Ein todtrauriges Pianodebüt schenkt uns der in Milan geborene FEDERICO ALBANESE, der seit einigen Jahren in Berlin seine Wahlheimat gefunden hat. Dort haben ihn wiederum die geschmackssicheren Herren von Denovali Records entdeckt und ihm prompt eine deutsche Label-Heimat angeboten. Mit seiner sentimentalen, von tiefer Melancholie getragenen Musik, reiht er sich in die neue neoklassische Ausrichtung des Bochumer Experimentallabels. „The Houseboat and The Moon“ vereint reichlich Gänsehautmoment und löst bei mir tiefe Gefühle mit paralysierender Ergriffenheit aus. Vor allem das wunderschöne „Disclosed“ oder das depressive „Sphere“ stehen exemplarisch für die 13 Stücke, die mir alle Nackenhaare aufstellen lassen. Und dann erst diese fiesen Geigen!
ALBANESE hat bereits als Kind mit dem Klavier- und Klarinettenunterricht begonnen, bevor es ihn in Jugendjahren erstmals zur Rockmusik zog und er als Galionsfigur innerhalb der italienischen Subkultur seine Spuren hinterließ. Durch seine fünfjährige Mitarbeit als technischer Helfer an verschiedenen Filmsets hat er seine Liebe zur Musik mit denen der Filmindustrie koppeln können. So verwundert es nicht, dass die Musik von FEDERICO ALBANESE klare cinematoskopische Züge in sich trägt und als musikalische Untermalung von Dramen und Dokumentationen hervorragend eingesetzt werden kann. Und wer recherchiert, der findet auch. Für den spanisch-deutsch-polnischen Spielfilm „Shadows In The Distance“ hat der 32-Jährige bereits eine erste Soundtrack-Arbeit fabriziert.
Aufgenommen wurde „The Houseboat and The Moon“ mit einem ehrwürdigen Uher Royal Deluxe, einem deutschen Kassettenrekorder-Modell aus den 1960er-Jahren. Diesen hat der Komponist bewusst eingesetzt um Hintergrund- und Störgeräusche in seine Stücke zu einzufangen, von denen nach dem finalen Mastering-Prozess aber kaum etwas übriggeblieben ist. Das Piano steht klar im Vordergrund, gelegentlich werden elektronische Frickel-Parts in die Stücke eingeflochten.
Alles in einem kann man sagen, dass FEDERICO ALBANESES Debüt ein sehr gedämpftes Album gelungen ist, welches sich fernab von kommerziell-orientierter Score-Musik eines ENNIO MORIRICONE bewegt. Möglicherweise ist die eingegrenzte Fokussierung auf ein einziges Melodieschema pro Stück der Schlüssel zur intuitiven Begegnung, so dass der tiefergehende Ausdruck des Künstlers hier mit minimalen Mitteln seine volle Wirkung entfalten kann. Trotz molldominierender Grundstimmung schwingt Hoffnung im Subtext mit.
Als artverwandte Namen sind CARLOS CIPA, HAUSCHKA oder NILS FRAHM mit jeweiligen Klavier-Experimenten zu nennen. Wer seine Abende gerne mit intellektuellen Büchern und schwerem Rotwein auf dem Sofa verbringt und den Werken von OLAFUR ARNALDS, YANN TIERSEN und LES FRAGMENTS DE LA NUIT nicht abgeneigt ist, darf blind zugreifen. Für mich ganz klar eines der interessantesten Denovali-Veröffentlichungen seit sehr langer Zeit und eines dieser Alben, die wichtig bleiben werden.
(Dimitrios Charistes)
Format: CD/LP |
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