Ein Poet von fast neunzehn Jahren: Interview mit JASON BARTSCH

Er wird in den nächsten Tagen 19 Jahre alt, hat in diesem Jahr Abitur gemacht und im November erscheint sein erster Gedichtband „Regenbogenhaut“: Jason Bartsch aus Solingen. Erste Achtungserfolge hat er auf verschiedenen Poetry-Slam-Bühnen erzielt, und bei den deutschen U-20-Poetry-Slammeisterschaften in Kiel hat er die Chance, auch einem bundesweiten Publikum bekannt zu werden. Eine Sammlung seiner Poetry-Slam-Texte ist gerade unter dem Titel „Wortbeben“ bei Tolphin Books erschienen. 2012 gewann Jason einen Nachwuchspreis beim Literaturwettbewerb Postpoetry und in der Lyrikanthologie „Versnetze_6“ ist er als bisher jüngster Autor mit einem Text vertreten. Neben der Literatur ist die Musik sein zweites künstlerisches Standbein: als Sänger und Gitarrist ist er in der Dortmunder Postpunkband EMPIRE YEARS aktiv, die momentan an ihrer zweiten EP arbeitet. Und ganz aktuell zählt Jason zu den 20 Preisträgern des Wettbewerbs „28. Treffen junger Autoren“, das Ende November in Berlin stattfindet und junge Autoren mit etablierten Schriftstellern und Verlagsleuten zusammenbringt.

? Wann und warum hast du mit dem Schreiben angefangen, gab es vielleicht so eine Art Schlüsselerlebnis, das dich zur Literatur geführt hat?

Ich denke, alles fing damit an, dass meine Mutter immer wieder diese Schund-Krimi-Romane gelesen hat. Das ganze James Patterson, ein-Mörder-kommt-nach-NYC-und-wird-von-seiner-Vergangenheit-verfolgt-Drama. Als ich dann im Schrank irgendwann mal aus Protest nach Stephen King griff, gefiel mir das schon besser, aber auch „Der dunkle Turm“ konnte mir noch nicht wirklich geben, was mein Gewissen von mir verlangte. Erst als ich dann über Umwege an Kafkas „Amerika – Der Verschollene“ kam, wusste ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Der Hauptauslöser dafür, dass ich dann noch mit dem Schreiben anfing, war trauriger Weise Charles Bukowski. Ich dachte: „Wenn jemand mit so einer einfachen Sprache und viel Vulgaritäten so berühmt werden kann, dann kann ich das auch.“ Also habe ich angefangen vulgäre Geschichten zu schreiben. Dann wurden daraus soziale Geschichten und später eben auch Lyrik.

? Wer sind deine literarischen Vorbilder bzw. deine bevorzugten Autorinnen und Autoren?

Unfassbar fasziniert haben mich immer die Romane von Max Frisch, weil er es schafft ein surreales Bild von Personen in Zwangslagen zu zeichnen, die schicksalsbestimmt sind. Des Weiteren habe ich definitiv eine Schwäche für Bewusstseinsströme, also verfiel ich natürlich sofort James Joyce oder Wolfgang Koeppen. In letzter Zeit habe ich ganz besonders Hermann Hesse lieben gelernt, weil er mir unfassbar schöne Einfachheiten aufgezeigt hat, und Gabriel García Marquez hat mir klar gemacht, dass es keine Grenzen in der Literatur gibt.

? Was sind deine bevorzugten Themen, woher beziehst du deine Inspiration?

Meine Themen schreibt mein Leben. Ich greife Gedankenfetzen auf, meistens nachts in Zug oder Bus, spinne sie weiter und metaphorisiere sie, bis sie total verfremdet sind. Ob ich dabei an meine Vorliebe für Literatur, die Beziehung zu meinem Vater oder eine schöne Frau im anderen Abteil denke, am Ende kommt etwas ganz anderes dabei herum. Wichtig ist für mich, auch wenn ich magische und phantastische Geschichten liebe, dass es logisch bleibt und nicht zu erfunden.

? Wie würdest du deinen eigenen poetologischen Ansatz definieren?

Das ist eine sehr schwierige Frage, die ich viel lieber von anderen Leuten beantwortet sähe. Insgesamt kann ich nur sagen, dass ich sowohl mit meinem Ansatz, wie auch im Produkt sehr gut in die Gegenwartslyrik reinpasse. Wie ich an meine Gedichte herangehe, auch in Hinblick auf das Produkt, richtet sich immer nach der Thematik. Wenn ich also ein Gedicht habe, wo viele Emotionen sind, würde ich niemals lange daran herumschrauben, bis es passt. Denn wenn meine Gefühle das so ausspucken, dann ist es nun mal richtig. Das ist alles irgendwo ziemlich modern, schätze ich.

? Du bist selber in der Poetry-Slam-Szene aktiv, hast dort erste Achtungserfolge erzielt und nimmst Ende September an den deutschen U-20-Poetry-Slam-Meisterschaften in Kiel teil. Wie siehst du die aktuelle Poetry-Slam–Szene, z. Zt. wohl der populärste Rahmen, in dem Lyrik präsentiert wird, und wie begreifst Du Deine Rolle in der Szene?

Die Poetry-Slam-Szene ist in erster Linie natürlich offenbar eine Möglichkeit, sich selbst zu präsentieren. Dementsprechend gibt es nun mal auch viele Kabarettisten und Stand-Up-Comedians, die mit ihren Texten auch große Erfolge erzielen können. Die Lyrik kommt dabei gerne auch mal zu kurz. Das Publikum entscheidet aber ja letztendlich, wer gewinnt. Somit wird sogar von renommierten Slammern immer wieder die Kategorisierung „Ernste Texte“/ “Lustige Texte“ vorgenommen, was zeigt, dass sich zwei Ufer gebildet haben. Das finde ich erst mal schade, weil ab und an sogar der literarische Anspruch fehlt. Nichtsdestotrotz gibt es eine unfassbare Menge an großartigen Slammern, die simultan auch großartige Autoren sind. Ich persönlich gehöre eher zu den ernsteren Textern, die sich der Lyrik verschrieben haben. Vielleicht ein bisschen „Back to the Roots“. Aber wer will denn schon immer konservativ sein und zurückschauen? Poetry-Slams sollen in erster Linie Spaß machen, und das haben sie bisher immer.

? Wie siehst du generell die Situation der deutschen Gegenwartsliteratur?

Die Situation der deutschen Gegenwartsliteratur ist furchtbar. Noch gibt es großartige Köpfe, doch es wird händeringend nach neuen Schriftstellern verlangt. Wenn ich mir ansehe, wie lustlos die Schüler schon in der Schule über Literatur gebeugt sind und wie wenige Leute sich zum Schreiben entschließen (mit Schreiben meine ich das schriftstellerische Werk, kein Tagebuch), da wird mir ein wenig bange. Denn bald schon wird es keine Herta Müllers mehr geben. Selbst sie ist ja gebürtige Rumänin. Dann wird es eng. Natürlich gibt es großartige deutschsprachige Schriftsteller wie Felicitas Hoppe, Martin Suter oder Jakob Arjouni, der Anfang dieses Jahres plötzlich verstarb.Große Klassiker aber (nehmen wir Günter Grass hier einmal heraus) oder die, die es noch werden könnten, fallen mir nicht ein.

? Im Herbst erscheint im Düsseldorfer Verlag Bücherwelten/ Tolphin Books Dein erster Gedichtband „Regenbogenhaut“. Wie wird er aussehen, und was hat Dich dazu bewogen, trotz des Angebotes eines großen Publikumsverlages lieber bei einem noch jungen Kleinverlag zu unterschreiben?

Das Angebot war mir tatsächlich ziemlich egal. Im ersten Moment habe ich mich natürlich gefreut und geehrt gefühlt, aber ich möchte wirklich zunächst mit jemandem zusammenarbeiten, dem ich vertrauen kann und mit dem ich zusätzlich auch vertraut bin. Da ist mir ein junger Kleinverlag, bei dem ich noch so viel mitentscheiden darf, deutlich lieber. Irgendwann mag vielleicht der Zeitpunkt kommen, wo ich mich dann an einen ‚großen‘ Verlag wende, aber solange bin ich sehr zufrieden. Der Gedichtband selber wird wunderschön und sehr persönlich. Gedichte, die mir sehr wichtig sind, teilen sich mit einigen Kurzgeschichten ihren Platz. Zurzeit ist das Ganze noch in Bearbeitung (Design, Typografie, etc.), aber wir haben schon einige schöne Ideen. Man darf sich freuen!

? Momentan scheint der Schwerpunkt deiner literarischen Produktion im Bereich der Lyrik zu liegen. Hast du Ambitionen, dich auch in anderen Genres auszuprobieren?

Definitiv. Ich habe ja auch zuvor schon einige Kurzgeschichten geschrieben, aber traue mich gerade an eine Novelle. Vielleicht wird auch ein Roman daraus, ich bin sehr gespannt. Es wird mich schon irgendwie an mein Ziel führen. Was Dramen angeht, fühle ich mich da bislang noch nicht so sehr hingezogen. Mal schauen, was noch kommt.

? Viele deiner Texte zeichnen sich durch ein ausgeprägtes Gefühl für Rhythmus aus, auch arbeitest Du mit Stilmitteln des Liedes, etwa dem Refrain. Steht dies in Zusammenhang mit Deinen musikalischen Aktivitäten, und wie sieht es mit diesen momentan generell aus?

Natürlich ist meine Liebe zur Musik allgegenwärtig. Da ich selber auch singe und Gitarre spiele, liegt es nahe, dass ich mich nicht nur an den Strukturen eines Songs bediene, sondern eben auch versuche, eine gewisse Rhythmik und eine Taktung in meine Texte zu bringen. Das ist natürlich auch speziell für Slams sehr wichtig. Schließlich geht es da vor allem darum, wie man sich präsentiert. Wir, also die Postpunkband EMPIRE YEARS, haben gerade unsere zweite EP in Duisburg aufgenommen, welche jetzt durch den Mixing- und Mastering-Prozess geht. Danach wird es ordentlich was zu hören geben. Die Platte hat alle unsere Erwartungen übertroffen. Mit Sicherheit wird es anschließend auch Tourdaten geben.

? Wie sehen deine Pläne für die Zukunft aus und gibt es schon konkrete Pläne für neue Projekte?

Ich werde genauso weitermachen, wie ich es zurzeit mache: viel Schreiben, viel Rumkommen und versuchen, mir einen Namen zu machen und Kontakte zu knüpfen. Da ich nun mal in diesem Sinne schon jetzt selbstständig bin, ist das natürlich auch mit Arbeit verbunden. Diese Arbeit aber macht unfassbar viel Spaß. Nebenbei werde ich studieren und auch mit meiner Musik ein bisschen vorankommen wollen. Zwei Pläne schwirren mir schon länger im Kopf herum: ein eigener Poetry-Slam in Solingen und ein Crossover-Projekt aus Musik, Lyrik, Schauspiel und Film. Mal sehen, wie viel Zeit dafür noch bleibt.

Vielen Dank für das Gespräch und alle Gute für Dich und Deine Arbeit!

Foto: Jonas Ploeger

Fragen: Michael Boss

http://rausausdengedanken.wordpress.com/

www.facebook.com/empireyears

 

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