Verdammt mit den Kitchens habe ich nicht mehr gerechnet, liegen ihre vier bereits veröffentlichten Klassiker doch zwischen den Jahren 1989-1994, also Ewigkeiten zurück. Mit Songs wie „What Happened Now“, „3rd Time We Opened“ oder „Prize“ hatte man seinerzeit Songs für die Ewigkeit geschrieben, schaffte man es auf ganz individuelle Art hymnischen Alternative/Indie mit Wave, Postpunk und Shoegazer zu vermählen. Das klang alles sehr englisch, hochmelodisch mit einer unterschwellig düsteren Note versehen. Vor allem die an Cocteau Twins erinnernden perlenden Gitarren trieben einem oft die Freudentränen in die Augen, verknüpften dies die Kitchens mit hymnenhaften Refrains, welche das Erbe des 80er Postpunks (Joy Division, Echo and the Bunnyman) in die 90er transportierte.
Leider blieb der kommerzielle Erfolg aus, waren zu dieser Zeit vor allem in England die Manchester Rave Szene im Kommen und verdrängten Bands mit dieser Art emotionalen Gitarrenwave schnell. Nun fast 20 Jahre später, wo Bands wie Interpol, British Sea Power oder Editors kommerziell große Erfolge feiern, pünktlich zur dunklen Jahreszeit, beglückt man Fans und Freunde guter Gitarrensounds mit neuem Album namens „Folly“, produziert von Pascal Gabriel (Goldfrapp, Ladyhawke und Inspiral Carpets). Gleich der Opener „Oak Tree“ verzaubert mit den so prägnanten Gitarrenspiel der Kitchens, folkig perlend, von Streichern umrahmt. Sänger Patrick Fitzgerald nimmt mit Erzählerstimme den Hörer auf eine Reise mit während schwer an Cocteau Twins erinnernde Gitarrenteppiche ausgebreitet werden. Viel Hall und Weite erzeugen sofort diese Schwerelosigkeit, die den Kitchens ohne viel künstlichen Shoegazerhall so leicht von der Hand geht, ist man immer nah am klassischen Songaufbau und voller Melodieseligkeit. Weiter geht es mit dem einfach nur euphorisierenden „Extravaganza“, das wieder in hochmelodischen Gitarrenhall gebadet wird…Hymne.“Disapeared“ umweht ein wunderbar nostalgischer Hauch von Wehmütigkeit, klingt Fitzgerald brüchig immer irgendwo zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Das gibt dem herbstlich geprägten Farbenspiel beim Waldspaziergang den perfekten Soundtrack, wenn das Sonnenlicht auf goldene, braune Wipfel trifft – das Farbenspiel mit den perlenden Gitarrenmustern verschmilzt. Verdammt, der Rezensent ist Herbsttrunken und hat seine Platte dazu….ich gestehe. Und es geht weiter mit dem balladig, fließenden „Photographic Rain“, sehnsuchtsvoll intoniert, Musik für Tage am Meer, für die Momente, in denen die Zeit still stehen darf…für die Ewigkeit. Mit dem fünften Song „Japan To Jupiter“ hat man die perfekte Hitsingle, würde es so was wie gerechte Musikcharts noch geben, feinster Britpop mit tollem poppigen Refrain.
Die zweite Hälfte dieser tollen Platte hat Highlights wie das düster folkig, grollende „Wolves/Crows, das aus der Reihe tanzende, an Tim Burton Soundtrack erinnernde Dark Cabaret angehauchte „No Longer Elastic“, wo sogar düstere Klassikparts einfließen. Mit dem einfach nur als klassisch Kitchens zu bezeichnenden Midtempo Wave von „I Wish It Would Snow“ fliegt man wieder mal einen Meter über den Boden, schleicht sich diese gewisse positive Energie ein, die so typisch für die Musik der Briten ist. Mit dem traumhaft schönen Rausschmeißer „The Most Beautiful Day“ verabschieden sich die Engländer aus dieser tollen Platte, geben dem Hörer ein Stück Lebensbejahende Euphorie mit auf dem Weg…schluchz.
Auch wenn die Kitchens nicht mehr so nach vorne rocken wie auf ihren frühen Alben, eine gewisse Altersmilde durchschimmert, hat man an Kraft und Hymnen-Futter nichts verloren. Die Melodien sind zeitlos einnehmend und es ist verdammt gut so, dass man nach so vielen Jahren ein Lebenszeichen setzt. Ich will hoffen, dass außer bei den Die-Hard Fans genug offene Ohren für die Altmeister gefunden werden. Definitiv des Rezensenten Herbstplatte.
(R.Bärs)
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