SWANS – Not Here/Not Now (2CD)

Seit Oktober befindet sich unser aller Lieblingsband, die SWANS wieder im Aufnahmeprozess, um den Nachfolger ihres apokalyptischen Meisterwerks „The Seer“ einzuspielen, angepeilter Veröffentlichungstermin ist das Frühjahr 2014. Dass der Größenwahn der New Yorker Noise-Pioniere auch voll und ganz zur Geltung kommen kann, bittet Bandkopf Michael Gira seine Fans um Unterstützung. Eine Möglichkeit ist der Erwerb der – leider schon offiziell vergriffenen – Live-CD „Not Here/Not Now“, welche die vergangene 2012/2013-Tour dokumentiert. Die Alternative: Ihr überweist 500 Dollar auf das Konto von Giras Label Young God Records und werdet zum Dank mit einem eigens für euch geschriebenen Song belohnt. Alle Spender bekommen schließlich ein Video zugeschickt, welches Gira in seinen eigenen vier Wänden am Schreibtisch aufnehmen will und „den Kunden, seine Gedanken, Träume und zukünftige oder vergangene Leben auf ewig anpreist.“ Weitere obskure Zahlungsmodelle und Gimmicks findet ihr auf der Young God Records-Seite im Angebot.

Die kostengünstigere Variante war (das handmade-Album in einer Stückzahl von 2000 Exemplaren ist via Young God Records restlos vergriffen) der Kauf von „Not Here/Not Now“, dem bereits neunten Live-Album in der SWANS-Geschichte. Wer die New Yorker einmal live erlebt hat, der weiß von deren infernaler Lautstärke bei Live-Shows, rekordverdächtiger Dauermonotonie und Live-Exzessen bis zur totalen Erschöpfung. Auf zwei CDs verteilt sich ein nicht unbedingt repräsentativer Überblick über das Schaffen der experimentellen No-Wave-Combo, schließlich improvisiert die Band gerne mal ausgiebig auf der Bühne, verändert Songpassagen oder stellt Niegehörtes in den Fokus. Bis auf das 45-minütige Medley „The Seer/Bring The Sun/Toussaint L´ouverture“ sind die insgesamt neun Tracks Variationen und status-quo-Dokumentationen aktueller Arbeitstitel, die live weiterentwickelt werden oder gerne einmal ein dynamisches Eigenleben entfalten.

Die Kollektion beinhaltet weiterhin zwei bis dato völlig neue und unveröffentlichte Demo-Versionen, die spartanisch von Gira nur mit Gitarre und Gesang am Schreibtisch aufgenommen wurden und die akustische Songwriter-Seite des Meisters zeigen. Dabei lässt er seine Zuhörer am Entstehungsprozess teilnehmen, artikuliert Gedankengänge und mögliche Veränderungen des Stücks. Nettes Fangimmick, zwar noch nicht ausgereift, auch wenn das Stück „Kirstin Supine“ Potenzial aufweist, stilistisch die balladeske Seite der Band um eine weitere Perle zu erweitern.

Um die Erinnerung an ein erlebtes SWANS-Konzert der letzten Tour aufzufrischen, eignet sich „Not Here/Not Now“ durch seine sehr gute Aufnahmequalität hervorragend. Prompt hat man wieder das Bild vor Augen, wie Michael Gira den Dirigenten mimt, seiner Mannschaft diktatorische Ansagen entgegenschreit, nur um am Ende der katharsischen Performance mit einem Lächeln auf den Lippen seine Mitmusiker vorzustellen und schweißgebadet im Applaus unterzugehen. Von der konzeptionellen Metamorphose des ersten Tracks „To Be Kind“, wenn es stimmig und sensibel beginnt bis zum bevorstehenden Inferno sind es über zwei Stunden Spielzeit.

Ein Schwan breitet seine Flügel aus, lernt fliegen – nur um am Ende der Show wieder mit dem Kopf aufzuschlagen. Harscher Krach, in dem man sich verlieren möchte und der – wie wir wissen – süchtig machen kann.

(Dimitrios Charistes)


Format: 2CD
Vertrieb: YOUNG GOD RECORDS
Mailorder: Going Underground
 

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