20.SV – The Great Sonic Wave (CD, CAVITY)
Ein weiteres Beispiel, dass Musik und ihre jeweilige genretypische Ästhetik keine Grenzen kennt, erst recht keine solchen von Ländern… 20.SV ist eines der Projekte von Osman Arabi aus dem Libanon, der auf „The Great Sonic Wave“ ein düsteres Störfeuer aus mal schneidender, mal pulsierender Elektronik, statischen Geräuschen, Fieldrecordings(?) und geradezu unmenschlichen Schreien schichtet, immer wieder zerrissen durch wie Kurzschlüsse hereinbrechende Geräusche; dabei die ganze Zeit wie auf dem Sprung verharrend, bis nach gut der Hälfte des gut 28 minütigen one-trackers eine zerhackte white-noise-Elektronik dem Stück ganz neue Bewegung verleiht. Und die Stimme nach vorn lässt, die keinem anderen als Alan Dubin (z.B. ex-Khanate) gehört, wodurch weitere Kommentare dazu eigentlich fast überflüssig sind… Wie ein Höllentrip in einem Club, der nicht auf die Bässe setzt, um die Körper zu bewegen, sondern auf die hohen Töne, um die Schädel zu spalten. Trotzdem: eindeutig ein Hörerlebnis und genau das: gut hörbar.
B/B/S – Coltre / Manto (LP, MIDIRA RECORDS)
Midira Records veröffentlicht ein weiteres Mal ein Album, dessen Basic Tracks live in der Christuskirche in Bochum aufgenommen worden sind: „Coltre / Manto“, eingespielt von dem Trio um Aidan Baker, Andrea Belfi und Erik Skodvin, ist dabei die zweite Veröffentlichung dieses Experimental/ Drone Trios nach dem Debüt „Brick Mask“. Und wer das Glück hatte, dieses Konzert besucht zu haben, wird sich an den perfekten Raumklang erinnern, innerhalb dessen B/B/S damals ihre an einigen Stellen drückenden, meist aber filigraneren Gespinste mit perkussiven Zentrum entwickelten. Und sich von diesem speziellen Klang, der wie ein Rahmen die Klänge der einzelnen Instrumente gleichzeitig zusammenfasste und erweiterte und durch ihre eigene Inspiration (natürlich) zu einem Zusammenspiel haben tragen lassen, das mit „blindem Verständnis“ eher untertrieben beschrieben ist. Die beiden Stücke zeigen die Band daher auch auf dem Vinyl in einer Art fokussierten Spielrausch; fast wie immer auf dem Sprung; ein Eindruck, der nicht zuletzt dem wirklich phantastischem Spiel von Drummer Andrea Belfi geschuldet ist, der Dronewolken und schabende Schichtungen mit rhythmischen Strukturen unterlegt, die bei aller treibenden Kraft auch immer ganz Teil des Spiels der beiden Saiteninstrumentalisten sind. Und wenn dieses auch immer Aspekte der Solowerke trägt (sowohl von Aidan Baker als auch von Erik Skodvin), finden sie in der Verbindung als B/B/S zu einer eigenen Sprache. Aus Bewegung und Verschiebung, aus Raum und Statik…Perfekt.
Nadja – Tangled (7″; Broken Spine Productions)
Moment: Nadja, auf 7“, ok. Aber 6 Stücke auf dieser 7“??? Für die durchaus sehr schick verpackte „Tangled“ drehen Nadja alle Erwartungshaltungen ins Gegenteil und bestätigen das mit der Musik natürlich erst recht. Derart uptempo (und ich meine UPTEMPO) Stücke hat Mann und Frau bisher noch nicht von Nadja gehört. Und so kurze erst recht nicht. 1.56 bis 2.52 ist dann wohl so etwas wie das maximale Gegenteil der bisherigen Epen und (wenig überraschend bei dieser Band) es funktioniert bestens (und überrascht dann aber eben doch und zwar massiv mit seinen einerseits völlig in der Nadja Soundästetik verhafteten Stücke, die aber auf der anderen Seite wiederum völlig frisch und unerhört klingen). Der wie immer tief eingebettete Gesang könnte dabei diesmal in Teilen auch von Leah Buckareff stammen, die, wenn diese Einschätzung stimmt, dann erstmal wesentlich offensiver nach vorn treten würde. Unabhängig dieser Überlegungen: SEHR empfohlen. Lasst euch überraschen.
(N)
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