Sascha Ring ist ein vielbeschäftigter Mann und nach seinem erfolgreichen Album „The Devil’s Walk“ und folgender ausgedehnter Tournee mit seiner Band, stand er gleich wieder in der Pflicht von Theater-Regisseur Sebastian Hartmann, um dessen aktuelle Inszenierung von „Krieg und Frieden“ für die Ruhrfestspiele musikalisch zu untermalen. Der Roman von Leo Tolstoi ist ja unbestritten ein Klassiker der Weltliteratur und wurde neben der nicht minder berühmten Verfilmung von Sergei Bondartschuk auch unzählige Male für das Theater aufbereitet. Das dabei von Sebastian Hartmann eine unkonventionelle Herangehensweise an den schweren Stoff zu erwarten war, dürfte Kennern der Materie nicht überrascht haben, aber die Verpflichtung von Deutschlands zur Zeit gefragtesten Elektronikers war schon ein „Husarenstück“. Sascha Ring wurde in dessen Folge umgangssprachlich gesehen direkt ins kalte Wasser geworfen und sollte Live zum Bühnen-Stück jeden Abend quasi vom Orchestergraben aus mit dem Rücken zum Publikum spielen. Nachdem er sich in einem Thailand-Kurzurlaub mit dem literarischen Stoff vertraut gemacht hat, arrangierte er in nächtlichen Sessions nach den Probe-Aufführungen die dazu passende Musik, welche bei den späteren Aufführungen immer weiter verfeinert wurde. Eine Veröffentlichung des Materials war angeblich von Anfang an nie geplant, aber seine Mitmusiker drängten letztendlich Sascha Ring dazu und das war auch gut so. Für diesen Zweck wurde die Musik neu eingespielt, editiert und Tonträger gerecht aufbereitet, so das „Krieg und Frieden“ jetzt eine neue Facette im Schaffen von APPARAT aufzeigt, welche auch im Album-Kontext sehr gut funktioniert. Natürlich beginnt das Album mit Streichern in Moll, die sich melancholisch auftürmen und anschließend im zweiten Track in weißes Rauschen gleich einem gleißenden Sonnensturm zerfallen. Das folgende „Lights On“ legt dann mit dem so eigenen Emo-R’n’B-Gesang von Sascha Ring die Klammer zu APPARAT, um im weiteren Verlauf Orchester- und Gitarren-Akkorde in dronigen Ambientlandschaften zu formen, die gekonnt eine Atmosphäre der russischen Weiten vermitteln. Alles eint auch dieses für APPARAT so typische analoge Brummen, um am Ende mit „A Violent Sky“ mit einem weiteren Song abzuschließen, der auch sehr gut auf das letzte Album gepasst hätte. Je mehr ich „Krieg und Frieden“ höre, um so begeisterter bin ich und habe jetzt direkt wieder Lust auf das Buch, welches definitiv im Sommerurlaub zu meiner Strand-Lektüre gehören wird. Das Album erscheint neben der regulären CD-Ausgabe auch als limitierte Edition im weißen Vinyl, dem wie bei Mute üblich ebenfalls die CD beiliegt. Aktuell ist Sascha Ring übrigens wieder zusammen mit MODESELEKTOR für ihr gemeinsames Projekt MODERAT im Studio und Live-Termine für „Krieg und Frieden“ sind auch schon angesetzt. Man kann nur hoffen, das sich der junge Mann da nicht übernimmt, denn richtig gesund sieht der Workaholic auf dem EPK zum Album nicht aus! Am Ende kann uns das egal sein, denn zumindest das „Krieg und Frieden“-Album kann uns ja keiner mehr nehmen. (Marco Fiebag)
Format: LP+CD/CD |
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