ACCOMPLICE AFFAIR – The Zone Of Silence, MIRT – The Rite Of Passage, AMBASSADOR 21 – X, @C – Ab Ovo, If Bwana/ Gerald Fiebig – Split, Ter – Fingerprints (CD/LP)

ACCOMPLICE AFFAIR – The Zone Of Silence (CD, Zoharum)

Wieder so ein Album, das sich sehr viel Zeit nimmt, sich zu entwickeln, das einen starken Field-Recording Charakter aufweist, obwohl alle Klänge im Studio entstanden sind und das es versteht, mit leisen Tönen urbane Geschichten zu erzählen. Wenn man Ambient in den Art-Kontext stellt, dann sollte Artwork auch eine herausragende Rolle spielen. Diese Kombination gelingt ACCOMPLICE AFFAIR in beeindruckender Form, da die Bilder einer menschenleeren Urbanität, die das Cover zieren, sich in der Musik wiederfinden. „The Zone of Silence“ ist kein reines Ambient-Album. Immer wieder wird es durch Stücke ergänzt, die Gesang und eine Instrumentierung aufweisen, die an Neofolk erinnert. Die Grundstimmung, die sich aber wie ein roter Faden durch das Album zieht, ist neurotische Verzweiflung, das Gefühl der Isolation und Ausgrenzung. Das gelingt durch die Verwendung ungewohnter Klänge und Harmonien, spärlicher Akkorde und verzerrten, langsam vorgetragenen Sprechgesang. ACCOMPLICE AFFAIR setzt in vielen der Stücke auch auf Gitarren, die gerne Melodien andeuten ohne diese zu verwirklichen, seinen Sprechgesang versieht er gerne mit Halleffekten und schreckt auch nicht vor tribalen Perkussionselementen zurück, um das Gefühl von Isolation und Ausgrenzung das er zu erzeugen, weiß zu untermalen. Eine Platte, die für musikalische Qualität steht und wie nur wenig andere schwermütig ist, ohne dieses Gefühl zu überzeichnen.

MIRT – The Rite Of Passage (CD, Monotype)

In Zeiten des Downloads wird Coverart zu einem aussterbenden Kulturgut, da es sich nicht mehr lohnt, aufwändige Bilder zu erstellen, wenn sie der Öffentlichkeit nur noch als Thumbnail präsentiert werden. Was für eine schöne Augenweide ist da doch das Cover der Band MIRT, die ihr Album „The Rite Of Passage“ in einem Artwork verpacken, das im wahrsten Sinne des Wortes die Norm sprengt.
Sonst reduziert auf das 21cm Format eines Jewel Cases, das sich sowohl bestens für Transport und Präsentation eignet, ist das Cover von „The Rite Of Passage“ um wenige überdimensioniert. Weiterhin dient es nicht als Hintergrundbild für ein sinnfreies Bandlogo und zugehörigem Albumtitel, sondern lässt Platz für ein schönes Bild, zwei Menschen an einem Auto, gezeichnet in hellen Farben. Eindeutig ein Sammlerstück, wie die limitierte Stückzahl des Albums bestätigt. Musikalisch haben wir es hier mit Ambient zu tun, in klassischer Brian Eno Tradition, eine fröhliche Übertragung sommerlichen Lebensgefühls in eine Klangwelt, die mit vielen Flächen, Glockenspielen, wenigen Beats und vielen Loops zu überraschen weiß. Durch die Eingängigkeit des Albums ist „The Rite Of Passage“ eher leichte Kost, was jetzt nicht mit mangelnder Qualität zu verwechseln ist. Besonders hervorzuheben sind die Speech Snippets, die einzelnen englischen Filmen entnommen sind und sich textlich wie emotional perfekt in die Gesamtstimmung einfügen. Insgesamt ein gelungenes Ambient-Album, dessen Alleinstellungsmerkmal bestimmt im Artwork zu suchen ist.

AMBASSADOR 21 – X (CD, HANDS)

Ambassador 21 würde ich als Band bezeichnen, die sich klanglich in der Tradition des Digital Hardcore bewegen, eine Musikrichtung, die Anfang der 90er vor allem von Atari Teenage Riot maßgeblich geprägt wurde. Laute, verzerrte Gitarrenriffs treffen auf Powernoise-Beats und werden von einem männlichen, nicht minder verzerrten Gesang überlagert. Dieses Konzept wird über 16 Songs durchgezogen, ohne dass sich dabei ein klarer Spannungsbogen herausbildet, der dem Album die besondere Note des Konzepts verleihen würde. Klanglich mag Digital Hardcore zwar die Basis bilden, aber das Spektrum in dem sich Ambassador 21 bewegt reicht deutlich darüber hinaus. Nine Inch Nails, Ministry aber auch Rave lassen grüßen, wenn sich das Duo filigran durch die einzelnen Stücke bewegt und es versteht, harte Noise-Einlagen mit Rave-Fanfaren zu ergänzen. Dem Album „X“ wurde eine solide Produktion zugrunde gelegt, da die einzelnen Komponenten im Klangarrangement deutlich hervorzustechen ist und der Musik oft jene Rotzigkeit fehlt, die frühe ATR-Produktionen auszeichnet. Ein außergewöhnliches Album für Hands, das von Mut zeugt und bestimmt seine Hörerschaft zu finden weiß.

@C – Ab Ovo (CD, Crónica)

Wie schon mehrmals angedeutet, bewegt sich Ambient gerne in einem Art-Kontext und im Falle von @C wird diese Beziehung besonders deutlich. Das Cover des Albums „Ab Ovo“ zeigen unbearbeitete Puppen, solche die man im Fachhandel für Malerei findet und die angehenden Zeichnern als Grundlage für biomechanische Eigenheiten des Menschen darstellen. Nur sind diese Puppen auf dem Cover mit Schnüren versehen, die ein Puppenspieler braucht um Figuren zu bewegen. Daraus ergibt sich die erste Frage: handelt es sich bei „Ab Ovo“ um den Soundtrack zu einem Figurentheater? Auch die Musik eröffnet diesen Deutungsspielraum. Leise blubbernd gehen Klangflächen mit Geräuschkollagen Hand in Hand, bestens geeignet, menschliche Emotionen aus dem Gleichgewicht zu bringen. Gut vorstellbar, dass dieser hohe Grad klanglicher Abstraktion den Zweck verfolgt, Publikum bei einer Aufführung zerrissene Emotionalität zu verdeutlichen, das bei einem Puppenspiel auf der Bühne gerade aufgeführt wird. Ansonsten handelt es sich um soliden Dark Ambient. Die angesprochenen Klangflächen werden nicht durch die einzelnen Stücke durchgezogen sondern verbiegen oder verschwinden hintern aufgesetzten Klangkollagen, die aus elektronischen Beeps und Blips bestehen, die ergänzt werden durch verfremdete akustische Elemente, wie zum Beispiel eine anklingende Gitarren- oder Celloseite. Diese Komplexität und der Hang zur Verfremdung der üblichen Hörgewohnheiten gibt „Ab Ovo“ eine eher beklemmende Note und dieses Element wird meisterlich vorgeführt, so dass man als Hörer eine Beklommenheit oder Unwohlsein in sich aufsteigen fühlt.
Schwere Kost aber hohe Kunst.

If Bwana/ Gerald Fiebig – Split (LP, Attenuation Circuit)

Selbst im Bereich Ambient, wo die Nähe zur Kunst jetzt schon mehrfach beschrieben wurde, gibt es Interpreten, welche die Künstlichkeit der Musik besonders strapazieren. Die Split-LP von If Bwana und Gerald Fiebig ist so ein Fall, in dem ein Minimalismus in mir noch unbekannten Dimensionen betrieben wird und die Klangelemente des zwei Stücke umfassenden Albums bis ins letzte Detail strapaziert werden. Dabei hat der Klang jederzeit was organisches und gespielt wird vor allem mit der Lautstärke, durch welche der Musik an verschiedenen Stellen jene besondere Dramaturgie verliehen wird, bei der landläufig gerne eine Vielzahl von Instrumenten eingesetzt werden statt wie hier nur wenige Loops. Bei der vorliegenden Split handelt es sich schon um ein forderndes Album, das vom Hörer Aufmerksamkeit verlangt, um die Dramaturgie zu verstehen. Trotzdem ist die Musik nicht aufdringlich, verstörend oder nervenzerfetzend, sondern überzeugt durch diesen gekonnten Hang in den Minimalismus.

Ter – Fingerprints (CD, Cat Sun)

Wieder so ein Album mit einem überdimensionierten Cover, wieder so eine Scheibe, die dem Artwork ungewöhnlich viel Platz lässt. Wieder mal Art-Kontext. Doch dieses Mal ist es nicht Ambient, der auf eine CD gepresst wurde, sondern vielmehr langsamer Trip Hop mit einer düsteren Note, der an Scorn erinnert, jene legendäre aber zu wenig gewürdigte Band aus England. Das Grundgerüst der Musik auf „Fingerprints“ ist ein Rhythmus, der sich quälend langsam aus den Boxen schält und dadurch eine ungeahnte Deepness erzeugt, die von klug eingesetzten atmosphärischen Loops und stakkatohaft auftretenden Synthie-Flächen ergänzt werden. Die Verfremdungen nehmen im Laufe der Scheibe – die Stücke sind übrigens alle unbetitelt – zu, verlassen aber nie das sichere Fundament der hypnotisch langsamen Beats, um die sich gleich einem Mantra ewig wiederkehrende Loops schlängeln. Ein hypnotisches, ein schönes Album, leicht zu hören, verspielt und klug arrangiert, das dazu noch mit einem Artwork aufwartet, das sich in jeder Kollektion gut machen wird.

(S.Kummer)

Format: CD/LP
 

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