Saffronkeira stemmt vom kleinen Sardinien aus ganze musikalische Welten und kollidiert elektronische Motive mit akustischen (vermutet gesampleter Herkunft), fast symphonischen Themen.Und trotz des Titels, der zumindest mich an das gleichnamige Syndrom erinnert, das eine Krankheit beschreibt, die die Betroffenen ohne echte Kontrolle zum Beispiel wahllos Schimpfwörter in ganz normale Sätze einstreuen lässt, setzt Saffronkeira zwar auf harte Kontraste, bereitet diese aber so auf, dass sich die Seiten bei aller Gegensätzlichkeit doch auch immer die Hände reichen können. Was nicht heißt, dass es, wie im zweiten Teil des Openers, „The Disease“, nicht doch auch wirklich sehr kontrastreich zugehen kann: elegisches Kammerspiel gegen Noiseteufel mit Sinustoncoda. Und das mehrfach, mit Sinustönen, die länger gehalten werden, als ggf. zu erwarten. Aber selbst dann gibt es Verbindungen und Verbündete, die Brücken bauen; als leise knisternde Proto-Rhythmik im Untergrund. Oder „Fragile“, das dem Titel zum Trotz und trotz eigentlich zum Titel passender musikalischer Atmosphäre fast eine Art (verlangsamter) Par-Force Ritt durch knisternde Elektronikfelder, statisch aufgeladen, Proto-Piano-Etüden (oder Ausschnitten aus diesen) und rhythmische Passagen; kaum zu glauben, dass da ein Zusammenhang im Spiel sein kann; nichtsdestotrotz schafft Saffronkeira es, genau diesen zu vermitteln und, ganz nebenbei, wie selbstverständlich auch noch die große Ruhe über „Tourette“ als Ganzes zu legen; aller (inszenierter und komponierter) Brüche zum Trotz. Extreme Homogenität in der Diversität, besser kann der Clash unterschiedlicher Soundästhetiken kaum gehen, wenn eigentlich alles so klingt wie völlig selbstverständlich. Möglicherweise allein das zwischen völlig reduzierter Rhythmik und voller Orchestrierung changierende „1859-1904“ fällt durch die arabischen Soundschnipsel auf, jedoch nicht wirklich raus. Perfekt.
(N)
Format: CD/2LP |
Stichworte: |