Gitarre/ Bass/ Schlagzeug: an der Instrumentierung kann es nicht liegen, wenn NOHOME, dass neue Trio um Caspar Brötzmann anders klingt als Massaker, das alte Trio. Neben Caspar Brötzmann an der Gitarre sind NOHOME Marino Pliakas, Bass und Michael Wertmüller, Schlagzeug. Und wenn Massaker sich auf Noise/ Industrial(Rock) Traditionen beziehen (vermutet), so scheinen die Wurzeln von NOHOME in (Free)Jazz/ Impro Bereichen zu liegen. Und auch wenn Caspar Brötzmann in beiden Formationen im Grunde einfach „sein Ding“ durchzieht, so klingt es, durch die unterschiedliche Kontextualisierung, im Fall von NOHOME eben doch anders: frickeliger, filigraner in der Brachialität, vielgestaltiger durch die offenere Spielweise der beiden Mitstreiter. Bei all dem natürlich der starke rote Faden: die Noiseeruptionen und das sowieso sehr eigene (Feedback)Gitarrenspiel von Caspar Brötzmann (der bei NOHOME übrigens exakt das gleiche Equipment nutzt wie sonst bei den vor nicht so langer Zeit wiederbelebten Massaker).
Die vorliegende Doppel-LP auf dem österreichischen Trost Label ist denn auch, passend zum unterstellten Free Jazz Kontext, ein Live-Mitschnitt; aufgenommen am 29. August 2012 im Radialsystem V in Berlin und fängt eine sehr tighte und spielfreudige Formation ein. Mit sehr gutem Sound; auf den letzten beiden der vier Stücke zusätzlich unterstützt durch FM EINHEIT, der im Caspar Brötzmann Kosmos ja durchaus nicht unbekannt ist (Caspar Brötzmann/ FM EINHEIT „Merry Christmas“, 1994). Und spätestens ab diesem Zeitpunkt regiert das Noise/ Industrial Regime… Und verändert fast unmerklich die Wahrnehmung beim Hören wenn das, was in Sachen Schlagzeug und Bass besonders bei dem ersten Stück (noch) als Free-Impro-Jazz „gehört“ wurde (mit dem Massaker Sound im Kopf) nun ganz selbstverständlich in einen Noise-Kontext geschoben wird. …die tatsächliche Wahrheit liegt wohl im Auge der Betrachter/ im Ohr der Hörer, weniger in einer wissenschaftlich geführten Spartenzugehörigkeitsuntersuchung, auch wenn die beiden Stücke tatsächlich fast noch experimenteller ausfallen als die zwei zuvor. Und, um dieses Thema noch ein wenig mehr zu beleuchten: wenn ich auch keinen Einblick in die Familienverhältnisse habe (aber; eine gemeinsame Platte haben sie ja gemacht: „Last Home“, 1990, Verständnis sollte daher da sein): Caspar Brötzmann ist der Sohn von (Free)Jazz Legende Peter Brötzmann; die musikalische Sozialisation wird so wohl zumindest zeitweise ein wenig abgefahrener gewesen sein, als bei vielen anderen. Kein Problem für Caspar Brötzmann also, sich stärker in diese Gefilde zu begeben (und, um den Kreis noch mehr zu schließen: Marino Pliakas und Michael Wertmüller sind zusammen mit Peter Brötzmann FULL BLAST…). Und kein Problem für das begeisterte Publikum, ihm zu folgen (wenn die Publikumsreaktionen auf der Platte als Maß für diese Einschätzung herangezogen werden können). Und kein Problem, dies auch ohne Bühnen-/ Livesituation, auf Platte, nachzuempfinden. Für neue Abende schwarzer Folklore. Oder so.
Und noch einmal zum Thema Caspar Brötzmann Massaker/ altes Trio: diese Konstellation ist gerade mit Aufnahmen für eine erste Veröffentlichung nach der langen Pause beschäftigt; wenn die Gerüchte stimmen sollten.
(N)
Format: 2LP |
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