Seit einiger Zeit als alchemisches Artefakt gepriesen, ist dieses (Mini)-Album, welches fünf COIL-Remixe von vier verschiedenen NIN-Titeln beinhaltet, nun endlich erschienen. Wer sich über diese Zusammenarbeit bzw. dieses Remixprojekt wundert, dem ist offensichtlich der Coil-Mix auf „Closer to God“ entgangen bzw. er/sie teilt die engere, europäische Definition von „Industrial“, in den USA wird ja Musik in der Art der Nine Inch Nails zu genau diesem Genre gezählt. Wie dem auch sei und selbstverständlich ohne Coil ins Industrial-Lager stellen zu wollen, stellen sich bzgl. dieses Tonträgers (mindestens) zwei Fragen: Ist es ein gutes NIN-Album? Und: Ist es ein interessantes und relevantes Coil-Projekt, denn weiterhin begrüßen Musikfreunde wie Sammler auch nach dem Tod von J. Balance neue bzw. neuentdeckte Veröffentlichungen dieses Ausnahmeprojekts.
Und bereits in den ersten Sekunden des ersten Tracks, „Gave Up (Open my Eyes)“, sehe ich meine Hoffnung, etwas von der einzigartigen Atmosphäre eines Coil-Tracks zu spüren, bestätigt, auch wenn natürlich die „Industrial“-Härte und Trent Reznors Gesang das Stück zu einem leicht als solcher erkennbaren und keineswegs untypischen NIN-Song machen bzw. dieser trotz der nur leicht dekonstruktivistischen Bearbeitung durch Coil als solcher erhalten geblieben ist. Besonders gespannt höre ich bzgl. des „Unrecalled“-Mixes von „Closer“ hin, einem NIN-Track, den bestimmt nicht nur ich ganz besonders mag: Und auch hier ist das Lied durch die Bearbeitung dunkler und obskurer geworden, tendenziell ein wenig verspielter (wie dies Remixe ja oft sind) und im positiven Sinne etwas diffuser und deutlich weicher: Elektronische Klänge wirken hier wie ein Kommentar zum Gesang Reznors. Erst später im Stück und nur kurzfristig bahnen sich auch hier verzerrte E-Gitarren ihren Weg, müssen jedoch immer wieder mit Elektronica konkurrieren und mit Coil könnte man sich bzgl. Trent Reznors „…like an animal“ fragen: „what kind of animal are you?“ Wie es der Titel des dritten Tracks, „The Downward Spiral (A Gilded Sickness)“, vermuten lässt, geht es hier noch weiter weg vom eher harten Sound des (amerikanischen) Industrial und mehr in Bereiche des Glitch und Elektronica, was Coil natürlich herrlich beherrschen, indes auch schon in dem Originaltitel angelegt war. Die Gitarre, die etwa zu Beginn der zweiten Hälfte des Lieds anklingt, verliert sich nach einer Weile, der Melodiebogen des Originals kommt jedoch gegen Ende des Remix‘, wenn auch zum Teil fast schmerzartig verzerrt, deutlich zum Vorschein. Von „Eraser“ gibt es gleich zwei Mixe: „Reduction“ ist eine dunkle, fast bedrückende Version, in der rhythmische und melodiöse Originalelemente unter der Oberfläche brodeln, während der „Baby Alarm Remix“ deutlich härter gehalten ist. Die anfänglichen Gitarren-Riffs werden jedoch ziemlich bald zurückgenommen und auch wenn sie immer mal wieder auftauchen, tun sie dies primär als Rhythmus-Element in einem sowieso rhythmusbetonten, weitestgehend ziemlich geradlinigen und ohne größere Probleme tanzbaren Stück. Und auch das darf und sollte womöglich ja durchaus einmal sein.
Niemand sollte hier ein neues, posthumes Coil-Album erwarten und das dürften wohl auch nur ganz wenige getan haben, obwohl der Name Coil genauso groß auf der Hülle steht wie Nine Inch Nails, und doch: Coil sind unverkennbar dabei. Selbstverständlich liegt hier ein Nine Inch Nails-Tonträger vor und zwar einer, der sich eigentlich ziemlich genau den Stücken widmet, die mir sowieso am besten gefallen. Ein Muss also für NIN-Fans und interessant gewiss auch für die allermeisten Coil-Liebhaber. Eine Empfehlung für Leute (wie mich), die NIN sehr mögen, Coil aber lieben.
(flake777)
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