EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN – Lament (2LP/CD)

100_00067Wenn man es genau nimmt, ist „Lament“ kein neues reguläres Studio-Album der EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN, sondern eine Auftragsarbeit zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der vor 100 Jahren begann. Dass dabei keine Stahlgewitter zu erwarten sind, dürfte langjährigen Beobachtern der Band von Anfang an klar sein und der Begriff Kunst schwebt regelrecht mahnend über „Lament“.

Mag die Eröffnung namens „Kriegsmaschinerie“ in seiner sich steigernden atonalen Geräuschkulisse noch alte Fans frohlocken lassen, stellt sich der Track bei genauerer Betrachtung, aber als äußerst lasch und völlig harmlos heraus. Der Rest des Werks klingt dann auf dem Papier wesentlich interessanter, als es in Wirklichkeit ist. Da wurden „umfangreiche“ Recherchen zum Thema vorgenommen, Tonarchive ausgewertet und Museen besucht (ganze 3, und in Worten nochmal, drei Stunden hat Herr Bargeld im Militärhistorischen Museum zu Dresden verbracht). So soll zum Beispiel bei der Percussion Version von „Der 1. Weltkrieg“ jedes Plastikrohr eine am Krieg teilnehmende Nation und jeder Schlag einen Tag des Krieges darstellen. Eigentlich eine originelle Idee und live sah das natürlich erst sehr beeindruckend aus, aber zwischendurch verlor N.U. Unruh mal seine Stöckchen, und ob der dann richtig weiter gezählt hat….? Ebenso „schlau“ und schräg ist auch „Der Beginn des Weltkrieges 1914 (Dargestellt unter Zuhilfenahme eines Tierstimmenimitator)“, man kann es aber auch blasiert wie nervig nennen. Die Vertonung der sich überschneidenden Telegramme von Kaiser Wilhelm und Zar Nikolaus dürfte in die gleiche Kerbe schlagen, wobei allerdings die rhythmisch-telegrafisch tuckernde Musik fast schon beliebig zu nennen ist. Der Friedens-Klassiker „Sag mir wo die Blumen sind“ war dann in diesem Kontext völlig erwartbar und in seiner Minimal-Umsetzung einfach nur berechenbar. Klar gibt es auf „Lament“ auch wirklich gelungene Ansätze, wie zum Beispiel, die durch N.U. Unruh getrommelte Stacheldrahtharfe, aber am Ende bleibt der sich an das Feuilleton anbiedernde schale Nachgeschmack einer Auftragsarbeit.

Und so kann zumindest das Goethe-Institut wieder mal beruhigt in die Hände klatschen. Geklatscht wurde beim Konzert in Berlin übrigens recht verhalten und ein Teil des Publikums war sichtlich gelangweilt vom selbstverliebten Auftritt der Band. Mich persönlich erinnert ja Blixa Bargeld immer mehr an den tanzenden Zwerg aus Twin Peaks, N.U. Unruh an einen debilen Rentner und das „rockige“ Gebaren von Alexander Hacke ist inzwischen so was von peinlich bis widerlich… einzig Jochen Arbeit und Rudi Moser bewahren ihre Würde, beide übrigens als letztes zu der Band gestoßen. Natürlich sind das ganz subjektive Gedanken meinerseits und bestimmt auf das fehlende Abitur zurückzuführen. Wer also den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN auch noch nach „Silence Is Sexy“ die Treue gehalten hat, dürfte mit „Lament“ keine Probleme haben und selbst die Band bezeichnet die Veröffentlichung ja nicht als reguläres Album. Anerkennenswert auf jeden Fall der Wille von den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN, selbst fast 35 Jahre später immer noch relevant zu sein… selbst wenn es langsam krampfig wird!

(Marco Fiebag)

Format: 2LP/CD
Vertrieb: BMG / Rough Trade
Mailorder: Going Underground
 

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