CONTRASTATE – A Breeding Ground For Flies, RLW – Fall Seliger Geister, Merzbow / Pándi / Gustafsson – Cuts, WILLIAM BASINSKI – Nocturnes, SALTLAND – I Thought It Was Us, But It Was All Of Us

CONTRASTATE – A Breeding Ground For Flies (CD; DIRTER/ CARGO)

Nach einer ungefähr 12-jährigen Pause das erste neue Album der englischen Contrastate; voller mysteriöser Schichtungen, durchdrungen, sogar geradezu getragen von Spoken-Word-Passagen und immer wieder: loopartig aufgebaute Soundschleifen zwischen Ambient und Fieldrecordings; unterbrochen von Breaks, die trotz aller Härte der Unterbrechung immer an der atmosphärisch „richtigen“ Stelle sitzen; die Stücke nicht zerlegen, sondern vielmehr auf neue Stufen heben… mit einer Eleganz in der Aneinanderreihung von Samples (um die politischen Aussagen der Tracks zu schärfen), die den legendären Negativland zur Ehre gereichen. Perfekt!

RLW  – Fall Seliger Geister (CD; DIRTER/ CARGO)

Dieses neue CD-only Album von RLW fällt mit einem gerade 8-sekündigen Mikrostückchen ins Haus bzw. ins Ohr der Hörer, gerade so, als ob es Ralf Wehowsky darauf anlegt, die Aufmerksamkeit seiner Hörer zu schulen: in dem Sinne, dass sie möglicherweise in der Lage sind, die Zusammenhänge seiner soundlich und dynamisch sehr kontrastreich aufgebauten Stücke zu erfassen und zu zuordnen; ein Vorhaben, das ohne den Blick auf die Anzeige des Abspielgerätes (vermutet) von vornherein zum Scheitern verurteilt sein wird… und das ohnehin in keiner Weise einen Mehrwert bedeuten würde: trotz der Vielgestaltigkeit dieser oft gleichermaßen abstrakt wie collagenhaft erscheinenden Musique Concrète / Experimentalarbeiten liegt über allem ein homogenisierendes Soundverständnis und eine Fähigkeit Zusammenhänge aufzubauen. Der „Fall Seliger Geister“ scheint so zwar zu jeder Sekunde die ganze Aufmerksamkeit der Hörer einzufordern, ist aber gnädig genug, Zugänge zu öffnen und einen von den einzelnen Stücken losgelösten Gesamtlauf anzubieten.

Merzbow / Pándi / Gustafsson – Cuts (CD/LP; Rarenoise/ CARGO)

Masami Akita aka Merzbow, der Mann mit einer der umfangreichsten Diskografien überhaupt und wohl auch „der“ Musiker, wenn es darum geht, reinen Noise in immer wieder neuen Denkweisen zu Musik zu verarbeiten, in Zusammenarbeit mit dem ungarischen Schlagzeuger Balazs Pándi und dem schwedischen Saxofonspieler Mats Gustafsson auf einer fünfteiligen Reise… nicht nur in Noise. Obwohl auch Balazs Pandi und Mats Gustafsson neben ihren akustischen Stamminstrumenten elektronikerfahren sind, somit fast eine Hölle ebensolcher Kakophonien zu erwarten wäre, öffnet sich „Cuts“ überraschenderweise und ausdauernd immer wieder jazzartigen Passagen: am Anfang der Veröffentlichung immer erst ab der zweiten Hälfte der Stücke, wie wenn Merzbow zunächst in seinem Trademarksound Eckpfeiler bauen wollte, die den Raum abstecken, in den die beiden anderen Protagonisten dann geradezu überfallartig einbrechen und die Noisewand verwandeln. Erst die beiden letzten Stücke dann als Kollektivstarter, so, als ob man dann seinen Zusammenklang gefunden hatte. Erstaunlich in seiner genießbaren Brutalität und definitiv auch etwas für die, die bei Merzbow sonst aufgeben… Überraschung.

SALTLAND – I Thought It Was Us, But It Was All Of Us (CD/LP, CONSTELLATION/ CARGO)

Sehr ruhiges, atmosphärisches und, ja, einfach sehr schönes Album von Rebecca Foon aus dem Constellation Umfeld mit dem Cello und Gesang als Hauptinstrumenten. Folk / Drone / Experimantal / Indie bilden die Ingredienzien, ohne sich bewusst auf eines dieser möglichen Genres festzulegen. Und auch ohne die einzelnen Stücke möglicherweise derartig unterschiedlich auszuarbeiten. Vielmehr eine sehr stimmige Umsetzung songartig aufgebauter Stücke und ihre Erweiterung durch soundscapeartige Instrumentierung und fast droneartigen Celloschichten über zurückhaltender Rhythmik. Sehr gut; auf CD und LP.

WILLIAM BASINSKI – Nocturnes (CD; Temporary/ CARGO)

Zusammenstellung zweier Arbeiten von 1979/1980 und 2009 vom Meister des korrodierten Tones: das Titelstück zerlegt dabei auf subtile Art einen Pianoloop über einen Zeitraum von über 40 Minuten, in einer Form, wie es eigentlich nur William Basinski erledigen kann. „The Trail Of Tears“, das „nur“ gut 28 Minuten lange zweite Stück der Veröffentlichung basiert auf einem musikalisch etwas umfangreicheren Loop, der in seinem letzten Drittel fast unverhofft eine harmonische Wandlung erfährt… Wie in die Ewigkeit gleitend.

(N)


 

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