Er kann es noch! Horror-Altmeister John Carpenter wird auch mit 66 Jahren nicht müde, sich als 80er-Jahre-Horror-Ikone selbst zu zelebrieren. Völlig zu recht. „Lost Themes“ ist pure Nostalgia. Eine Horroparty im grobkörnigen VHS-Look. Ein Rundgang durch die Bahnhofsvideothek. Mit dem geilsten 80s-Vibe seit KAVINSKY´s „Outrun“. Eine Zeitreise zurück in die Kindheit, als es noch am Schönsten war Horrorfilme im Kerzenlicht zu konsumieren. Sich vor Angst in die Hosen zu scheißen und das verdammt noch mal richtig gut zu finden. Damals, als uns unvergessene Gruseljuwelen wie HALLOWEN (1978), THE FOG (1980), THE THING (1982) oder CHRISTINE (1983) schlaflose Nächte bereiteten. Ich rede von der Generation 1980+. Wir, die noch kiloschwere Walkmans durch die Gegend trugen und denen der Begriff „Bandsalat“ noch in bester Erinnerung ist.
Was würde ich dafür geben, wieder einmal einen dieser Horrorfilm-Klassiker mit den Augen eines 11-Jährigen zu sehen! Wer auch im Erwachsenenalter noch süchtig nach spacigen Synthesizer-Flächen und minimalistischen Musikthemen ist, dem sei gesagt. Das Warten hat ein Ende. Alles wird gut: „Lost Themes“ ist großartig!
Verrückt an dieser Scheibe ist eigentlich nur, dass es sich tatsächlich um JOHN CARPENTERS offizielles Debütalbum handelt. Auch wenn sich der Regisseur für zahlreiche seiner Filme als Filmkomponist einen Namen gemacht – für die Ewigkeit bleiben das schaurige FOG-Thema und die zeitlose Gruselmelodie aus HALLOWEEN. Ähnliches gelingt ihm mit spacigen Hits ala „Night“, „Vortex“ oder „Mystery“. Eine Platte mit Musik zu unveröffentlichten Filmen zu machen – darauf mussten Fans ein ganzes Leben hinfiebern. Nach 14 Jahren Wartezeit ist es nun Carpenters erstes Album seit seinem Score zu „Ghosts of Mars“ von 2001 erschienen. Erstmals versammelt er, wie der Name schon sagt, Outtakes und Neukompositionen ohne Abnutzungserscheinungen. Neun Stücke, vielschichtig in der Dramaturgie und doch unverkennbar CARPENTER. Auch bei der Labelwahl bleibt er in morbider Gesellschaft. Schließlich steht Sacred Bones für illustre Namen abseits der Mitte und mit Faible für monochrome Künstler wie PHARMAKON, ZOLA JESUS, CULT OF YOUTH oder MARISSA NADLER. Auch Arthouse-Kultregisseur DAVID LYNCH hat hier seine nebulöse Musik veröffentlicht.
Und wie klingt LOST THEMES nun? Eigentlich selbstredend. Psychedelischer Fuzz-Rock ala GOBLIN trifft auf die surrealen Stimmungsbildes eines FABIO FRIZZI. Zwingend muss an dieser Stelle auch der Name LUCIO FULCI fallen, schließlich waren es gerade die einst hyperkreativen Italiener, die in den 70er-Jahren innerhalb ihrer Gialli-Filme vor allem durch die markanten Kompositionen Kultstatus erlangten. Musikalisch knüpft Carpenter an jene Soundkulissen an, die er einst selbst mitgeprägt hat. Sein Markenzeichen: Eine Symbiose aus Elektronik und Retro-Prog mit schwebenden Tastensounds und hymnischem Keyboard-Bombast. Es ist vor allem diese melancholische Grundstimmung, die Fans jener Ära Gänsehaut bereiten wird. Den Mood zu bedienen, das beherrscht der Filmemacher perfekt. Die explosiven E-Gitarren-Soli sind purer Sex und die krachenden Beats ein Atompilz von Ekstase!
Ähnlich gute Hommage-Alben haben vor einigen Jahren auch ZOMBI, ZOMBIE ZOMBIE oder ZOLTAN veröffentlicht. JOHN CARPENTER bleibt aber das ungeschlagene Original. Auch wenn er in der Presse-Info mitteilt, dass bei der Arbeit an „Lost Themes“ keinerlei kommerzielle Absichten verfolgte, sondern lediglich ein Spaßprojekt realisieren wollte. Vielen seiner Fans hat er ein gottgleiches Geschenk gemacht. Die eingangs prophezeite Zeitreise zurück in die Kindheit ist ihm hiermit gelungen. Die Filme zum Score müssen zwar noch gedreht werden, doch so lange nur der nächste Trailer nur so verflixt großartig ist, wie diese Musik, seien Carpenter auch Todsünden wie „Flucht aus L.A.“ verziehen. Spukhäuser dieser Welt, lasset euch von JOHN CARPENTER beschallen!
Fazit: Druckvoller als in den 1980ern, aber immer noch genauso authentisch. Ja, ich bin süchtig. John, lass bitte keine weiteren 14 Jahre verstreichen. Diese Platte schreit nach einem Nachfolger!
(Dimitrios Charistes)
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