BLACKHOUSE – Hope Like A Candle/ Five Minutes After I Die (Neuauflage) (CD)

„Funk that shit!“ brüllt eine verzerrte Stimme aus den Boxen, während ein monoton breiiger Rhythmus mich und die umstehende Tanzgemeinde in Richtung Ektase peitscht. Immer wieder: „I believe in a world without God“. Dem 16jährigen Neuexistenzialistengruftie geht das Messer in der Hose auf. Eine Mischung aus Schweiß und pubertärem Hormoncocktail fliegt fröhlich mit jeder Bewegung durch den Raum. Unbeeindruckt einhämmernde Stroboskope braten mir die Synapsen. Meine erste Begegnung mit BLACKHOUSE – und ein fieser Hörfehler obendrein. Obige Zitate waren Wunschgedanken. Wer konnte schon ahnen, dass BRIAN LADD es in vielen seiner Texte um eine positive Auseinandersetzung mit dem Christentum ging? Christlich beeinflusster Industrial war mir (wie so vieles) neu. Auch heute fällt mir jenseits von MENTAL DESTRUCTION nicht viel mehr zu diesem Thema ein. Als ich dann ein Jahr später „Hope Like A Candle“ in der Hand hielt, waren auch die letzten Zweifel beiseite geschoben. Der meinte es ja ernst! „Christ ist the Hope of man“ war zwar keine Botschaft, die mich tief berühren sollte, der Track mit dieser netten Zeile hingegen schon.

BLACKHOUSE ist ein Kuriosum und deckt (ungewollt) auf, dass wir subversiv-subkulturell-counterculteresk durch die Gegend wankenden (pun intended) Industrial-Fans letztlich auch nur Style over Substance setzen. Anders kann ich mir die zu BLACKHOUSE indifferent durch die Gegend wankenden Neuheiden, Satanisten und Atheisten nicht erklären, die ihre Pentagramme und Dawkins-Gedächtnismünzen im Gleichschritt zu „The Answer is Jesus…“ durch die Gegend werfen. Das ist bei genauerem Nachdenken so kontraintuitiv wie Neofolk-Fans beim Abfeiern von „Die Sache Jesu braucht begeisterte“. „Style“ hat BLACKHOUSE im Überfluss. LADDs Sound mit dem ganzen übersteuerten irgendwie ungesund klingendem Equipment, rumpelnden Rhythmus-Sequenzen und dumpf-krachigen Stimmeffekten ist unverwechselbar, kurzweilig, ungebügelt und direkt. „In your face“ würde ein englischer Kollege jetzt schreiben. Das liegt natürlich auch daran, dass die meisten Tracks (angeblich) live eingespielt sind, so ist das Endergebnis auch letztlich improvisiert und roh. Die ersten drei Alben „Pro-Life“ (1984), „Hope like a Candle“ (1985) und „Five Minutes After I Die“ (1986) gehören mit Recht in jede Industrial-Sammlung. Sie zählen zu den Sternstunden der zweiten Welle der Industrial Music. Dank einer Neuauflage der DARK VINYL-Ausgaben sind zumindest Nummer zwei und drei wieder erhältlich. Anders als bei der Wiederveröffentlichung von „Holy War“ bei KLANGGALERIE wurden Sound und Artwork der ursprünglichen Rereleases von 1993 beibehalten. Beide CDs sind so gesehen doppelte Zeitreisen: Sound aus den 80er Jahren im Gewand der technischen Möglichkeiten gestalterischer Spielereien der frühen 90er Jahre. Vor allem der CD-Aufdruck von „Five Minutes after I Die“ lässt leichte Nostalgie aufkommen.

„Hope like A Candle“ (CD)

Im gleichen Jahr wie „Pro-Life“ veröffentlichte LADD „Hope Like A Candle“ als Tape über sein hauseigenes Label LADD-FRITH und bedeutete gleichzeitig den ersten großen Sprung seiner Bandgeschichte, denn kurz darauf wurde das Album beim amerikanischen Kultlabel RRRecords als LP als „Hope“ neu aufgelegt. Sieben Jahre später folgte dann die Neuauflage als LP und – erstmals CD – bei DARK VINYL. 2010 kam dann zum BLACKHOUSE-Geburtstag eine Neuauflage via M-TRONIC unter dem Titel „25th Years Anniversary + Hope“ mit Remixen, Kollaborationen und dem „Hope“ in Form einer schnieken Doppel-CD. Nun also die Nachpressung der 1992er Version. „Hope Like A Candle“ bietet dreckig-funkige Rhythmik mit fiesen Übersteuerungen, verrauschten Textpassagen zum Mitschreien gegossen in Ohrwürmer wie „Roger Wasn´t…“, das wüst wütende „What do you know about me“, „Mercy Seat“ oder… ich führe jetzt nicht das ganze Album an. Für viele Künstler ein wichtiges Referenzwerk, das die ganze abgestandene PowerElectronics-Wutorgie der letzten Jahre auch noch 2013 alt und dröge aussehen lässt. Die Essenz des BLACKHOUSE-Sounds.

„Five Minutes After I Die“ (CD)

Während „Hope…“ den BLACKHOUSE definierte, ist sein Nachfolger „Five Minutes After I Die“ das musikalisch und konzeptionell dichteste, vielleicht auch düsterste Opus von BRIAN LADD. „Five Minutes…“ erschien nur ein Jahr nach „Hope“ als Kassette, schaffte mehrere Neuauflagen, aber erst 1989 den Sprung auf Vinyl bei GESCHMACK RECORDS. Aus heutiger Sicht ist das verwunderlich. Vier Jahre später wurde auch „Five Minutes After I Die“ bei Dark Vinyl neuaufgelegt. Viel muss man zu diesem Album nicht sagen, außer dass es das vielleicht populärste von BLACKHOUSE ist. Nicht zuletzt, weil „Answers For You“ und „Numerology“ fest in den Kanon der Industrial Club-Kultur gehören. Wer „Five Minutes…“ auf diese beiden Stücke reduziert, dem wird ein gewaltiger Mindfuck entgehen. Zugreifen und freuen. Von jedem Album wurden je 200 Stück nachgepresst. Konvertiert hat mich LADD nie – jenseits der Musik. Wer „Hope Like A Candle“ und „Five Minutes After I Die“ kauft, wird in kürzester Zeit auch „Material World“, „Holy War“ und „Stairway To Heaven“ haben wollen. Zu Recht.

(APL)

Format: CD
Vertrieb: DARK VINYL
Mailorder: Going Underground
 

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