Kevin Doria ist/ war(?) zunächst ein Drittel, lange die Hälfte, zum Schluss(?) wieder ein Drittel von Growing, die mit ihrer eigenen Idee von Gitarrenexperimenten (zunächst sehr ambient, später immer fragmenthafter und gleichzeitig rhythmischer) die musikalische Landschaft bereichert haben. Derzeit scheint der Status von Growing eher unklar, möglicherweise eine Pause, vielleicht auch die Auflösung gerade nach dem ersten Album in erneuter Trio-Besetzung („Pumps“ von 2010).
Aber auch schon als Growing noch sehr aktiv waren, hatte Kevin Doria aka Total Life seine ersten zwei Solo 12“s; sehr Underground mäßig, keine eigene Webseite, keinen echten Vertrieb. Wer sich die Platten dennoch besorgen konnte, war danach wahrscheinlich ziemlich überrascht: ein Geflecht aus irgendwie rhythmischen Fuzz-Noises auf der ersten, zwei sehr lange Uptempo getaktete Schichtungen plus zwei (deutlich kürzere) dronig-statische Stücke auf der zweiten. Und irgendwie klangen besonders die Uptempo-Schichtungen der zweiten Total Life („Ken Bradshaw“, 2008) wie Vorgriffe auf das, was Growing dann bald auf den eigenen Veröffentlichungen machen sollten; Kevin Doria stand damit fast automatisch im Focus als Zentralverdächtiger, der Growing aus dem atmosphärischen Ambient in die Fraktalwelten getrieben hatte.
Vielleicht war es so, vielleicht nicht; die plötzliche Veröffentlichungswelle um Total Life spricht nun eine ganz andere Sprache und dockt an die Idee der vordergründig geradezu eintönigen, sich nur fast unmerklich verändernden Drones an, die in ihrer puristisch nackten Soundästhetik sogar schon fast Industrial-Charakter besitzen. Harter Stoff also, auch ganz ohne eine verzerrte Gitarre; der Sound von Total Life entsteht derzeit rein elektronisch; Feedbackschaltungen über Röhren-Fullstacks gefahren sind das Instrument der Wahl und deren eigenartig warm schwingender wie rau/ brutal vorn stehender Sound liegt nun konserviert in Form von gleich drei Veröffentlichungen vor. Und für alle gilt: waren die vorn genannten, zwei ersten Total Life-Veröffentlichungen durch eine Art in sich versunkenen Schichten-Sound bestimmt, so hat der neue Purismus von Kevin Doria auch seine Soundhaltung beeinflusst; mit einer aller Schnörkel und Unklarheiten obsoleten Klarheit, die für viele die Stücke möglicherweise aus der Hörbarkeit direkt in die engen Zirkel absoluter Experimental-Nerds katapultiert: ob „Bender/ Drifter“ auf weißem Vinyl auf Debacle Records, ob „Fader“ von der Split mit den vergleichbar agierenden (und hier jetzt ungerechterweise viel zu kurz kommenden) Deceh oder auf „Radiator“, wie die Split auf Important Records (und auf einem sehr schönen, rot durchscheinenden Vinyl); Total Life erforscht in seiner jetzigen Entwicklungsphase ganz die Varianz des Monolithen und die verblüffende Wirkung die aus der Erkenntnis resultiert, aus welcher Unzahl von Bauteilen ein derart massiver Soundklotz all seiner ersten Anmutung zum Trotz besteht.
Und was es bedeutet, wenn auch nur einzelne dieser Bauteile sich nicht ganz so verhalten, wie es die Massivität des Gesamten zunächst erwarten lässt. Musik aus den Grenzbereichen. Und die genau damit zeigt, dass es keine gibt.
PS: Irgendwie wenig verwunderlich, dass Important Records gerade eine 3CD von Eliane Radigue veröffentlicht hat…
(N)
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