Seit Jahrzehnten stellt sich der treue LAIBACH-Fan bei jedem anstehenden neuen Album die bange Frage, in welche musikalische Richtung das slowenische Kollektiv denn jetzt tendieren wird. Eigentlich wurde ab der „Kapital“ jedem Werk von LAIBACH erst Jahre später die entsprechende Würdigung zu teil bzw. deren visionäre Kraft so richtig erkannt. Zu außergewöhnlich und stilprägend scheint dabei der Schatten ihrer 80er Meisterwerke zu sein, so das eigentlich fast jedes Album seit „Macbeth“ zumindest Anfangs für enttäuschte Gesichter gut war. Selbst bei mir sorgten die Vorab-Tracks auf der „Division S“-Digital-Single zuerst für einiges Stirnrunzeln und so wird es dann wohl auch bei vielen mit „Spectre“ gehen, obwohl die Touren in den letzten Jahren schon die Marschrichtung vorgegeben haben – es wird elektronisch-kraftvoll, poppig, aber auch mitreißend! Gleich der Opener „The Whistleblowers“ überrascht mit ungewohnt eingängigen Elemente im Stile der „Winnetou“-Melodien von Martin Böttcher, die man aber nicht so schnell aus dem Ohr bekommt und sich am Ende des Tages dabei selbst ertappt, die Melodie leise vor sich hinzu pfeifen. Bei „No History“ wird es dann schon deutlich schmissig-schneidender und Auftritt des „Mädchen in Uniform“. Mit Mina Spiler (MELODROM) haben LAIBACH ja seit dem letzten regulären Album „Volk“ eine stimmgewaltige wie charismatische Sängerin in ihren Reihen, die inzwischen fast schon gleichberechtigt neben Frontmann Milan Fras agiert und selbst optisch ein wahrer Blickfang ist. Für „No History“ kann sie gleich aus dem Vollen schöpfen und ihr Gesang stößt dabei bis in Hip Hop/R’n’B-Gefilde vor. Auch das folgende „Eat Liver!“ wird von ihr dominiert und erinnert vom treibenden Rhythmus her an eine modern aufgemotzte „Warm Leatherette“-Hommage. Im weiteren Verlauf des Albums halten sich abwechselnd ruhige mit latent aggressiven Passagen die Waage und manches könnte auch glatt als potentielle James Bond-Titel-Songs herhalten. Bei „Resistance Is Futile“ ist dann der aufpeitschenden Höhepunkt erreicht, um mit der fast schon zu schön- kitschigen Duett-Ballade „Koran“ das Album ausklingen zu lassen. Laut eigener Aussage stellen LAIBACH mit „Spectre“ nicht nur Fragen, sondern geben zum ersten Mal auch Antworten. Die 10 Songs sollen ein Aufruf zur Revolution und der Entwurf einer Utopie sein, aber meiner Meinung nach ist dies nur wieder ein zweideutiges Verwirrspiel. Europa wird am Ende fallen und Krieg wird die einzige rettende Hygiene für diese Welt sein! „Spectre“ erschient in mehreren Formaten und neben der regulären CD und LP+CD-Auflage, gibt es auch eine Deluxe-CD-Ausgabe mit 4 Bonus-Tracks und einem sogenannten „Party-Book“. Dieses kleine handliche Notizbuch für die Uniform-Brusttasche ist ähnlich dem NSK-Ausweis und enthält neben LAIBACH-Zitaten und dem „Spectre“-Manifest auch alle Texte zum Album. Die 4 zusätzlichen Songs sind dabei keine Outtakes, sondern allesamt großartige Songs, die sich absolut geschmeidig in das Album-Konzept einpassen würden. „The Parade“ geht davon gleich ungemein mit elektronischen Big Beat-Sound + fetziger Bläser nach vorn und ist ein weiterer Beweis für das harmonische Zusammenspiel der Stimmen von Mina und Milan. Das hämmernde „Love On The Beat“ (Serge Gainsbourg-Cover) kennt man dagegen ja schon von den letzten Live-Auftritten und auch die elektrisierte Blues-Interpretation von „See That My Grave Is Kept Clean“ (Blind Lemon Jefferson) ist einfach nur gewaltig! Somit bietet diese Deluxe-Edition einen deutlichen Mehrwert und der Fan wird nicht umhinkommen, hier doppelt Geld auszugeben. Album des Jahres 2014 und Punkt. (Marco Fiebag)
Format: LP+CD/CD |
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