Meister Carlson meldet sich zurück. Nun bereits zum achten Mal. Der Americana Doomer Carlson zeigt in seinen Arbeiten sein Verständnis von Veröffentlichung. In und mit den Alben lässt sich Zeit aufbewahren. Kleinen Kapseln gleich beinhalten seine Stücke nicht nur die Zeit des Einspielens, des Erspielens oder Aufnehmens. Dylan geht es um konkrete Zeit, denn er weiß, wie kostbar diese ist. Geliehen könnte man meinen oder eben gestundet.
EARTH-Veröffentlichungen sind allesamt gravitätisch. Da baut sich stets eine Erhabenheit auf, die eine eineiige Zwillingsschwester der Zurückgelehntheit ist. EARTH sind jedoch niemals abgeklärt. Dies verhindert allein schon die Carlson`sche Biografie. Rückschläge und Niederlagen haben sein Leben im großen Umfang bis in die letzte Silbe buchstabiert. Wer allerdings weiß, wie der Tod aussieht, der zuckt im Leben nicht mehr so leicht zusammen. Und danach klingt “Primitive And Deadly“. Die EARTH-Alben variieren immer zwischen offenen und geschlossenen Kompositionsstrukturen. Aktuell zeigt sich eher ein Songcharakter. Dronegesang in Meisterschaft, so verstanden waren Dylans Veröffentlichungen immer mit Stimme. Mit echten Vokalisten indes arbeitete er bislang äußerst selten. (Einer war ein gewisser Kurt Cobain.)
Auf “Primitive And Deadly“ erfährt man gleich auf zwei Stücken einen Vortrag mit Organ. “There Is A Serpent Coming“ am Mikrofon: Mark Lanegan. Während Marks kehlige Vokalisen zum Carlson`schen staubtrockenen Riffing summbrummen, zeigt sich plötzlich, wie naheliegend die künstlerische Verbindung zwischen den beiden Ausnahmeaktiven ist. Als sänge der eine die gespielten Ideen des anderen einfach zu Ende. Zwei also, die sich verstehen, zwei deren Lebenswege Haken und Schneisen durchs dichte Unterholz schlugen. “From The Zodiacal Light“ weiß Rabia Shaheen Qazi am Mirko. Vordergründig mag das Stück gemessen, fast solenn erscheinen. Wer so hört, hört nicht recht. Zumindest nicht EARTH. Das Anhebende zeitigt die zugrunde liegende Körnigkeit der Stücke. Fast so, als fügte man Korn um Korn zu Stein und Stein. Es wächst. Doch immer lauscht jedes Ensemblemitglied auch dem Ausdruck der anderen. So zeigt vor allem Adrienne Davis, welch feines Gespür für Rhythmus ihr anheim gegeben wurde.
Souveränität wäre da eine passende Vokabel. Coolness eine andere. Auch deshalb wirkt Dylan heute stärker bei sich, die Ferne in ihm scheint verflüchtigt. So erklingen die Stücke in einer harmonischen Gelassenheit, die fast schon Zufriedenheit aus Weisheit ist. Dafür begleitet ihn seine aus dunklen Gräben geborene Lebensklugheit stets. Alles in allem also eine Ausstrahlung, die der Aura des späten Johnny Cash nicht unähnlich ist. Dazu der neue Druck hinter den Stücken, eine Form von Dynamik, eine Urwucht und Kraft, die sich aus einem reichen Leben speist.
Die Tracks leuchten in einer Pracht, die nie Pranzerei ist, vielmehr ein Strahlen, welches niemals auszublassen droht. Die Musik hat stets das Gute um ihn herum entstehen lassen. Er sagt selbst: „Die schlechten Sachen passieren nur dann, wenn ich das vergesse und dadurch von meinem Weg abkomme.“ Sein Gestaltungstrieb und sein mittels der Kunst fixiertes Gedächtnis entfachen einen repetitiven Reigen. Bisweilen meint man fast, Musik sei Dylans eigentliche Muttersprache. Auf “Primitive And Deadly“ lässt sich etwas hören, was nicht weniger als die Poesie eines Freien ist. “Einer, der weiß, dass die Zeit nur gestundet ist“. (L formerly known as Z)
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