Für einige Zeit war es still geworden um die in Siegburg ansässige Edition Esoterick, die sich vor allem der Verbreitung der Philosophie von Anton LaVey und seiner Church of Satan gewidmet hat. Nun meldet sich der engagierte Kleinverlag von Lars Kronlob mit Das Satanische Leben – Einblicke in unsere Welt zurück. In dem im amerikanischen Original bereits 2007 erschienenen Band liefern 11 Mitglieder der Church of Satan zum Teil sehr persönliche Berichte über ihren Weg zum Satanismus und erläutern, wie sie das satanische Weltbild in ihrem Leben umsetzen.
So erzählen die Tierschützerin Magda Graham, der Journalist Joel Gausten sowie die Verlegerin und Horrorautorin Scarlet Norton ausführlich und mit großer Offenheit, wie die Schriften Anton LaVeys ihr Leben veränderten und ihnen halfen, ihren eigenen Platz in dieser Welt zu finden. In drei Essays findet sich praktische Lebenshilfe aus der Perspektive des Gehörnten: Shiva Rodriguez hält ein flammendes Plädoyer für den Individualismus, Corvis Nocturnum gibt Tipps, wie sich Kontakte mit der Masse Mensch vermeiden lassen und Diana DeMagis erläutert in bester survivalistischter Manier den Sinn von Vorratshaltung und privatem Katastrophenschutz. Eine zeitgemäße und praxisnahe Auslegung von LaVeys „11 Satanischen Regeln der Erde“ stammt von George Sprague: hier wird die Theorie vom Kopf auf die Füße gestellt und manches Vorurteil gegen LaVeys Denken entkräftet. Dem Wesen der satanischen Musik und ihrer Bedeutung für die Magie spürt der Rockmusiker Les Hernandez nach, und der Mathematiker Bill M. zeigt, welches Potential für den satanischen Lebensstil der akademisch betriebenen Mathematik innewohnt. Weitere Beiträge stammen von Tex Talionis und Dark Water.
Alle an dem äußerst lesenswerten Sammelband Beteiligten stammen aus den USA, Kanada und Großbritannien und sind in Deutschland kaum oder gar nicht bekannt. Ein Anhang mit Kurzbiographien wäre daher für die hiesigen Leser mehr als hilfreich gewesen. Darüber hinaus ist es aber ausgesprochen erfrischend, mal andere Stimmen als die der üblichen Verdächtigen aus dem inneren Führungszirkel der Church of Satan zu vernehmen.
Allen Autorinnen und Autoren gemein ist ein sachlicher, unprätentiöser Stil, der auf verbale Kraftmeiereien nahezu verzichtet, dafür aber genug Raum lässt für viel feinen Humor und manche überraschende Erkenntnis. Die für etliche deutschsprachige Akteure aus dem Umfeld der Church of Satan typischen und ständig wiederholten Attacken gegen die Massenmenschen, die ab einem bestimmten Punkt einfach nur noch abgeschmackt und ermüdend sind, sucht man in Das Satanische Leben jedenfalls vergeblich – was den Band allerdings noch lange nicht zu einem Philanthropie-Handbuch macht.
Natürlich ist es wenig verwunderlich, dass alle Autorinnen und Autoren um die schwarze Sonne Anton LaVey kreisen, in deren Licht ihre Art zu leben sich erst entfalten konnte. Genau hier liegt aber das Problem: auch wenn man einräumen muss, dass das Denken LaVeys in seiner Fülle sicherlich noch nicht gänzlich erschlossen ist und dort noch mancher Schatz zu heben ist, würde man sich doch auch eigenständige Weiterentwicklungen der satanischen Philosophie wünschen, statt immer nur neue Fußnoten zu LaVey präsentiert zu bekommen. Inwieweit hierfür in der der Church of Satan das intellektuelle Potential vorhanden ist, wird die Zukunft erweisen müssen, zumal in letzter Zeit einige prominente Mitglieder (allen voran Boyd Rice und der Maler Diabolos Rex) die Organisation verlassen haben. Ebenfalls wünschenswert wäre es, mehr Stimmen von europäischen Satanisten zu hören: angesichts des 2016 anstehenden 50. Geburtstages der Church of Satan eröffnet sich hier ein weites Publikationsfeld, und es bleibt zu hoffen, dass die Edition Esoterick hier einen maßgeblichen Beitrag leistet.
M. Boss
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