RLW & SR Meixner – Just Like a Flower When Winter Begins (CD; Monotype)
Wieder ein experimentelles Album dessen Inhalt Stücke sind, an denen sich zwei Künstler mit unterschiedlichen Hintergründen und Herangehensweisen abgearbeitet haben. Der eine kommt aus dem Sounddesign und sein Beitrag zu „Just like Flower when Winter begins“ sind Klangflächen und filigrane Geräuscharrangements. Der andere ist eher ein Spoken Wort Artist und sein Beitrag zu den Sound Snippets des ersten sind gesprochene Beiträge, dadaistisch anmutende Aneinanderreihungen von Wörtern oder gutturalen Klängen wie auch kurze Auszüge des verbalisierten Informations-Overloads, der unsere Gegenwart so sehr prägt wie noch nie zuvor. Diese sind oft durch Filter verfremdet oder scheinbar sinnlos aneinandergekoppelt und bergen dadurch die eine oder andere Überraschung für den Hörer. Durch diesen Ansatz ist „Just Like a Flower when Winter Begins“ ein sehr persönliches Album, das nie die Konventionen berücksichtigt, die ein Album erfüllen muss um allgemein als Hörbar zu gelten. Allerdings ist die Platte auch nicht sperrig, sondern hält sich mit Kakophonien dezent zurück, indem es die Spannung zwischen Texten und Musik stetig ausgeglichen hält. Dadurch wird es dem Hörer nicht schwer gemacht der Musik auch in ungewohnte Sphären zu folgen. Ein besonderes Anliegen scheint den Musikern bei „Just like a Flower When Winter Begins“ die Auseinandersetzung mit dem deutschen Schlager zu sein (kommt daher vielleicht auch der poetisch anmutende Titel?), der sich wie ein roter Faden durch die Tracks zieht, allerdings rein auf der textlichen Ebene. Hier werden abwechselnd, teilweise kaskadierend, teilweise ineinander verschachtelt, Definitionen, Abgrenzungen dieser – meiner Meinung nach fürchterlichen – Ausprägung volkstümlicher Musik vorgestellt. „Just like a Flower When Winter Begins“ ist experimentell, also abseits gängiger Muster und Konventionen, aber trotzdem eingängig und dank der gelungenen Mischung aus Humor und gutem Sound-Design, durchaus hörenswert.
Esplendor Geométrico – Ultraphoon (CD; Geometrik Records)
Esplendor Geométrico sind definitiv legendär, avantgardistisch, einmalig und Maßgabe für viele andere Bands, die sie im Laufe der letzten 30 (!) Jahre imitieren wollten. Auf „Ultraphoon“ kehren Arturo Lanz und Saverio Evangelista zu ihren Wurzeln zurück und verbinden kalte, analog anmutende meschanische Rhythmen mit tribalen Elementen, arabischen Vocal-Samples und hier und mit den klassischen guttural erzeugten Lauten von Arturo Lanz. „Ultraphoon“ steht tatsächlich für ein Back-To-The-Roots der beiden erfahrenen Musiker, für einen zweiten Frühling der wieder all das zutage bringt, mit dem die Musiker aus der spanischen Hauptstadt einst ihren heutigen Status fundierten. Die Arrangements kommen dreckig daher und scheinen eher analogen Maschinen zu entstammen als der glattgebügelten digitalen Computerwelt. Die spärlich aber gezielt eingesetzten Vocalsamples verfehlen nie ihre Wirkung und ergänzen die gnadenlos stampfende Musik perfekt, ohne diese zu vermenschlichen. Die undefinierbaren Geräusche, die Lanz mit seiner Stimme erzeugen kann passen sich perfekt in dieses unterkühlte Klangbild ein und sind oft das berühmteste Tüpfelchen auf dem i, die der gnadenlos treibenden Maschinenwelt doch noch einen Spannungsbogen geben. Insgesamt das Beste Album, das die Spanier seit 2002 vorgelegt haben. Wer den Spaniern bei ihrem back-to-the-roots Trip begleiten möchte, sei das limitierte Doppel-Vinyl ans Herz gelegt, das zwei Tracks enthält, die auf der CD- bzw. Download-Version nicht enthalten sind.
Ryoji Ikeda – Supercodex (CD; Raster-Noton)
Der in Paris lebende Japaner Ryoji Ikeda legt mit “Supercodex” sein drittes Album auf Raster-Noton vor und dieses ist an Minimalismus nur schwer zu unterbieten. Angetreten mit dem künstlerischen Konzept, die allgegenwärtigen Datenströme die uns umgeben klanglich abzubilden ist ein unaufgeregtes frequenzbasiertes Album entstanden, das für den sonst eher rau klingenden Japaner sehr eingängig geworden ist. Auf den 20 schlicht durchnummerierten Stücken verzichtet der Japaner auf Vorgaben aus dem Dancefloor Bereich und schleicht sich in bester Pan Sonic-Tradition durch unterschiedliche Frequenzbereiche und lässt es trotzdem ordentlich grooven. Auf durchgehende Beats oder eine Bass-Drum verzichtet er komplett; Percussion wird, wenn überhaupt, durch Unterbrechung erzeugt, durch Millisekunden schnelles, abruptes Aussetzen des Sound Patterns oder durch gezielt eingesetzte Störgeräusche. Das Besondere an Supercodex ist, dass sich das Album wunderbar am Stück hören lässt. Die einzelnen Tracks gehen unbemerkt ineinander über und bringen der Hörer so auf die filigrane Datenautobahn des Japaners. Ein Album, das Spaß macht, das zeigt, was man mit sparsam eingesetzten Frequenzgeräuschen erreichen kann und wir Musik auch ohne überdrehten Bass den Körper bewegt.
(S.Kummer)
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