Diese Frau hält ihr Wort. Nur knapp ein Jahr nach den bezaubernden „Unknown Rooms: A Collection Of Acoustic Songs“-Balladen schenkt uns Chelsea Wolfe ein neues Werk. „Pain Is Beauty“ schwingt aber nicht wider Erwarten die Gemütskeule um, Puristen müssen sich auf vermehrten Elektronik-Einsatz gefasst machen. Letztendlich ist aber alles wie gehabt im Hause Wolfe: Schön Schwarz zum Einkuscheln und Mitleiden. Funeral-Pop für erhabene Momente, Neo-Folk war gestern!
Vielleicht ist „Pain Is Beauty“, die Platte, die sich das britische Gespenster-Trio Esben And The Witch immer gewünscht hat, bisher aber noch nicht diese nötige Kredibilität in ihren Sound einfangen konnte. Vielleicht mal Richtung Chelsea Wolfe schielen, denn hier sind dramatische Höhepunkte in die Songs gestreut, die Widererkennungswerte markieren. Hier ist das Konzept nicht nur leere Hülle und von Ästhetik vermarkteter Witch-House-Hype. Momente voller Ergriffenheit wechseln sich mit morbiden Gedankenspielen ab. Wahrlich schön ist das! Und so verdammt traurig.
Bereits seit einigen Jahren überzeugt die US-Singer & Songwriterin Chelsea melancholische Zeitgenossen mit ihrem schaurigen Sound zwischen Gothic, Folk und Indie-Rock. Wolfe selbst, will als klassische Songschreiberin gesehen werden – zwar mit gespenstischer Note, die auch gerne mal die ein oder andere menschliche Obsession thematisiert – aber letztendlich lebt ein Album von einzelnen Stücken, die im gesamten Idealfall ein homogenes Ganzes ergeben. Mit ihrem Drittwerk gelingt der dunkelhaarigen Schönheit ihr bis dato eingängigstes Werk.
Bereits der Opener „Feral Love“ ebnet den Weg für verstärkte Elektronikspielereien. Die neue Soundfacetten werden wie ein blutroter Faden konsequent durch das Album gezogen und erreichen zur Mitte in der bittersüßen Gothic-Pop-Referenz „The Warden“ oder dem darauffolgendenden „Destruction Makes the World Burn Brighter“ ihren Höhepunkt. „Kings“ (Anspieltipp!) kann bei der internationalen Friedhofgemeinde gar zur neuen Hymne avancieren. Hier offenbaren sich Ohrwurm- und Hitqualiäten, die man so von Madame Wolfe noch nicht zu hören bekam. Schielt man da etwa in Richtung Basement-Club? Vorstellbar wäre das.
Inhaltlich hingegen muss man sich übrigens keine Sorgen um Frau Wolfe machen. Sie lebt nach wie vor ganz gern im sonnigen Kalifornien, trägt herrlich altmodische Kleider und liebt es den Menschen den Spiegel vorzuhalten. Todessehnsüchte und Suizid-Gedanken sind ihr zu billig, viel mehr beschäftigt sich die adrette Dame mit den Abgründen der menschlichen Spezies und weiß Lieder davon zu singen, die eben genau dies offen zur Schau stellen: Schmerz kann Schönheit bedeuten! Das findet übrigens auch Mark Lanegan gut, der covert nämlich auf seinem kommenden Album Wolfes Song „Flatlands“. Muss gut fürs Ego sein, wenn der Friedhofswärter sich verneigt.
Wenn man abschließend mit dem andächtigen „Lone“ entlassen wird, fällt auch der elektronische Schleier. Nur Wandergitarre und Wolfes engelsgleiche Stimme sind zu hören. Ein kurzer Moment der Einkehr. Man fühlt sich an die illustren Düsterballaden von „The Grime And The Glow“ erinnert. Doch wie wir alle wissen: Stillstand ist der Tod. Gleich gut oder besser macht das alles vielleicht nur ihre Kollegin Zola Jesus. Wer den Thron des US-Dark-Female-Underground letztendlich erklimmen wird, bleibt daher abzuwarten.
Im Oktober und November tourt die Eisprinzessin übrigens mit den Postrockern Russian Circles durch einige deutsche Städte. Ein Pflichttermin für BLACK-Leser. Lasset euch betören!
(Dimitrios Charistes)
Format: CD/LP |
Stichworte: |