Mit dem Superlativ „Supergroup“ wird in letzter Zeit etwas inflationär umgegangen. Bei CORRECTIONS HOUSE darf dieser eindeutig wieder verwendet werden. Schließlich ist es hochspannend zu erleben, was Scott Kelly (NEUROSIS), Mike IX Williams (EYEHATEGOD), Bruce Lamont (YAKUZA) und Sanford Parker (MINSK, NACHTMYSTIUM) gemeinsam fabrizieren, wenn sie sich zum Musizieren verabreden, oder besser, „Musik systematisch kreieren und zerstören“, wie die Band verlauten lässt. Das Ergebnis: ein tonnenschweres, ultradüsternes Industrial-Rock-Epos mit obligatorischem Sludge-Einschlag. Schade, dass hier nicht noch Mastermind Trent Treznor seine Finger im Spiel hatte, denn „Last City Zero“ schielt mit symptomatischen Synthesizer-Noise-Parts stellenweise gar in Richtung früherer NIN-Glanztaten.
Und wieder entfacht ein Wettstreit um das Zepter der Macht im US-Sludge. Während Deftones-Sänger Chino zusammen mit ISIS-Mitgliedern als PALMS den atmosphärischen Post-Metal mit einem furiosen Debüt bereichert hat, lädt sich der einflussreiche Konkurrent Scott Kelly nur die Ranghöchsten der gegenwärtigen Sludge/Metal-Szene ins Wohnzimmer, und beweist mit CORRECTIONS HOUSE, dass noch reichlich Wut im Bauch des misanthropischen Fronters schlummert. Die Americana-Stellen und latenten Folkrock-Einflüsse entstammen sicherlich noch aus der Inspiration seiner Soloalben. Nicht nur textlich lebt das Album von seinem aussichtslosen Kampf der Menschheit gegen das System. Amerikanische Städte sterben, der American Dream ist für viele gescheitert. Aussicht auf Hoffnung? Wen interessiert schon grelles Sonnenlicht, wenn er freiwillig Bretter vor die Fenster nagelt, um alleine zu sein. Isolation. „I believe in the pathetic„, heißt es, im traurigen Klagepoem „Last City Zero“. Resignation. Ein trauriges EARTH-Gitarren-Riff entlässt den Zuhörer bis zum Ende mit hoffnungslosem Spiel. Das akustische Spektrum der Platte reicht von harter, maschineller Todespoetik á NIN oder SWANS („Bullets an Graves“ ), über systemkritischen Spoken-Word-Poetry („Laste City Zero“) á CURRENT 93 bis hin zu harschen und ausuferndem Experimental-Rock („Serve Or Survive“) und instrumentalem Post-Metal mit PELICAN-Note („Drapes Hung By Jesus“).
Das megalomanische Projekt kommt via Neurot Recordings und wird mit seinen disharmonischen Klängen so manchen Staub in der staubtrockenen Szene aufwirbeln. Für die einen zu hart und unzugänglich, für die anderen gar abwechslungsreiche Kost. Zu entdecken gibt es zumindest reichlich. Während man auf neue Platten der einzelnen Mitglieder und ihrer Hauptbands wartet, überbrücken CORRECTIONS HOUSE mit diesem Überalbum die Wartezeit. Wer ein Faible für die Dekonstruktion der Rockmusik hat, Michael Gira mit seinen SWANS bedingungslos ausgeliefert ist, und es liebt, wenn Instrumente nicht gespielt, sondern kaputtgehauen werden, der ist bei diesem Projekt richtig. Ob weitere Alben in dieser Besetzung zu erwarten sind? Warten wir es ab. „Last City Zero“ hat das Zeug zum Genre-Klassiker.
(Dimitrios Charistes)
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