SUPERSIMMETRIA – Schönheit der Geometrie und organische Unvorhersehbarkeit

Einer der größten Fehler die ein Künstler machen kann ist, sich freiwillig einer bestimmten Szene zuzuordnen. Denn was am Anfang eine sinnvolle Starthilfe ist wird mit steigendem Erfolg schnell zu einem Label, das man nie wieder losbekommt. Der Künstler und/ oder seine Musik sind Produkte, die auf einem umkämpften Markt richtig platziert werden müssen um die geneigte Zielgruppe anzusprechen. Genrebezeichnungen, die berühmten Schubladen gegen die sich Musiker gerne wehren, sind unverzichtbare Wegweiser im unübersichtlichen Dschungel der Veröffentlichungen. Hinzu kommt dass Journalisten in der Regel unkreative Menschen sind, die gerne Klischees bedienen, um einen Artikel schnell zu schreiben ohne Glaubwürdigkeit zu verlieren. Die Genrebezeichnungen die immer wieder auftauchen wenn man die Untiefen des Internets nach Hinterlassenschaften von SUPERSIMMETRIA durchsucht sind Industrial, Dark Ambient und Electro. Ob diese Bezeichnungen das Schaffen von SUPERSIMMETRIA treffend klassifizieren, da bin ich mir nicht sicher. Gemein ist diesen drei Bezeichnungen, dass sie eher ausschließen als beschreiben. Als „dark“ beschreibt sich Musik, die einer breiten Masse nicht zugänglich sein will. Und gerade an dem Punkt sind die Genrebezeichnungen nicht treffend. SUPERSIMMETRIA steht zwar nicht für mainstreamtaugliche Rhythmen mit vielen „Yeahs“ und eingängigen Melodien. Schwer vorstellbar, dass SUPERSIMMETRIAs Werk als Hintergrundmusik bei der Gartenparty von Opa Herbert den allgemein gewünschten stimmungsvollen, launigen Effekt erzielen wird. Außer vielleicht bei Cousine Tanja, dem durchgeknallten Feger. Aber die Musik ist auch nicht ausschließend. Auf beiden Longplayern, die bisher veröffentlicht wurden sind viele Konnotationen zu anderen Genres hörbar die es vorstellbar machen, dass „Chimaera“ und vor allem das kürzlich erschienene „Golden Ratio“ auch in anderen Kontexten funktionieren. Aber zurück zum Wesentlichen. SUPERSIMMETRIA ist das Projekt des Berliners Armando Alibrandi und hat kürzlich mit „Golden Ratio“ (erschienen auf dem amerikanischen Label Industry8) seinen zweiten Longplayer auf den Markt geworfen. Dieser ist im Gegensatz zu dem Vorgänger „Chimaera“ offener gegenüber klassischen musikalischen Einflüssen, verwendet verstärkt akustische Elemente wie Klavier und Streichinstrumente und glänzt durchgehend mit klug durcharrangierten Stücken und fein eingestreuten Ideen. Ein Tanzflächenfüller ist „Golden Ratio“ zwar nicht, aber purer Hörgenuss. Man merkt dem Werk eine Reife an, die überrascht. Grund genug, sich mit Armando Alibrandi zum Interview zu verabreden.

? Wie alt bist Du eigentlich und wann und wie kamst Du mit Musik in Berührung?

Gegenwärtig bin ich 28 und Musik begleitet mich schon mein ganzes Leben. Zur Musik gekommen bin ich über meine Familie, die mich dabei ständig begleitet hat

? Inwieweit verfolgst Du aktuelle Entwicklungen im Musikmarkt?

Ich versuche ständig die aktuellen Entwicklungen zu verfolgen. Musik begleitet mich bei den meisten meiner Aktivitäten. Tatsächlich kann ich behaupten, mich für ein weites Spektrum zu begeistern. Von klassischer Musik hin zu harten elektronischen Klängen. Der gemeinsame Nenner der Musik die ich höre ich im Allgemeinen ein obskurer Touch, der mich begeistert.

? Ich bin nicht sicher, ob ich verstehe was Du jetzt mit „obskur“ meinst. Obskur im Sinne von „Düster“ oder eher „Wirr“, also nicht massenkompatibel?

Ich würde sagen obskur im Sinne von dark, also düster. Satie, Chopin, Yann Tiersen, Cesaria Evora oder Astor Piazzolla gehören zwar den Mainstream an, aber ich finde, dass man darin schon dunkle bzw. düstere Klänge finden kann.

? Ursprünglich kommst Du ja aus Brescia/ Italien, lebst aber mittlerweile in Berlin. Seit wann lebst Du in Deutschland? Und könnte man sagen dass Brescia als Stadt Dich musikalisch vorgeprägt hat?

Ich lebe jetzt seit vier Jahren in Berlin. Die Stadt aus der ich komme, zeichnet sich aus durch viele interessante Menschen und eine sehr aktive künstlerische Szene. Aber ich würde der Stadt jetzt nicht einer speziellen Kunstrichtung oder musikalischen Schule zuordnen wollen. Brescia ist für andere Sachen berühmt, vor allem der Stahlindustrie.

? Berlin wird ja gerne als die „Welthauptstadt des Techno“ bezeichnet. Ist der musikalische Output der Stadt, das berühmte Nachtleben und die Kultur eine Inspiration für Dein Schaffen als SUPERSIMMETRIA oder siehst Du Dein musikalisches Werk losgelöst von solchen Einflüssen?

Ich würde schon sagen, dass meine Musik unabhängig davon entsteht, wo ich mich geographisch gerade befinde. Aber natürlich sind die Sounds, die ich schaffe, beeinflusst von den Erfahrungen, die ich in meinem Leben gemacht habe und das schließt natürlich mein Leben in Berlin mit ein. Ich denke aber, dass der Einfluss Berlins auf mein Schaffen eher pragmatischer Natur ist. Das Leben in Berlin ist relativ günstig, man muss nicht zu viel arbeiten, um anständig leben zu können. Diese Kombination bedeutet individuellen Freiraum und der kann genutzt werden, um zu denken. Und zu denken bedeutet auch zu schaffen.

? Deine Tracks haben oft Namen, die einen naturwissenschaftlichen Hintergrund vermuten lassen. Inwieweit beeinflusst Dein Beruf Deine Musik?

Das ist schwer zu beantworten. Ich denke, dass alles sich gegenseitig beeinflusst. Musik beeinflusst meinen Beruf und umgekehrt.

? Würdest Du Dich als Künstler einer bestimmten Szene zuordnen?

Generell bin ich kein Freund von Klassifizierungen. Menschen hören und produzieren Musik in einer sehr individuellen Art und Weise. Die Klassifizierung von Musik in Genres dient der Kommunikation über Musik, aber nicht dazu Menschen zu unterscheiden. Aber zurück zu Deiner Frage: Nein, ich fühle mich keiner Szene zugehörig. Ich höre und produziere einfach das, was ich mag.

Die Frage nach der Selbsteinschätzung seiner Musik umgeht er elegant. Aber ganz Unrecht hat er damit auch nicht. Seine zwei Longplayer sind zwar auf Labels erschienen, die zwar einer bestimmten Subkultur angehören, aber die Musik schaut weit über den Tellerrand hinaus. Oft wird das Genre IDM erwähnt, wenn man auf den Output von SUPERSIMMETRIA zu sprechen kommt. Gemeint sind aber damit nicht die komplexen, oft sehr schwer eingängigen Perkussiv-Arrangements, die Aphex Twin oder Autechre auszeichnen. Parallelen zu den Klangkollagen aus verzerrten Flächen wie sie Boards of Canada oder Bola produzieren, sind aber nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn die sonnige, überlichtete Stimmung fehlt, die vor allem Boards of Canada auszeichnet. SUPERSIMMETRIAs Musik wirkt da mehr intrinsisch, kontemplativ, lässt aber dem Hörer genug Platz um die eigene Gefühlslage stimmig mit der Musik zu arrangieren. Die kann durchaus gloomy, also düster sein. Muss aber nicht.

? Was bedeutet SUPERSIMMETRIA eigentlich und warum hast Du diesen Namen für das Projekt gewählt? Kam es Dir jemals in den Sinn Deinen eigenen Namen zu verwenden?

SUPERSIMMETRIA ist italienisch und bedeutet Supersymmetrie. Das beschreibt eine Theorie aus der Teilchenphysik. Ich habe den Namen gewählt weil ich mich sehr für die Naturwissenschaft interessiere und natürlich auch wegen dem Klang des Wortes. Meinen eigenen Namen verwende ich nicht, weil ich den Fokus auf das musikalische Konzept gelenkt wissen will, nicht auf meine Person.

? Seit wann gibt es SUPERSIMMETRIA?

Als Projekt gibt es SUPERSIMMERTRIA seit 2011

? Kannst Du mir näher erklären wie SUPERSIMMETRIA entstanden ist? Hattest Du schon im Vorfeld genug Material produziert und brauchtest dann ein geeignetes Projekt, um die Musik zu veröffentlichen? Oder schufst Du zuerst das Konzept, das SUPERSIMMETRIA darstellen soll und hast dann angefangen, diese Vision zu realisieren?

Ich habe damit begonnen, einzelne Sound-Bestandteile zu entwickeln und die wurden mit der Zeit immer konsistenter und hörbarer. Die Idee das Projekt SUPERSIMMETRIA zu nennen, kam bevor ich überhaupt wusste, dass ich was veröffentlichen könnte. Ich kam auf den Namen bevor ich meinen ersten Track via Soundcloud bereitstellte (und dieser Track kann dort noch immer gehört werden: „Antimatter“). Die Geburt des Projektes war eine natürliche Sache nachdem ich angefangen hatte mich mit Musiksoftware auseinanderzusetzen. Als ich das Projekt startete war ich gerade sehr fokussiert auf die Forschungen, die damals um das LHC (large Hadron Collider) in Genf passierten. Schritt für Schritt entwickelte sich das musikalische Konzept dann weiter und wurde beeinflusst von Themen wie die Geheimnisse der Natur, Geometrie, Fraktale, Astronomie und Astrobiologie. Ich sehe SUPERSIMMERIA als mein Kind an, das genährt wird durch meine Begeisterung für die Naturwissenschaft und meine Leidenschaft für Musik.

? Gibt es noch Seitenprojekte zu SUPERSIMMETRIA?

Ja, ich bin noch aktiv in einem Projekt namens AGYE zusammen mit Gregory (YURA YURA). Wir werden demnächst unser Debutalbum veröffentlichen. SUPERSIMMETRIA ist allerdings mein Projekt, in dem ich mich unbegrenzt ausdrücken kann. Daher betrachte ich es als meine Hauptaktivität.

? Gibt es Vorgänger zu SUPERSIMMETRIA?

Nein.

? Um kurz auf die musikalische Entwicklung von SUPERSIMMETRIA zu sprechen zu kommen: wie kam es zu den klanglichen Architekturen Deiner Stücke? Welchen Künstler oder welchen Einfluss würdest Du als besondere Inspiration nennen?

Ich glaube nicht, dass sich meine Tracks durch eine spezifische Architektur auszeichnen. Und wenn es eine gibt, dann war sie bestimmt nicht geplant. Im Allgemeinen entstehen meine Stücke durch die Kombination verschiedener Ideen bis eine nette Struktur erkennbar wird. Schwer zu sagen, wer mich beeinflusst hat. Bestimmt gibt es aber einen Einfluss, aber ich kenne jetzt nicht bestimmte Künstler nennen. Meistens erkenne ich einen Einfluss, weil mich jemand anderes darauf hinweist.


? Deine Musik wird oft als IDM bezeichnet. Gerne aber auch einem Genre zugeordnet dem in irgendeiner Art und Weise das Wort „Dark“ zugehörig ist wie „Dark Ambient“ oder „Dark Tribal“. Würdest Du dem zustimmen?

Wenn ich gefragt werde, was für Musik ich mache, antworte ich meistens Electronica. Wenn man allerdings meine Sounds betrachtet und die Gefühle berücksichtigt, die ich beim Produzieren habe, ist „Dark“ gar nicht mal so verkehrt.

An dieser Stelle bin ich etwas verwirrt. Zugegeben, von Teilchenbeschleuniger LHC und den wissenschaftlichen Errungenschaften die man damit bisher erzielt hat weiß ich relativ wenig, aber persönlich konnotiere ich damit positive Gefühle. Zumindest sieht man meistens Bilder von selig grinsenden Wissenschaftlern, wenn die Medienlandschaft sich geneigt fühlt, über das in Genf ansässige Forschungsinstitut zu berichten. Traurig im Sinne von „Dark“ waren die meistens nur, wenn eine nervige Reparatur anstand, die spannend erwartete Forschungsergebnisse verzögerte. Wie kommt es also, dass SUPERSIMMETRIA sich auf die Naturwissenschaft beruft, die uns unter Anderem aus dem dunklen Mittelalter herausgeführt hat aber düstere Musik produziert? Vielleicht geistige Erschöpfung, fatigue, nach einem langen Forschungstag. Egal. Naturwissenschaft und Technik sind ein guter Übergang zu meinen nächsten Fragen, dem NERD-Block.

? Verwendest Du klassische Instrumente beim Produzieren oder stützt Du Dich ausschließlich auf den Computer?

Größtenteils arbeite ich computergestützt. Allerdings finden sich in einigen meiner Tracks auch Spuren, die unter Verwendung klassischer Instrumente entstanden sind. Zusätzlich verwende ich gern field recordings.

? Mit welchen Programmen arbeitest Du?

Hauptsächlich verwende ich Ableton und in Ableton mehrere Plugins, meistens von Native Instruments

? Kannst Du selbst ein Instrument spielen? Hast Du eine musikalische Erziehung genossen?

Ich kann einigermaßen Gitarre spielen, wenn auch nicht wirklich gut. In der Schulzeit hatte ich Musikunterricht, und wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich keinen Spaß daran. Wenn Musik Gefühle ausdrückt, dann verfolgt Musikerziehung das Ziel, Gefühle durch Regeln zu steuern.

? Ich bin überrascht das Klavierspielen in Deiner Aufzählung nicht auftaucht. Auf Deinem aktuellen Longplayer „Golden Ratio“ ist öfters ein Piano zu hören. Hast Du diese Klänge am Computer erzeugt oder wurden sie live aufgenommen?

Die Klavierklänge auf „Golden Ratio“ entstanden unter Verwendung eines Mini-Keyboards und eines VST. In dem Trach „Pale Blue Dot“ wurden die Pianoklänge beispielsweise in mehreren Spuren aufgenommen. Diese wurden anschließend synchronisiert und dann zusammengeführt. Es waren mehrere Aufnahmen nötig bis schließlich die Spur zusammenkam, die jetzt auf dem Track zu hören ist. Das ist natürlich ein etwas aufwändiger Prozess, aber für mich die einzige Möglichkeit, diese Passage zu komponieren, da ich nicht Klavier spielen kann. Die Wunder der elektronischen Musik!

? Was war die Initialzündung für SUPERSIMMETRIA?

Ein Teil von mir, den ich zum Ausdruck bringen musste. Der auslösende Moment entstand einfach aus der zeitlichen Möglichkeit zu lernen, wie man es umsetzt. Auf SUPERSIMMETRIA konnte ich mich die ersten zwei Jahre fokussieren, die ich in Berlin verbracht habe.

? Ist SUPERSIMMETRIA eine one-man show oder arbeitest Du unter diesen Namen auch mit anderen Künstlern zusammen?

Es gab einige Zusammenarbeiten, zuletzt mit dem Sopran-Sänger Takushi Minagawa. Prinzipiell ist SUPERSIMMETRIA aber eine Person.

? Wann hast Du Deinen ersten Track veröffentlicht?

Mein erster Track wurde im Rahmen meines ersten Albums veröffentlicht (Chimaera). Dieses ist auf den Labels Le Petit Machiniste und Zone 30 Records erschienen.

? Würdest Du Deine Musik als Brainfood bezeichnen?

Brainfood ist tatsächlich ein Kompliment, das ich gerne annehme. Wie auch immer, ich selbst habe nicht so eine hohe Einschätzung meiner Musik. Wenn ich heute Sachen von mir höre, die ich in der Vergangenheit veröffentlicht habe, nagt an mir meistens das Bedürfnis, hier und da etwas zu ändern. Ich würde meine Musik lieber als Gedanken bezeichnen, die ich mit dem Hörer austausche.

Das Wort „Brainfood“ wurde einer kürzlich erschienenen Rezension über das Album „Golden Ratio“ entnommen. Es beschreibt die Eigenschaft der Musik von SUPERSIMMETRIA vor allem im Kopf des Hörers zu wirken und weniger für die Tanzfläche geschrieben worden zu sein. Tatsächlich ist die Musik auf Golden Ratio stringent, gut arrangiert und glänzt durch gute Ideen in Form von perkussiven Elementen, Vokals oder klassischer Instrumentierung, die aber im Gesamten die Musik nicht überfrachten, sondern wunderbar ergänzen. Dadurch entsteht ein weiter Raum für den Hörer, die Platz lässt für die eigenen Gefühle. „Golden Ratio“ ist erst kürzlich erschienen, und zwar nicht auf dem Label „Le Petit Machiniste“ wie das Debut „Chimaera“ sondern auf Industry8 aus den USA.

? Das Cover des Albums „Golden Ratio“ wurde von Stefan Alt (Labelinhaber Ant-Zen) gestaltet. Hattest Du bezogen auf das Artwork eine klare Vorstellung oder hatte Stefan freie Hand?

Ich hatte eine klare Vorstellung davon, wie das Album aussehen sollte. Der erste Entwurf stammte von mir. Die Anfangsidee war auf der Außenseite die Landschaft eines fremden Planeten zu zeigen und auf der Innenseite ein Bild des Hubble-Weltraumteleskops „deep field“. Um rechtlichen Fragen aus dem Weg zu gehen, hat Stefan Bilder einer Landschaft bei Tageslicht (Außenseite) und bei Nacht (Innenseite) verwendet. Stefan hat großartige Arbeit geleistet, die auf meinen Vorschlägen basiert.

? Würdest Du Dein Album „Golden Ratio“ als Konzeptalbum bezeichnen?

Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstehe, aber nein, die Stücke sind zu verschiedenen Zeitpunkten entstanden und ohne Berücksichtigung von was davor war und was danach kommen soll. Die Anordnung der Stücke auf dem Longplayer wurde vom Label festgelegt. Ich würde das Album eher als eine lose Zusammenstellung einzelner Gedanken und Produktionen betrachten.

? “Golden Ratio“ gibt es auch in limitierter Auflage mit einer Bonus-CD. War das Deine Idee oder die des Labels?

Die Idee kam vom Label.

? War es für Dich auch eine Option, das Album nur als Download zu veröffentlichen?

Ja.

? Wie siehst Du das? Reduzieren Downloads nicht die Bedeutung der Covergestaltung, die für CDs und LPs so wichtig sind?

Na ja, wenn mein seine eigene Veröffentlichung als CD in der Hand hält und die CD aus der Hülle nehmen kann, ist das natürlich ein unvergleichliches Gefühl. Downloads beschränken mit Sicherheit die Schönheit der Covergestaltung, vor allem wenn die CD in einer speziellen Verpackung erscheint und nicht nur in einem Jewel Case. Wie auch immer, Downloads sind einfach praktisch und in jedem Falle günstiger als eine CD.

? Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit einem US-Label?

Das Label hat mich kontaktiert nachdem ich mein erstes Album veröffentlicht habe.

? Wieso hast Du das Album nicht über Hands Productions oder Ant-Zen veröffentlicht. Schließlich ist ja mit Stefan Alt der Ant-Zen Labelboss verantwortlich für das Artwork. Ist es schwerer sich auf dem europäischen Markt zu platzieren wenn man mit einem US-Label zusammenarbeitet?

Die Zusammenarbeit mit Stefan Alt wurde über das Label Industry8 arrangiert. Was zukünftige Veröffentlichungen betrifft, mal schauen was passiert! Was den europäischen Markt betrifft, so ist das Album hier über das in Deutschland ansässige Label Zone 30 erschienen. Ich denke also, dass ich auch in Europa gut repräsentiert bin.

? Die Titel der Tracks auf „Golden Ratio“ sind bemerkenswert. Was bedeuten sie für Dich?

Das hängt immer vom einzelnen Stück ab. Einige Tracks sind um eine konkrete Idee herum entstanden. Andere sind einfach so entstanden und bekamen nachträglich einen Titel, nachdem ich sie mehrmals gehört hatte. Jedes einzelne Stück und jeder Titel bedeutet mir etwas. Sie sind Auszüge aus Gedanken, die mir durch den Kopf gegangen sind.

? Wie entsteht ein SUPERSIMMETRIA-Stück? Wie arbeitest Du? Sitzt Du täglich am Rechner und produzierst oder eher phasenweise?

Das hängt immer von den Umständen ab. Hinter einigen Stücken steckt wirklich ein nicht zu unterschätzender Arbeitsaufwand. Andere entstehen am Stück, ohne dass ich mich ablenken lasse. Ich habe wirklich keine einheitliche Arbeitsweise. Einiges entsteht spontan am Synthesizer und bei anderen habe ich eine bestimmte Melodie im Kopf, die ich dann umsetze.

? Hattest Du die Absicht ein Album zu produzieren oder gab es einfach einen Zeitpunkt an dem Du genug Material hattest um ein Album zu veröffentlichen?

Ich hatte es schon im Sinn zu veröffentlichen, aber eher als Ergebnis und weniger als Ziel. Mein wirkliches Ziel ist einfach das zu leben, was ich gerne mache: Musik. Meine Stücke entstehen jeweils für sich. Als ich genug Material hatte, habe ich es den Labels zukommen lassen.

SUPERSIMMETRIA beschäftigt sich viel mit Musik im Allgemeinen, so dass es nur folgerichtig ist, ihm einige allgemeine Fragen zu diesem Thema zu stellen, die immer wieder gerne durch die Presse geistern. Unlängst haben Daft Punk postuliert, dass elektronischer Musik mittlerweile jegliche Innovation abgeht und das Musik, die am Rechner entsteht prinzipiell als kalt einzustufen ist. Man darf gespannt sein, wie SUPERSIMMETRIA dazu steht.

? Daft Punk haben letztens in einem Interview behauptet, dass computergenerierte Musik kalt ist, weil das Bedienen einer Maschine keine Emotionen erzeugen kann. Stimmst Du dem zu? Würdest Du die Musik von SUPERSIMMETRIA als kalt bezeichnen?

Der Äußerung von Daft Punk kann ich nicht zustimmen. Mit der gleichen Berechtigung könnte man behaupten, der Klang einer E-Gitarre ist kalt verglichen mit dem einer akustischen Gitarre. Ist die Musik von Jimi Hendrix kalt? Ein Computer ist auch nur ein Instrument, um Klänge zu erzeugen. Kalte und warme Klänge können mit allen Instrumenten erzeugt werden. SUPERSIMMETRIAs Musik variiert zwischen extrem kalt und extrem warm. Spacige kalte Synthie-Klänge werden oft kombiniert mit warmen, organischen Sounds wie zum Beispiel im Stück an dem der Sänger Takushi Minagawa mitwirkt.

? Wenn Du selbst Musik kaufst, ziehst Du einen Plattenladen vor oder ein Download-Portal?

Ich ziehe Download-Portale vor. Ich bin viel unterwegs und es ist unmöglich die ganze Musik als physische Tonträger dabeizuhaben, die ich höre.

? Würdest Du der Band Boards of Canada zustimmen, die mal behauptet hat, Musik sein nur eine andere Form der Mathematik (Music is math)?

Nein, dem stimme ich nicht zu. Musik ist, wie alle Arten von Kunst nur eine Art und Weise zu kommunizieren, wie es Worte nicht können. Mathematik ist eine abstrakte Form der Repräsentierung des Kerns von allem, das uns umgibt. Eine Sprache, die von allen intelligenten Lebensformen im Raum verstanden werden kann. Musik ist nicht Mathematik, kann aber durch Mathematik beschrieben werden. Ein schönes Bild von van Gogh zum Beispiel ist aus der mathematischen Perspektive nur eine Kombination von Farben, die bestimmte Lichtfrequenzen reflektieren, die wiederum unsere Rezeptoren stimulieren. Unser Gehirn versucht dann diesen Stimulierungen einen Sinn zu geben. Aus der mathematischen Sicht ist demnach das Bild, oder eine Komposition von Satie nichts anderes als eine Licht- oder Frequenzmischung. Aus der Sicht des Künstlers haben diese Werke jedoch einen tieferen Sinn, den Mathematik nicht beschreiben kann

Das Spannungsfeld, in dem die Musik von SUPERSIMMETRIA entsteht wird deutlich. Die Extreme, die in eine akustische Symmetrie gebracht werden, stechen hervor. Da ist auf der einen Seite die Faszination für die Wissenschaft, deren Leistung darin besteht natürliche Phänomene oder Gegebenheiten in abstrakten Modellen zu beschreiben, in deren Nachvollziehbarkeit auch eine gewisse Schönheit liegt. Das andere Extrem ist die Emotion, die irrationale, chaotisch anmutende Seite menschlicher Existenz, aus der Kunst und zeitlose Schönheit entstehen kann. Es ist zwar nicht das Anliegen von SUPERSIMMETRIA, diese Pole mit klanglichen Harmonien zu verbinden, aber doch ist diese (vermeintliche?) Gegensätzlichkeit das Fundament, auf dem die Musik entsteht. Was zu Beginn noch düster und abstrakt erscheinen mag kling irgendwann doch wohlig warm. Es ist kontemplative, sehr persönliche Musik mit vielen, teilweise verstörend-schönen Flächen, die eine geeignete Bühne bieten für das Panoptikum der Gefühlswelt des Hörers. Synthetische Flächen werden aufgelöst von perkussiven Elementen, die meistens eine ergänzende und keine dominierende Funktion haben. Diese Melange wird bei SUPERSIMMETRIA gerne ergänzt durch Samples akustischer Instrumente wie Streicher oder Klavier; gerne werden auch Vocal-Samples eingesetzt. Als Dark kann man die Musik bezeichnen, da SUPERSIMMETRIA hier und da noisige Elemente einfügt. Aber ob dieser Ansatz reicht, um die Musik einer Szene zuzuordnen darf, bezweifelt werden. Noise als Stilelement ist längst im Mainstream angekommen und wird gerade in Berlin als Berghain-Sound gehypt.

(Simon Kummer)

 

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