Jan Steven Fricke (oder auch bekannt unter dem Kürzel Fx) ist Inhaber des Dessauer Platten-Ladens und Labels Halb-7-Records, Herausgeber des PSYCHOMANIA-Fanzines und umtriebiger Veranstalter von Konzerten wie auch Festivals. Aktuell steht am 19.07. wieder eins unter dem vielversprechenden Banner „Only The Sun Knows“ an, welches mitten im Naturschutzgebiet auf der Wasserburg Rosslau bei Dessau stattfinden soll. Aufspielen werden dabei ARBEIT-BEAUAMP-PALUMBO, O PARADIS, IN GOWAN RING, NEBELUNG, NR, SANGRE DE MUERDAGO und (r). Da das Festival damit Genreübergreifend in dem weiten Feld zwischen Drone und Folk ausgerichtet ist und solche Vorhaben immer ein großes Risiko bergen, stellte ich Jan einige Fragen zu seinen Beweggründen der Veranstaltung:
? Was war für Dich der Anlass, dieses Festival zu organisieren?
Unter Behind srb wurden über die Jahre schon verschiedene Veranstaltungen unterschiedlichster Couleur organisiert. Bisher waren das reine Indoor-Konzerte. Nun ist es an der Zeit zu testen, wie sich der spezielle Sound unter freiem Himmel bewährt und auswirkt.
? Welche Bedeutung steht hinter dem Titel des Festivals?
„Only The Sun Knows“ ist ja ein Song der amerikanischen Avant-Folk-Band SIX ORGANS OF ADMITTANCE. Ich bin schon seit Jahren großer Fand der Truppe und schätze Ben Chasny´s Gitarrenarbeit. Der Titel hat mich einfach inspiriert, denn er lässt Fragen offen und Erklärungen nur bedingt zu. Er versprüht eine geheimnisvolle und urkräftige Aura, also genau das richtige Aushängeschild für dieses Konzept. Übertragen auf das Festival könnte man sagen, es ist ein Event für Musikfreunde mit offenen Herzen, mit Sinn für Natur, Mystik, Romantik und Hang zum Weltschmerz. Für alle die gern ausloten, erforschen, sich freimachen oder neu erfahren.
? Welche Idee steckt hinter dem Festival und unter welchen Gesichtspunkten wurden die Bands ausgewählt?
Ich persönlich mag es gern Genreüberschreitend und bin immer wieder auf der Suche Grenzen auszuloten und dabei Schnittpunkte zu finden. Schubladen sind zwar zum einteilen bequem, engen aber auch ein. Horizonterweiternd war in dieser Hinsicht zum Beispiel eine Reise zum Donaufestival, welches im Jahre 2006 im österreichischen Krem stattfand. Als Kurator fungierte kein anderer als David Tibet. Entsprechend auch die Bandauswahl, die von SUNN O))) über CURRENT 93 bis THROBBING GRISTLE reichte. Dazwischen gab es ein Füllhorn an unterschiedlichsten Acts, in entsprechenden Stilrichtungen. Bespielt wurden großen Bühnen, kleinere Floors und verrückte Venues, sogar in einer Kirche dröhnten die SUNN O)))-Verstärker, so dass der Putz von der Decke rieselte. Das Festival in dieser Qualität hat mich schon sehr beeindruckt und ich verstand, dass es eigentlich keine musikalischen Grenzen gibt, es sei denn, man setzt sie sich selber. (Vielleicht ist THROBBING GRISTLE so ein Endpunkt, denn nach der Show im Quadrosound, wollte ich erst mal keine Musik mehr hören…) Der Ansatz ist also, wie bringe ich außergewöhnliche und schräge Künstler, Bands, Kollektive…, jenseits des Mainstreams und des Konventionellen, an einem Ort zusammen, und kreiere in entsprechender Reihenfolge und Ablauf einen homogenen, organischen Mix. Selbst wenn diese sich auf den ersten Blick genretypisch und stilistisch unterscheiden mögen, haben doch alle Beteiligten gewisse Gemeinsamkeiten (die besagten Schnittpunkte) und ergänzen sich somit im Gesamtkontext wunderbar. Das Resultat wäre schlussendlich ein eigenes magisches und musikalisches Kolorit. Daher auch der Slogan: „Dark Minded – Open Minded – Never Minded“ (Augenzwinkern einbegriffen). Gesucht und gefunden wurden Akteure aus dem Ambient Bereich, das geht gut einher mit sphärischen Soundscapes und Klangcollagen, Bruchstücke davon könnte man auch in den Loops kalter Post-Industrial Töne wiederfinden. Teilweise spielen die Musiker wiederum auch in Neo-Folk Gruppen, so kommt man zur melancholischen Wildromantik und vertracktem Wyrd-Folk. Es wäre auch zukünftig nicht auszuschließen, schwere Doom- oder düstere Black Metal Töne mit einfließen zu lassen.
? Auf welche Band freust Du Dich besonders und warum?
Meine persönlichen Highlights werden wohl NG (NORTHGATE) und Ô PARADIS sein. Als mir Evor Ameisie (NG/CAMERATA MEDIOLANENSE) auf dem Behind-Festival im letzten Frühjahr die neueste NG Scheibe in die Hand drückte, hat mich der Inhalt des Silberlings doch ziemlich überwältigt. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Sound und Atmosphäre so vielschichtig daherkommen. Das Album lief dann öfter und so mußte ich bei der Bandauswahl diesbezüglich nicht lange überlegen. Ô PARADIS habe ich das letzte Mal 2007 auf dem legendären Punch Festival, im Leipziger UT Connewitz erleben dürfen. Ich mag die warme, südländische Schwermut, dazu die latent diffizilen Untertöne… Einfach großartig. Leider hätte ich Ben Chasny mit seinem neuen Projekt COYPU gern dabei gehabt, aber da ich erst im Februar mit dem Booking starten konnte, war die Planungszeit einfach zu kurz, um diese Produktion zu ermöglichen.
? Was war für die Wahl des Festival-Ortes ausschlaggebend?
Zum einen die malerische Kulisse der Wasserburg und ihre einzigartige Lage, zum anderen die gute Erreichbarkeit des Geländes. Beide Kriterien machen einen wichtigen Part des OTSK-Festivals aus. Es ist für mich schon etwas Besonderes auf einer alten Burg, die mitten in einem der größten Biosphärenreservate Deutschlands liegt, ein spezielles Musikevent zu veranstalten. Wie schon erwähnt, das geniale ist, das Gelände kann man bequem und stressfrei mit Bahn und Fahrzeug erreichen. Man fährt von Berlin und Leipzig aus kaum 1,5 Stunden und taucht dann nahezu unbeschwert in ein intaktes Naturgebilde ein und wenn man will kann man auch seine Zelte dort aufschlagen. Wir haben dafür ein kleines Camping-Areal abgesteckt, allerdings sind hier Fahrzeuge oder Anhänger tabu, da wir uns ja im Schutzgebiet befinden. Wer zu Natur und Sound noch mehr Kultur braucht, der muß hier auch nicht lange suchen…Dessau und Umgebung bietet einiges an sehenswertem Weltkulturerbe …allen voran das Bauhaus mit den neuerrichteten Meisterhäusern und dem Wörlitzer Gartenreich.
? Warum wurde das Festival von den anfangs geplanten 2 Tagen auf einen Tag verkürzt?
Ich denke für den OTSK-Auftakt ist ein 1-Tages-Festival sinnvoller und auch entspannter, sowohl für Publikum und Veranstalter. Der Kostenfaktor spielt dabei auch eine nicht ganz unwichtige Rolle; ich schätze es wäre für einige Besucher aufwendiger und teurerer, dann zwei Tage zum Gelände zu pendeln oder sich über das Wochenende hier einzumieten. Womöglich würde dann abgewogen werden, welcher Tag zur Anreise in Frage käme und daher schlussendlich die Kompakt-1-Tages-Variante.
? Ein Trugschluss vieler Festival-Veranstalter ist meist, dass viele Bands gleich viele Besucher bedeutet und meine Beobachten (gerade in unserer Szene) besagen, das meist die gleichen Besucher kommen, wenn 3 Bands spielen, wie auch bei 10 Bands, nur das bei letzteren Variante die Kosten deutlich höher liegen! Wie siehst Du diese Beobachtung meinerseits?
Logisch, die Veranstalter wollen ja auch locken und ein von oben bis unten hin vollgeschriebener Flyer vermittelt mehr als ein Blättchen mit nur 3 Combos…Die Rechnung geht aber wirklich nicht auf, denn die Szene vergrößert sich ja auch nicht gleich mit der Anzahl der Künstler. Absurd ist auch die Annahme vieler Veranstalter, je teurer die Band, desto mehr Leute. Ich finde, „zu viel“ ist nie gut und Masse ist ja auch nicht gleich Klasse. Ich würde lieber 2 Acts weglassen, als einen zu viel zu nehmen. Am Ende ist Fingerspitzengefühl gefragt.
? Was sind Deine Erwartungen an das Festival?
Ich würde mir wünschen, dass wir alle einen entspannten Festivaltag mit tollen Bands und Gästen erleben dürfen. Wenn genügend musikbegeisterte „Open Minded“ Gäste aus nah und fern anreisen werden, sollte es wohl auch zukünftig weitere Auflagen der OTSK Veranstaltung geben. Ich drücke uns die Daumen, dass es wettermäßig gut passt und das Kapriolen diesbezüglich ausbleiben. Letztes Jahr um die Zeit, ist das Gelände ja nahezu in den Fluten der Elbe versunken, denn die Burg ist teilweise von natürlichen Überschwemmungsflächen im Auenlandschaftsbiotop umgeben. Deshalb wird derzeit noch ziemlich viel in modernen Hochwasserschutz investiert. Im Falle von lästigen Dauerlandregen, gäbe es aber einen Plan B, der die Qualität der Freiluftveranstaltung auch nicht grob beeinträchtigen würde.
? Mit wie vielen Besuchern rechnest Du bzw. bei welcher Anzahl denken sich zumindest die Kosten?
Das ist schwer zu sagen, ich habe keine wirklichen Vergleichszahlen. Ich würde vorsichtig zwischen 150-200 Leuten rechnen. Die Kosten sind selbst für dieses kleine Festival enorm. Die Künstler bekommen Gagen, Reisekosten werden erstattet bzw. vorgeschossen (alle Bands spielen ja exklusiv und sind nicht auf Tour) werden versorgt und untergebracht, dann diverse Technik, ein wenig Werbung, Security usw. – der Aufwand hält sich zwar in Grenzen, doch wenn man nicht aufpasst, kommt man schnell mal auf einen 5-stelligen Betrag. Insofern ist viel auf Individualismus und DIY-Basis ausgerichtet. Es gibt keine staatliche Förderung, keine Sponsoren oder ähnliche sprudelnde Finanzierungsquellen. Das was reinkommt wird wohl ausschließlich für die Kosten draufgehen. Finanziell gesehen hat das Fest also nicht unbedingt den Ansatz zum Geld verdienen. Natürlich wäre es schöner und bequemer einen sicheren Etat zu erhalten; wenn man mal überlegt, die „Händels Open“ in Halle bekommen eine halbe Millionen Euro an Zuschuss und dann wird immer noch gejammert. Davon könnte man fast Tote wieder auferstehen lassen. Trotzdem, bei allen Schwierigkeiten und jeder Menge Arbeit, es ist gut und ich bin froh, dass das OTSK ein unabhängiges Festival ist und wir uns keinen gleichmacherischen Zwängen beugen müssen. Insofern: Tous pour l’art…alles für die Kunst!
? Dem ist nichts mehr hinzuzufügen und deshalb wünscht das BLACK einfach nur ein gutes Gelingen!
(Marco Fiebag)