ZOLA JESUS – Versions (CD/LP)

Nika Roza Danilova weiß auf ihrem dritten Album, welches eigentlich keines ist, erneut zu überraschen. Statt neuer Songs bekommt man die Stücke von „Stridulum II“ und „Conatus“ in neuarrangiertem Gewand zu hören. Klassische Musik und nur spährlich eingesetzte Elektronik bestimmen die Ausrichtung.

ZOLA JESUS ist eine Frau, auf die sich alle einigen. Schwarzromantische Modebloggerinnen schätzen ihren uniquen 80s-Goth-Chick-Style und antikonformen Szenelifestyle. Die Lydia Lunch oder Siouxie Sioux für die 2000er-Generation. Die poetische Männerwelt hat sich ohnehin seit der Split-VÖ mit Horror-Elektroniker Burial Hex hoffnungslos in das junge Talent verliebt. Wer so musiziert, so kultiviert daherkommt und auch noch optisch lecker anzusehen ist, den würde man doch gerne mal zur Club-Mate mit anschließendem Spaziergang in die Pariser Katakomben einladen. Doch das Mädchen mit den russischen Wurzeln ist nicht die typisch-melancholische Düsterfee, die es sich mit Horrorfilmen und Junk Food auf Friedhöfen bequem macht und sich in schwarzweißen Instagram-Fotos inszeniert. Nika Roza Danilova ist schließlich ausgebildete Opernsängerin mit Hochkultur-Sozialisation. Sie hat Philosphie und Französisch studiert, interessiert sich für Geschichte und Kammermusik, liest Nietzsche und Dostojweski. So wundert es nicht, dass die 24-Jährige mit bereits beachtlichem Output (drei Studioalben, zwei Split-EPS und diversen Kleinstveröffentlichungen) eher an der Selbstreflexion ihrer eigenen Kunst interessiert ist, als mit neuen Songs aus der Gruft zu steigen.

Die Geschichte zu „Versions“ hingegen ist schnell erzählt. Bei ihrer letztjährigen Welttour zum gefeierten zweiten Album „Conatus“ gab sie im angesehenen New Yorker Guggenheim Museum für Moderne Kunst eine Performance. Zusammen mit einem klassischen Komponisten arrangierte sie ihre von Synthies getragenen Gothpop-Songs in ein Streicher-Quartett um. Die Bekanntschaft mit dem Industrial-Pionier JG Thirlwell, besser bekannt unter seinem Pseudonym Jim Foetus, brachte schließlich den Stein ins Rollen und das Konzept die atmosphärischen Zola-Jesus-Stücke in ein kammermusikartiges Szenario zu packen, klang für beide Künstler verlockend, „Versions“ ist nun das Ergebnis dieser Sessions. Resultat: Abstrakte Soundskulpturen mit hohem Kunst-Anspruch, auch für Mainstreamhörer interessant, die gerne mal in schwarze Nuancen abtauchen mögen. Zwar schräg, geht hier aber gerade noch gesellschaftsfähig durch.

Durch das Entfernen der elektronischen Elemente bekommen Nikas Songs viel Platz zum Atmen, auf diese Weise öffnen sie sich und setzen sich über Grenzen des zuvor genutzten Genres hinweg“, liest man im Promotext. Tatsächlich muss man aber sagen, dass die Songs im Klassik-Gewand, getragen von schweren Cellos und dramatischen Violinen, eine viel ausgereiftere Eigendynamik ausrücken, die man auf Albumlänge von „Stridulum II“ und „Conatus“ manchmal zu vermissen schien. Der Direktvergleich von „Night“, „Hikkimori“ oder „Collapse“ offenbart in den Neuinterpretationen das starke Potenzial der Songs. Denn durch die alleinige Konzentration auf Stimme und Ausdruck, schafft es die zierliche Sängerin den Stücken eine emotionalere Klangfarbe zu verpassen, die live bei gleichzeitiger Bespielung von Keybord und Synthesizer nur bedingt machbar sind – unabhängig von der Tatsache, dass Zola Jesus auch wirklich virtuos singen kann. Demnach hatte man immer wieder das Gefühl, dass da noch mehr rauszuholen sei, gelten die Stücke der Musikerin schon eher als ziemlich minimalistisch.

Neulingen sei daher empfohlen mit „Versions“ in das Schaffen von Zola Jesus einzusteigen, zeugen die orchestralen Arrangements von einer dramatischen Intensität, die bei den düster-flächigen Originalen schnell in den Hintergrund geraten können. Spannend wird sein, wie Zola Jesus sich auf ihrem nächsten Studioalbum entwickeln wird. Tritt die Elektronik in den Hintergrund? Sind Kammerspiel und Streicher-Quartetts das neue Markenzeichen der Künstlerin? Es steht ihr zumindest gut und zeugt von einem ernsthaften Reifungsprozess dieser spannenden Protagonistin des US-Undergrounds, die sich mit „Versions“ von artverwandten Künstlerinnen wie Chelsea Wolfe, Anna von Hausswollf oder Soap & Skin emanzipiert. Hach Nika, wir wollen ein Kind von dir!

Übrigens: Bei der Erstbestellung von Versions gibt es die limitierte Edition mit einer DVD und dem Zola Jesus-Konzert im New Yorker Guggenheim Museim zusammen mit Produzent/Sound-Engineer JG Thirlwell und dem Mivos Quartett.

(Dimitrios Charistes)

Format: CD/LP
Vertrieb: SACRED BONES/CARGO
Mailorder: Going Underground
 

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