, dem ich bis heute treu geblieben bin.
Per: Musik hat mich seit meiner frühesten Kindheit begeistert, zudem lag es auch in der Familie. Meine Mutter spielte Klavier und Geige, meine schwedische Großmutter konnte auch Klavier spielen. Als ich 8 Jahre alt war, kauften meine Eltern sich dann ein eigenes Klavier, wo ich meine ersten musikalischen Gehversuche übte. Mit 9 Jahren ging ich dann selber begeistert zum Klavierunterricht, wo ich 10 Jahre lang klassische und moderne Stücke und Spielweisen erlernte. Ein Faible für elektronische Musik hatte ich aber irgendwie immer schon gehabt. Was so im Radio lief, hatte mich immer begeistert.
? Welche musikalischen Einflüsse und Inspirationen sind es, die Euch immer wieder zum Musikmachen motivieren und inspirieren?
Per: Ich höre zwar sehr viel Musik von anderen Künstlern, aber finde meine Inspiration eher durch meinen Alltag und meine Familie. Geschichten/Situationen, die ich höre oder selbst erlebe, tragen zum komponieren und zur Stimmung des Liedes erheblich bei. Natürlich inspirieren mich auch Lidias Texte erheblich.
Lidia: Ich spiele gerne an den Synthesizer-Einstellungen herum, bis ich etwas gefunden habe, was mir gefällt. Ich denke, ich bin relativ wenig von anderen beeinflusst, weil ich meine Gefühle in unserer Musik verarbeite, das kann man nicht bei anderen holen.
? Haben sich über die Jahre Eure individuellen Musikausrichtungen und elektronischen Sounds von NINE CIRCLES weiter entwickelt, teils eventuell sicherlich der neuen Technik geschuldet ??
Lidia: Nein, durch die neue Technik haben wir andere Möglichkeiten, aber wir versuchen, unserem Stil treu zu bleiben, ohne dabei ganz stehen zu bleiben.
Per: Es ist für mich oft nicht einfach, mich zu rechtfertigen. Da gibt es die Minimal-Elektro-NERDS, die es absolut nicht gut finden, dass wir zuwenig mit alten Synthies und Drummaschinen arbeiten, die andere Fraktion freut sich einfach nur über neue Songs. Ich arbeite überwiegend mit Cubase und Reason, benutze sehr viel „free download“ plugins, an denen ich sehr lange bastle. Aber ich verfremde auch aufgenommene Geräuschen, dass sie wie ein Instrument klingen. Somit klingen wir eh schon mal nicht so, wie andere Bands in dem Genre. Was uns auch unterscheidet von anderen, ist, dass ich nur ganz selten beim Komponieren mit der Maus arbeite, weil ich jede Idee „live“ per Hand einspiele, egal ob Basslauf, Solo, Flächen etc. Und Lidia hatte das ja vorhin auch schon beantwortet, dass sie lieber mit den Synths „live“ experimentiert. So machen wir das aber auf der Bühne teilweise auch.
? Erklärt den Lesern doch bitte einmal das Konzept des neuen NINE CIRCLES Albums – wieviel Arbeitszeit wurde für das großartige Album investiert und wie läuft der Entstehungsprozess, incl. Studioarbeit bei Euch ab?
Lidia: Mitte 2012 haben wir angefangen, neue Songs zu komponieren. Einer der ersten war “Alice Don’t Jump”. Den Text hatte ich schon 2 Jahre zuvor geschrieben. Ich habe ihn dann Per gezeigt und er hat den Song sehr gefühlvoll musikalisch umgesetzt. Ich habe dann einfach nur noch dazu gesungen. ;-) Der Song ist genau so geworden, wie ich es mir vorgestellt und gewünscht hatte, weil Per genau so gefühlt hat, wie ich. Ich glaube, wir sind so etwas wie Seelenverwandte. Das Rohmaterial zu dem Videoclip hatte ich schon mit meinen Freund gedreht, noch bevor ich mit Per “Nine Circles” neu aufgelegt habe, also lange bevor die Musik zu “Alice Don’t Jump” existierte. Bei anderen Songs entsteht zuerst die Musik, meist indem Per oder ich eine Idee haben und sie dann zusammen weiter entwickeln. Da wir relativ weit auseinander wohnen, schicken wir uns Musikfragmente über das Internet hin und her, bis der Song fertig ist.
Per: Wir haben an unserem Album über 2 Jahre gearbeitet, und diese Zeit war (fast) noch nicht ausreichend für mich. Ich bin nicht schnell zufrieden, und ich will jedes Wort, jede Textzeile, die Lidia singt oder spricht, auf seinen ganz persönlichen Thron setzen. Es klingt vielleicht merkwürdig für manche, aber so ist das bei mir. Und ja! Wir sind definitiv seelenverwandt!! Anders würde es sonst nicht klappen. Und was bringt Dir ein tolles Instrumental oder ein wunderbarer Text, wenn man beides nicht kombinieren kann? Da haben wir noch nie Probleme mit gehabt :)
? Noch zwei Fragen zu – a.) die neue Platte heißt – ALICE – hat aber wohl nichts mit dem gleichnamigen Song der Sisters of Mercy zu tun und b) woher kommt die Betitelung im Namen von Lidia Fiala „The Rose“?
Lidia: Meine beste Freundin in Kindertagen hieß Alice und ich habe ihr zu Ehren den Song “Alice Don’t Jump” und das ganze Album gewidmet, damit sie und das, was uns beiden und vielen anderen Mädchen passiert ist, nicht vergessen wird. Mein Künstlername “The Rose” stammt noch aus den 80er Jahren, als Peter van Garderen meinte, ich wäre schön wie eine Rose und mich entsprechend genannt hat. Spätestens nach dem gleichnamigen Song war der Name dann festgelegt…
? Euer Cover Outfit erinnert mich irgendwie an Joy Divison, also ziemlich sakral Düster – ist diese Ausrichtung so beabsichtigt?
Lidia: Das Cover mit dem Grabstein und dem Hochhaus im Hintergrund soll den Song “Alice Don’t Jump” visualisieren, und ist quasi der Videoclip komprimiert auf ein Foto. Daß es so “sakral düster” geworden ist, ist der Geschichte hinter dem Song geschuldet, aber kein allgemeines Prinzip. Zu einem fröhlicheren Thema würden wir auch ein fröhlicheres Cover machen.
Per: Die Album-Songs, die Texte und Hintergründe sind wahr, ehrlich und knallhart. Und es war für uns beide fast wie eine Therapie. Dass das Cover es Dich Joy Division erinnert, ehrt uns sehr, aber war überhaupt nicht beabsichtigt :-).
? Die Texte von NINE CIRCLES im allgemeinen und speziell vom neuen Album, was inspiriert Euch dazu und wer schreibt diese, z.B. – „Vulkan“ – „Dark City“ – „Broken World“ haben es mir sehr angetan, woran orientiert Ihr Euch hierbei?
Lidia: Ich habe alle Texte von “Nine Circles” geschrieben. Ich schreibe Texte, seit ich 14 Jahre alt bin und manche der Texte passen auch noch in die heutige Zeit, so daß wir sie dann für neue Songs verwenden. Ansonsten schreibe ich auch jetzt immer noch neue Texte. Bei meinen Texten inspiriert mich das Leben und ich schreibe über meine Erlebnisse, Gedanken und Gefühle.
Per: Einen Song hast Du ja für mich geschrieben: „A Face Behind The Clown“….weil ich in meinem Leben so oft gute Miene zum bösen Spiel gemacht habe. Danke dafür Lidia hat eine sehr große Sammlung an Lyrics. Für das Album philosophierten wir beide sehr intensiv über die Inhalte und ob es zu unserer Situation im Alltag passt – oder wie wichtig es ist, einen Song mit diesem Thema zu schreiben. Ich versuche, die Lyrics – und das, was Lidia dazu bewegt hat, sie zu schreiben – intensiv zu fühlen/nachzuempfinden und musikalisch umzusetzen…Mit all dem Wehmut, der Trauer, der Ungerechtigkeit. Aber auch wenn es darum geht, die Leute um sich herum wegzuschubsen und nur zu tanzen. Ich bin sehr kritisch mit mir. Ich gebe nicht allzuschnell einen Song als „FERTIG“ ab.
? Ist die Zukunft – für mich als alten Plattensammler übrigens eine grauenvolle Vorstellung – tatsächlich der digitale Megatrend – das Streaming – wo Millionen von Songs überall und sogar legal jederzeit bequem und billig wie nie zuvor, verfügbar sind?
Lidia: Wir haben zwar kürzlich unser Album auch als digitalen Download veröffentlicht, aber für mich persönlich ist und bleibt Vinyl immer die Nummer Eins. CDs und MP3s sind zwar praktisch, aber eine Vinyl-Schallplatte in Verbindung mit ihrem großen Cover ist eher ein Kunstwerk.
Per: Ich höre seit vielen Jahren kaum noch Schallplatten, bin aber seit NINE CIRCLES sehr überrascht, wie groß doch das Vinylinteresse ist. CDs werden wir nur schwer los, aber alles was wir als Schallplatten veröffentlicht haben, geht schnell weg. Ich gebe zu, dass ich mehr mp3s besitze als physische Tonträger. Aber ich werde in Zukunft wieder mehr Vinyl hören :)
? Wie steht Ihr zum Thema Musikvideos – ich habe Eure Livespots schon begutachtet – bringt es Vorteile in diesen Audiovisuellen Zeiten Clips für You Tube, Facebook oder andere Kanäle zu erstellen?
Lidia: Ich denke schon, daß es Vorteile bringt, indem man dadurch neue Leute erreicht, die ansonsten nichts von uns gehört hätten.
Per: In einem Musikvideo kann man die Bedeutung eines Songs noch mehr hervorheben, das Ganze optisch noch klarer definieren. Ich halte da sehr viel von. Einen Musik-Clip haben wir ja schon gemacht für „Alice“.
? Hattet Ihr schon Auftritte im Ausland absolviert, teilweise gibt es Künstler, die dort erfolgreicher als in der Heimat sind und gab es Livekonzerte an ungewöhnlichen Orten?
Lidia: Da ich Holländerin bin und wir erst einmal dort gespielt haben, habe ich fast alle Auftritte im Ausland. ;-) Die meisten Auftritte haben wir in Deutschland, wo Per wohnt – und ich mittlerweile auch. Aber wir sind auch schon in Belgien, Frankreich, Litauen und zuletzt in Schweden gewesen.
Per: Ungewöhnlich war es in Lyon zu spielen. Wir haben auf einem ausgedienten Frachtkutter gespielt, welcher als Club umfunktionert worden war, im Wasser schwamm und am Steg vertäut war….sehr merkwürdig..Aber nicht unangenehm :)
? Der Synth Dino – Jean Michel Jarre – hat vor ca. 8 Jahren seine erste Veröffentlichung „Oxygene“ mit den Original Instrumenten aus 1976 live auf einer Tour performt, wäre das mal ein Anreiz für Lidia oder auch für Dich Per Anders – alte Tracks und Platten nochmal neu performed oder gar unplugged zu präsentieren?
Lidia: Den Synthesizer von damals habe ich leider nicht mehr, ansonsten würde ich den schon gerne benutzen. Alte Songs in neuem Gewand
Per: Wie Lidia schon sagte…wenn wir alle dafür notwendigen Geräte physisch zur Vefügung hätten, würde ich kein Problem haben, diese auch live so zu benutzen. Irgendwann werden wir das bestimmt auch mal machen, denke ich. Aber – unplugged – so mit Klavier – das könnte ich mir schon eher vorstellen…wenn Lidia das auch gut findet und die Leute das hören wollen :)
? Welche Platten sind Eure All Time Heros im heimischen Plattenregal?
Lidia: Mein absoluter Favorit ist “Year of the cat” von Al Stewart. Danach kommen “Sheik Yerbouti” von Frank Zappa, “Mange Tout” von Blancmange, “Blue Monday” von New Order und alles von Joy Division.
Per: OMD (78-84), Kraftwerk (alles bis 1986), Human League (bis 1984), Massive Attack, The Prodigy…aber auch „World“ von den BeeGees, der „I Feel Love“-Remix von Donna Summer, Johnny Cash, The Beatles….und viele mehr.
? Sind Nebenprojekte für einen Künstler notwendig, da sich hier musikalisch etwas anders ausgelebt werden kann – oder braucht man eventuell überhaupt keine Nebenprojekte, wenn sich solch Prozesse vielleicht sogar integrieren lassen?
Lidia: Ich denke nicht, daß es notwendig ist, aber es macht halt einfach Spaß mit verschiedenen Musikern etwas zu kreieren.
Per: Also ich brauche manchmal diese Momente, wo ich musikalisch „ausbrechen“ und etwas ganz anderes machen kann. Ich bin nicht festgefahren in meiner Musikrichtung und probiere gerne auch andere Dinge aus. Denn ich brauche diese Eigenerfahrung für mich. Es kommt darauf an, was es ist, aber ich nutze diese Erfahrungen auch für Nine Circles.
? Und zum Schluss ein kleiner Ausblick : Was möchtet Ihr in der nahen oder späteren Zukunft noch mit NINE CIRCLES umsetzen und erreichen?
Lidia: Wir arbeiten derzeit an unserem neuen Album “Emerge”. Fünf Songs sind schon fertig. Mal sehen, was danach kommt, soweit planen wir nicht.
Per: So ist es. Wir lassen uns treiben :)
(S.Ericksen)
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