Ken Sharp / Paul Stanley / Gene Simmons: Die Geschichte von KISS. Unsere Anfangsjahre (BUCH)

image001In diesem Jahr feiern die Monsterrocker von KISS, jene brillante Symbiose aus Rock’ n Roll, Marvel Comics und Roger-Corman-Filmen, den 40. Jahrestag des Erscheinens ihres selbstbetitelten Debutalbums. Aus diesem Anlass beschenken sie ihre Fans mit der Neuauflage ihres Backkatalogs auf Vinyl sowie der Kompilation KISS 40, einem repräsentativen Querschnitt durch die musikalische Bandgeschichte mit all ihren Stilwechseln, die überraschenderweise sogar einige bisher unveröffentlichte Titel enthält. Und wie üblich bei KISS, müssen für diese Geschenke die Fans bezahlen, was sie sicher gerne tun werden, schon allein, um Gene Simmons und Paul Stanley, bis heute die Masterminds der Gruppe, vor der Altersarmut zu bewahren.

Die frühen Jahre von KISS einschließlich der Entstehung des besagten Debutalbums kann man nun in Die Geschichte von KISS. Unsere Anfangsjahre, erschienen im Hannibal Verlag, nachlesen. Hierbei handelt es sich nicht einfach um eine konventionelle Bandbiographie aus der Feder eines Musikjournalisten, vielmehr haben die Autoren aus Interviews u.a. mit den vier Gründungsmitgliedern, ehemaligen Roadies, Radioleuten, Managern, Clubbesitzern, Konzertveranstaltern und Fans der ersten Stunde einen vielstimmigen Gesang komponiert, der die frühen Jahre von KISS wieder lebendig werden lässt. Darüber hinaus kommen auch zahlreiche Musikerkollegen wie Alice Cooper, Bob Seger, die Ramones und David Johansen von den New York Dolls, für die KISS mehrfach Vorgruppe waren, zu Wort.

In der Summe macht das Buch deutlich, mit welcher Kompromisslosigkeit Paul Stanley und Gene Simmons daran arbeiteten, ihre Vision einer dauerhaft erfolgreichen Rockband Wirklichkeit werden zu lassen. So ließen sie 1972 einen Plattenvertrag mit einem großen Label platzen, weil ihnen die Ausrichtung ihrer ersten gemeinsamen Band Wicked Lester nicht gefiel. Stattdessen suchten sie sich mit dem Schlagzeuger Peter Criss und dem Leadgitarristen Ace Frehley neue Mitstreiter, die bereit waren, das Konzept der Bandgründer mitzutragen: Stanley und Simmons wussten nur zu genau, dass ein unverwechselbares Auftreten ein wesentlicher Baustein des Erfolgs im Rockgeschäft war, und so sollte sich die neue Formation durch ein ausgefallenes Make-up, comichafte Kostüme und eine wilde Theatralik auszeichnen. Der Weg bis zu ihrem endgültigen Durchbruch, den KISS schließlich Ende 1975 mit dem Album Alive! erreichten, war steinig, voller Rückschläge und bestand vor allem aus harter Arbeit. Nach ihrem ersten Auftritt im Januar 1973 auf der wackeligen Bühne eines kleinen heruntergekommen Clubs in New York tingelten KISS fast permanent durch die USA, traten nahezu überall auf, wo eine Bühne stand, egal ob Club, Turnhalle oder Ballroom, bis es ihnen schließlich gelang, ganze Stadien zu füllen. In dieser Zeit perfektionierten sie ihr Auftreten und erwarben sich den Ruf einer exzellenten Liveband, die ihrem Publikum mit Pyrotechnik und allerlei Zirkuszauber (man denke nur an Gene Simmons‘ Einlagen als Feuerspucker) eine bis dato nicht gesehene Show präsentierten. Fast nebenbei spielten sie zwischen 1973 und 1975 auch drei Studioalben ein, die sich allerdings nur mäßig verkauften, so dass die vier Musiker oft nur von der Hand in den Mund lebten und ihre Plattenfirma Casablanca mehrfach kurz vor dem Ruin stand. Als sich der im Grunde bis heute anhaltende Erfolg von KISS schließlich einstellte, stand dahinter nicht einfach nur Zufall und Glück, sondern vor allem der unbedingte Wille von Paul Stanley und Gene Simmons, Rockstars zu werden – und zu bleiben. Im Grunde ist die Geschichte KISS eine weitere Verkörperung des klassischen amerikanischen Traums: vom Tellerwäscher zum Millionär. Und Simmons und Stanley hatten nie die Absicht, sich ihren Traum zerstören zu lassen, weder von der mangelnden Virtuosität als Musiker, noch von der Häme etlicher Musikkritiker, und schon gar nicht von undisziplinierten Bandmitgliedern, für die Drogen und Alkohol irgendwann wichtiger wurden als ihr Kerngeschäft – Peter Criss und Ace Frehley haben dies später bei ihren mehrfachen Rauswürfen aus der Band deutlich zu spüren bekommen.

Fazit: Die Geschichte von KISS. Unsere Anfangsjahre ist ein kurzweilig zu lesendes, anekdotenreiches Buch, das ein helles Licht wirft auf ein spezielles Segment des amerikanischen Rock-n-Roll-Zirkus und so manche unbekannte Episode aus der Bandgeschichte enthüllt. Aufgrund seiner auf Statements basierenden dialogischen Struktur ist es direkt, authentisch und an einigen Stellen von der gleichen Rohheit wie manch früher Song der maskierten Viererbande. Zudem liefert es intime Einblicke in die Mechanismen des US-Musikbusiness der frühen 1970er Jahre, so dass das Buch nicht nur für KISS-Fans interessant ist sondern auch für alle, die sich mit Popkultur und Rockgeschichte befassen. Die klassischen Grußworte zu Beginn eines jeden KISS-Konzertes gelten jedenfalls auch hier: „You wanted the best, you got the best.“

M. Boss

Format: BUCH
Vertrieb: Hannibal Verlag
 

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