Oh, Yoko – I love you… (CD, Normal Cookie)
Dieses Album hat gleich einen Pluspunkt. Statt in teure Studios zu gehen, sich professionelles Equipment zu mieten und sich einen Produzenten zu leisten, haben die in Tokyo ansässigen Will Long und Rie Mitsutake sich einfach mit dem begnügt, was sie im heimischen Wohnzimmer so vorfanden. Ausgerüstet mit billigen Mikrophonen, abgenutzten Keyboards, Gitarren und einer improvisierten Studioumgebung haben sie zeitlosen Elektropop produziert, der keine weiteren Akteure kennt als die beiden Musiker. Die 14 Stücke auf „I love you…“ wirken an manchen Stellen dadurch vielleicht etwas sperrig, doch ist es gerade jener Nonkonformismus, der dem gesamten Album diese Zeitlosigkeit gibt. Hätte auch 2001 in Berlin auf Morr Music erscheinen können, auf dem Gipfel des lali-Puna Hypes, dem Hipster-Sound jener Tage. „I love you …“ bietet süße, elektronische Popmusik dessen herausragendes Merkmal der charmante Lo-Fi Sund ist, der durch alle Songs brabbelt und natürlich die wunderschönen, meistens auf Japanisch eingesungenen Vocals der Sängerin Rie Mitsutake. Der Sound nimmt sich Zeit und hetzt nicht dem illusionären Puls einer Tanzfläche hinterher, vielmehr transportiert er wohliges Wohnzimmer-Flair aus Tokio in die eigenen vier Wände. Die Musik ist zumeist einfach arrangiert, aber zutiefst emotional und ehrlich. Statt auf Bass setzen die Musiker auf Mitten und Höhen, was durch den Lo-Fi Charakter hier und da etwas anstrengend wirkt aber charmant ist. 14 Tracks die eingängig sind, zeitlos und in der Tradition früher Morr Music Releases. Tipp!
Gazelle Twin/ I speak machine – Exponentialism EP (CD, Metamatic)
John Foxx war einer DER Helden der 80er und sein Stück “Underpass“ fehlt auch heute auf fast keiner Gruftie oder 80er Sause. Gazelle Twin und I speak machine interpretieren jetzt vier weniger bekannte Stücke des Musiker aus der vorliegenden CD neu, ohne dabei den elektronisch-experimentellen Kontext zu verlieren. Vielmehr wird versucht, die zugrunde liegende Energie der Texte in ein neues musikalisches Gewand zu packen. Das Ergebnis ist allerfeinster Retro-Pop, der die avantgardistische Freiheit der frühen 80er atmet, aber in Sachen Produktion und Arrangement ganz weit vorne liegt. Quietschende, verstörende Sounds und verzerrte Vocals werden genauso belassen wie scheppernde Bässe. Aber der erzeugte Druck, der einer frischen Produktion zu verdanken ist, treibt die Stücke nach vorne. Besonders hervorzuheben ist der Opener „My Sex“, eine düstere Pop-Perle. „I want tob e machine“, das zweite Stück der CD ist dagegen etwas sperriger, verzichtet auf einen geradlinigen Beat. Dadurch wird das Verstörende des Grundthemas in den Vordergrund gestellt. „Never let me go“ und „He’s a liquid“ sind dagegen düstere Downbeat Konstrukte, die fast schon wie Filmmusik in die Ohren gehen. Eine kurzweilige EP, die dem Talent des Musikers John Foxx gerecht wird.
Gastón Arévalo – Rollin Ballads(CD, OKTAF)
Mein erster Gedanke als ich diese Scheibe gehört habe war: Huch, ist das von Kompakt? Tatsächlich hat das Album „Rollin Ballads“ des Uruguayers Gastòn Arévalo einige Hinweise auf Werke des Kölner Labels. Die Wand aus Klang, die er in jedem Track erzeugt, die allgegenwärtig und trotzdem leicht, fast schon romantisch wahrgenommen wird. Die verspielt eingesetzten Klangelemente, die das sonische Bollwerk gekonnt akzentuieren, ihm eine Farbe geben und damit die Kälte aus dem Werk nehmen, die beispielsweise VidnaObmana oder auch Steve Roach auszeichnen. Arévalo ist ein klassisch ausgebildeter Musiker, der in seinen Stücken Impressionen verarbeitet, die er in seiner Gegenwart aufnimmt. Das können Geräusche, Stimmungen oder Wortfetzen sein, die er in sein Werk mit einflechtet. Methodisch hat es ihm auch der Hall angetan, das Verzerren natürlicher Geräusche, die so für den Hörer nur schwer einer klar definierbaren Quelle zuzuordnen sind. Daraus ergibt sich auch die Nähe zu den Werken, die auf dem Kölner Label Kompakt erschienen sind. Die klare Präzision eines Brian Enos habe ich nicht entdecken können, wohl aber seine Philosophie, denn Eno sagte seinerzeit, dass es ihm leichter fällt sich mit Klängen auszudrücken als mit Worten. Für letzteres würde ihm das Talent fehlen. Die Wiedergabe von Stimmungen gelingt Arévalo auf „Rollin Ballads“ sehr gut. Er spielt mit Eindrücken, die er persönlich gesammelt hat und gibt durch die Verzerrungen und Umdeutungen, die er den Klängen in der Produktion zuteilwerden lässt eine sehr persönliche Note. Der Hörer kann sich auf ein entspanntes Hörerlebnis einstellen, das bewusst wie auch beiläufig seinen Zweck erfüllt.
(S.Kummer)
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