Chris Watson – In St Cuthbert’s Time (CD, TOUCH)
Ok, dieses Album hat mich echt gefordert, was wohl vor allem daran liegt, dass es sich hier nicht um Musik im eigentlichen Sinne handelt. Vielmehr ist es ein sonisches Experiment, das der renommierte Field Recorder Chris Watson, Gründungsmitglied von Cabaret Voltaire, hier aufbaut. Field Recorder sind Tontechniker, die sich auf Außenaufnahmen spezialisiert haben – also versuchen, natürliche Klänge möglichst unverfälscht auf Band zu bannen. Das klingt im ersten Moment einfach, ist aber tatsächlich eine technische Herausforderung, da wir im Alltag von einer Unmenge von Klängen umgeben sind, die unser Gehirn freundlicherweise für uns filtert. Es gibt eine Menge Menschen in Einflugschneisen, die im Alltag kein Flugzeug mehr aktiv wahrnehmen. Chris Watson wagt ein besonderes Experiment. Er versucht die akustische Welt zu rekonstruieren, in der sich der Heilige St Cuthbert im 7 Jahrhundert bewegt hat. Dafür ist er auf die Heimatinsel des heiligen gereist und hat dort Geräusche aufgenommen, die dieser seinerzeit mit hoher Wahrscheinlichkeit wahrgenommen hat. Die künstlerische Arbeit liegt im Arrangement der Klänge, die der Field Recorder vor Ort aufgenommen und gefiltert hat. Das Album umfasst vier Stücke, benannt nach den damals dort gängigen Jahresabschnitten und beinhalten Klänge, die Einheimische in der jeweiligen Jahreszeit wahrnehmen. Watson kommt natürlich nicht umhin, dem Ganzen eine gewisse Dramaturgie zu verpassen, versucht aber dabei die Natürlichkeit der klanglichen Umgebung nicht allzu sehr zu beeinträchtigen. Wie geht man als Hörer nun mit so einem Album um? Letztendlich kommt man nicht umhin, aktiv zuzuhören und kann dabei raten, welches Tier die Klänge von sich gibt, die man gerade hört. Spannend. Aber auch fordernd.
Senking – Capsize Recovery (CD, Raster Noton)
Releases auf Raster Noton glänzen in der Regel mit einer fast schon architektonisch anmutenden Brillanz im Arrangement und “Capsize Recovery”, das neue Album von SENKING ist hier keine Ausnahme. Das Format Album ist mit Bedacht gewählt. Es schickt den Hörer auf eine Reise in klangliche Abgründe, die mit tiefen Basskollagen und präzise eingebauten Synthpad-Klängen, die fast klaustrophobisch anmutende Gefühle erzeugen. Senking verzichtet auf einen hörbaren geradlinigen Takt, das Album ist nicht für die Tanzfläche bestimmt, vielmehr zielt er auf die Emotionen beim individuellen Hören ab. Entweder man lässt sich von der morbiden Stimmung gefangen nehmen, die er erzeugt, ohne sich dabei altbekannten Klischees zu bedienen, oder man erfreut sich an der Präzision der Arrangements. Es wirkt als ob der Künstler beim Produzieren selbst probieren würde, wie weit er eine Stimmung treiben kann, die er mit einem grummeligen Bass-Loop erzeugt, wie diese verstärkt werden kann mit weiteren Elementen wie Pads, Snare-Sounds oder dezent eingestreuten Vocal-Snippets. Diese Fahrrinne verlässt er nie, was ein in sich stimmiges Werk erzeugt, das den Hörer mitnimmt auf eine melancholisch-depressive Reise. Fans von Coil werden sich freuen.
(S.Kummer)
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