LUSTMORD gehörte bekanntlich ja zu der zweiten Welle der Industrial-Bewegung in Großbritannien, welche massiv durch die Schock-Ästhetik von THROBBING GRISTLE beeinflusst war. Anfang der 80er Jahre schossen die ähnlich provozierenden Projekte und DIY-Labels nur so aus dem Boden und es wurde der Grundstein zu einer regelrechten Industrial-Kultur gelegt. LUSTMORD gehörte dabei zum engen Kreis um die legendären SPK, zu denen aber auch NOCTURNAL EMISSIONS und KONSTRUKTIVISTS gehörten. Sein Debüt erschien 1981 bei Sterile Records als LP und wenig später auch im Tape-Format, allerdings war hier sein Sound noch wesentlich rauer bzw. industrieller, als auf seinen späteren Werken, welche gleichzeitig das neue Genre Dark Ambient begründen sollten. Beim selbstbetitelten Erstling treffen gnadenlos dreckig ausgewalzte Klanggewitter auf Kirchenglocken und religiöse Gesänge, ein monotoner Beat-Rhythmus kämpft vergebens gegen unmenschliche Schreie an und alles endet irgendwie in schmutzigen Werkshallen oder feuchten Katakomben. 10 Jahre später veröffentlichte Dark Vinyl Records das Debüt + Bonus-Material unter dem Titel „A Document Of Early Acoustic & Tactical Experimentation“ erstmals im CD-Format und gut noch einmal 20 Jahre später reicht nun Vinyl On Demand die ultimative Deluxe-Vinyl-Box nach. Auf drei exzellent gepressten wie sehr laufruhigen LPs wird das neu gemasterte Material hier hervorragend präsentiert und um weitere bisher unveröffentlichte Aufnahmen ergänzt. Neben den schon bekannten Titeln der CD bergen die drei LPs so noch einen Live-Mitschnitt aus dem Jahre 1982, Compilation-Beiträge aus der Phase 1980 bis 1983 und bisher nie gehörte Tracks, die zum Teil schon eine Vorahnung auf den später Genre bildenden Sound von LUSTMORD geben. Unter anderem sind hier auch die Vocals von John Balance von den späteren COIL zu hören, der neben Monte Gazazza, Nigel Ayers, Graeme Revell und Gleen Wallis zur Live-Mannschaft von LUSTMORD gehörte. Ich persönlich bin ja der Meinung, dass der finstere Dark Ambient-Klang seiner noch folgenden Klassiker „Heresy“ und „The Monstrous Soul“ nur so richtig im Digital-Format zu Geltung kommt (die Vinyl-Nachauflage von letzteren genannten Album bei Burning World Records sei dafür als negatives Hör-Beispiel angeführt), aber der „zähnefletschende“ Fabrik-Hallen- und Höhlen-Sound seines Debüts und auch des Nachfolgers „Paradise Disowned“ klingen auf Vinyl einfach besser! „Things That Were“ ist deshalb ein beeindruckendes wie perfektes Paranoia-Dokument aus einer bleiernen Zeit, die geprägt von Massenarbeitslosigkeit und dem „kalten Krieg“ war und nur in der so ein authentisch-grimmiger Sound entstehen konnte. Ein Klassiker im neuen Gewand und ein Muss für jede ordentliche Industrial-Sammlung! Neben dem obligatorischen Zertifikat liegt der Box noch ein Kunstdruck und ein Beiblatt mit einem Text eines alten Weggefährten von Brian Williams bei. Vinyl On Demand-Abonnenten erhalten zusätzlich ein T-Shirt mit dem legendären Cover-Motiv des blutenden Mannes zu der Box. (Marco Fiebag)
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