„Die Vampire haben gelernt, sich der Macht des Lichtes zu widersetzen und sind Teil unsere Gesellschaft. Sie sind die Schattenseite der Menschheit. Sie verwenden die Milch ähnliche Droge Esmakra, um die Menschen zu infizieren, sie süchtig zu machen – und zu kontrollieren.“
Bereits seit Anfang des Jahres geistern Gerüchte um ein Arthouse-Filmprojekt des geheimnisvollen Witch House-Klangtüftlers Cosmotropia De Xam (besser bekannt unter MATER SUSPIRIA VISION oder SURREALISTICA UNIFERNO) im Web umher. Wer die Arbeiten des stark vom Visual-Design geprägten Projektes verfolgt, weiß, dass es bisher immer kontrastreiche, surrealistische Shortclips zur Musik sehen gab, die der Stimmung des jeweiligen Tracks angepasst wurden. Der zehnminütige Clip zu PROSYMNA sei an dieser Stelle exemplarisch als Schmankerl genannt, der Ästhetik und Konzeption von DIABOLIQUE in gewisser Weise bevor nimmt. Anfang November ist nun endlich die schicke, selbst finanzierte Film-DVD und der dazugehörige Soundtrack auf Vinyl erschienen.
Zuerst einmal sei betont, dass vertraute Sehgewohnheiten vor dem Erstkontakt mit DIABOLIQUE beiseite gelegt werden müssen, schließlich handelt es sich bei dem ambitionierten, einstündigen Low-Budget-Projekt nicht um einen regulären Spielfilm, sondern um ein kunstvoll-ästhetisches Arrangement in Tradition von erotischen Psychotica & Horror-Art-Filmemachern wie Jean Rollin oder Dario Argento. Auch die Anlehnung an die Vampirsymbolik ist eher ein stilistisches Mittel, versehen mit einem Hang zu Erotizismen und experimentellen Kameraeinstellungen. Auf explizite und vom Genre zu erwartenden Sexploitation-Darstellungen wird hingegen verzichtet, auch eine lineare Storyline gibt es nicht. Im relativ simpel strukturierten Kontext geht es um menschliche Vampire, die unbemerkt in der Gesellschaft wandeln und diese mit der Droge Esmakra infizieren wollen.
DIABOLIQUE fesselt nicht durch komplexe Handlungsstränge oder Dramaturgiebögen, sondern durch liebevoll-konstruierte Bilder, die an ästhetisch-konzipierte Witch-House oder Industrial Videocollagen erinnern und im Vergleich mit den bisherigen Clips von Cosmotropia De Xam erstmals mit einem Plot versehen sind. Ähnlich wie bei Rollins, ist es die Wirkung der Bilder, die im Fokus stehen, verstärkt durch einen wirklich gelungenen und an die Szenen angepassten Soundtrack zwischen Post-Industrial, Dark Ambient und derivativen Soundcollagen. Insgesamt bedient sich De Xam an einer Vielzahl künstlerischer Elemente und Stilmittel – die extreme Überlichtung im Kontrast mit anderen, grell betonten Farben erinnert in einzelnen Szenen mitunter an die expressionistischen Farbexperimente in Argentos SUSPIRIA oder ROSSO – DIE FARBEN DES TODES.
Filmnerds erhalten weiterhin einige Querverweise, zu für den Regisseur stilprägenden Genrefilmen, wie eine Treppenhaus-Sequenz, die als Hommage an Andrzej Zulawskis verstörenden Fiebertraum POSESSION erinnert – und tatsächlich auch im gleichen Berliner Wohnhaus gedreht wurde. Weitere Angaben zu Drehorten bleiben im nebulösen Schleier der konsequenten Verweigerungshaltung des Künstlers geheim. Auch die symbolgetränkten Zwischensequenzen, in denen die Vampire in einer kahlen Wohnung sitzen und sich gegenseitig sanft berühren, wissen durch ihre rituellen Bezüge zu gefallen.
Der volldigital-gedrehte Film ist in vier Unterkapitel unterteilt und wird von vier Laiendarstellern getragen, die ihre Sache außerordentlich gut machen, darunter AURA als Teil von MATER SUSPIRIA VISION, Krautrock-& Free-Jazz-Musiker Günther Schickert, sowie dem adretten Martin N. alias KIRSCHSTEIN. Bei DIABOLIQUE handelt es sich daher weniger um einen klassischen Grusel- oder Horrorfilm, als vielmehr um die Neugier zur Befriedigung der visuellen Bedürfnisse des Regisseurs. Stilistisch sicher dem filmischen Neo-Surrealismus zuzuordnen ist DIABOLIQUE ein kurzweiliges, durch enorme optische Anziehungskraft, geprägtes Stück Video-Art für einen zurückgezogenen Abend, einem Rendezvous mit einem teuren Rotwein und dem ewigen Konflikt zwischen ernsthaften künstlerischen Ambitionen und Kompromissen bezüglich der kommerziellen Verwertbarkeit des Mediums Film. Vampirismus-Anhänger, die nach einer interessanten Underground-Perle suchen, dürfen zugreifen.
Auf dem atmosphärischen, konzeptionell für den Film erstellten Soundtrack versammeln sich befreundete und artverwandte Künstler aus dem MATER SUSPIRIA VISION-Umfeld, wie AURA, IN DEATH IT ENDS, Italo-Horror von MARIO MAZZINI und ein exklusiv Track von GÜNTHER SCHICKERT. Selbstverständlich steuert auch der Initiator des Projekts zwei sphärische Tracks für die okkulte Vampirmesse bei.
Fazit: Ein bizarrer Höllenritt, subtil und plakativ, stellenweise verstörend, beängstigend, heftig, laut und als audiovisuelles Gesamtkunstwerk definitiv zu empfehlen.
(Dimitrios Charistes)
Format: DVD/LP |
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