PER-ANDERS KURENBACH – Interview

Wenn man den Namen Per-Anders Kurenbach hört, könnte das eventuell so manch jüngeren Elektrohead oder Leute wie mich als älteren Elektro Wave Fan, an das Dark Elektroprojekt PSYCHE von Darrin Huss erinnern. Dort hat Per-Anders zwischen 1996 und 2006 die Keyboards gespielt und mit Darrin Huss zusammen 3 Alben, 1 EP und für die Band diverse Remixe produziert. Außerdem war Per-Anders von 2002 bis 2007 noch bei der Graverock-Band THE SPOOK als Keyboarder und Backing-Vocalist unter dem Pseudonym TERENCE TULA tätig, hob 2006 zusammen mit Cyan von ETERNAL AFFLICT die momentan auf Eis gelegte  Formation CYAN INC. aus der Taufe, war dann von 2008 bis 2010 Livekeyboarder und Co-Produzent bei  ETERNAL AFFLICT, welche Anfang der 90er Jahre mit dem Track – San Diego – ihren bis dato größten Szene-Hit hatten. Und last but not least hatte der gute Per-Anders für eine kleine Zeit in der bekannten Electro-Punkband SHOCK THERAPY (Hate is A Fourletter Word) seine Hand im Spiel. Aktuell ist Per-Anders Mitglied bei der Minimal-Electro-Gruppe NINE CIRCLES und der Dark Electrorock-Truppe MIDNIGHT RESISTANCE. Das alles sollte Anlass genug sein, einmal ein paar Worte mit Mr. Workaholic und vor allem mit dem Musiker Per-Anders Kurenbach zu wechseln.

? Gleich zum Anfang die Frage an  dich – wie verlief bei dir der Einstieg in die Musikszene, welche Themen haben dich motiviert und wie lange genau bist du jetzt dabei?

Musik mache ich bereits seit 1984 – damals noch Klavier und musikalische Experimente mit dem C-64er, später ab 1989 habe ich dann in diversen Bands gespielt (Schlagzeug, Keyboards, Backingvocs), bis ich 1995 durch einen Bekannten, Darrin Huss von PSYCHE kennenlernte. Er hatte gerade die EP „Private Desires“ veröffentlicht und als Sänger bei INSIDE (m. Winus Rilinger & Markus Borowski von ETERNAL AFFLICTt) angefangen und suchte nach einem Keyboarder und Mitkomponisten. Ich habe sofort zugesagt, weil ich Darrins Musik schon lange kannte und gerne mochte. Alles andere vorher waren ja im Prinzip nur  „Versuche“. Aber durch PSYCHE wurde es ernst. Motiviert hat mich eigentlich immer die Vorstellung,  Konzerte zu geben und dadurch in vielen Städten aufzutreten, Kontakte zu anderen Künstlern zu knüpfen und natürlich sich auch eine gewisse Fangemeinde aufzubauen. Ob mir letzteres gelungen ist, kann ich nicht sagen, da ich ja im Prinzip immer mit verschiedenen Bands aufgetreten bin, aber mein Musikleben wird schon von einigen Leuten verfolgt, das weiß ich.

? Welche Bedeutung verbirgt sich hinter dem Pseudonym „TERENCE TULA“  und was kannst du uns zu deinen musikalischen Einflüssen und Inspirationen sagen?

Oh, diesen Namen benutze ich manchmal, wenn ich im Internet-Radio Musik auflege. Aber eigentlich kommt der Name aus der Zeit mit THE SPOOK, wo alle Musiker in der Band ein Grusel-Pseudonym hatten. Unser erster Drummer hieß z.B. Jack Ill (von Dr. Jeckyll), oder die Gitarristen Karl Off (von Boris Karloff) und Ross Feratu (von Nosferatu) usw. Ich war eben Terence Tula (von Tarantula), der ‚Mad Scientist’. Es war eine lustige Zeit und wir hatten sehr gute Konzerte gehabt – sogar als Vorband von den MISFITS oder MAD SIN. Musikalische Einflüsse hab ich sehr viele. Ich bin ein Kind der spät-70er und 80er Jahre, dementsprechend hab ich auch damals die Musik aus dieser Zeit gehört (KRAFTWERK, OMD, GARY NUMAN, HUMAN LEAGUE, GENISIS, A FLOCK OF SEAGULLS etc.). Natürlich auch DEPECHE MODE, das hat ja wohl  jeder damals gut gefunden, denk ich. Was mich inspiriert hat? Hm, ich bin ein sehr melancholischer, emotionaler Mensch. Und dieses Feeling habe ich dann auch in den Songs der damaligen Bands gesucht und gefunden –  gerade bei den New Romantic Bands. Heutzutage entdecke ich das kaum noch. Es sind eben mehr die hämmernden Beats wichtiger geworden. Langweilig.

? Wie hat sich dein persönlicher Musikstil seit deinem Einstieg in die Musikszene weiterentwickelt, wie läuft bei dir die Studioarbeit  ab und wie lange dauern die Aufnahmen für ein Komplettwerk?

Also anfänglich war ich schon sehr „Synth-Pop like“ drauf. Das hat sich aber dann mit dem zweiten Album mit PSYCHE langsam geändert. Ich habe auch mit D’n’B-Elementen angefangen zu arbeiten oder mit verzerrten Beats. Dennoch habe ich nie den emotionalen Touch in den Liedern vergessen. Später, als ich mit PSYCHE 2000  aufhörte und später bei THE SPOOK mitmachte, habe ich auch mit der elektronischen Musik eine Pause eingelegt und mich mehr auf gitarrenlastige Sounds eingelassen. Durch meine damalige Partnerin stieß ich auf KORN, MARYLIN MANSON, RAMMSTEIN, DEFTONES, DISTURBED etc. und später wurde ich auch in der Musik etwas härter. Als ich 2005 wieder mit PSYCHE ein drittes Album produzierte, klang das schon alles etwas geschmeidiger. Letztendlich haben meine Erfahrungen mit THE SPOOK aber dann auch meinen Sound härter gemacht, wie man bei CYAN INC hören konnte. Verzerrte Synthies und ein Live-Schlagzeuger auf der Bühne passten schon zusammen. Ein Album (wenn es eines für mich selber ist) dauert so seine Zeit bei mir. Ich kann mich leider nicht immer voll darauf konzentrieren, da ich ja auch für andere Bands deren Musik produziere und gegebenenfalls mastere. Da dauert das zwischen zwei bis drei Monaten im Durchschnitt. Es soll ja alles gut werden. Es ist aber auch schon einmal vorgekommen, dass ich fast ein Jahr brauchte für ein Album. Da spielten aber auch private Probleme eine Rolle.

? Hast du schon einmal einen Coversong für einen Tributsampler erstellt? Welcher Künstler würde dich hierbei reizen?

Coversongs habe ich schon ein paar gemacht (u.a. von CURE, KRAFTWERK, DEPECHE MODE, MISFFITS, SUICIDE). Ohne Witz, ich würde sehr gerne mal versuchen, etwas von BARRY WHITE, JOHN LENNON, THE SHIRELLES, SEX PISTOLS oder JOHNNY CASH zu covern – natürlich mit dem entsprechenden elektronischen Touch dabei.

? Verfolgst du zudem Nebenprojekte? Vielleicht in Richtung Ambient?

Ein Nebenprojekt, welches seit letztem Jahr auf Eis liegt, ist das Elektro-Projekt YVY DEMINA. Ich bin da leider noch nicht weitergekommen zeitlich. Und mit meinem eigenen Projekt THE VIRGIN SUICIDE  bin ich auch noch nicht weiter gekommen, aber ich habe mit meiner jetzigen Partnerin schon ein paar Takes versucht und aufgenommen. Mal sehen, was sich so entwickelt. Gefallen wird es bestimmt vielen Leuten. Ambient ist beides zwar nicht, aber ich möchte es auch nicht alltäglich klingen lassen, oder zu „banal“ szene-artig. Meine Arbeit konzentriert sich aber momentan sehr viel auf das Produzieren und Mastern von diversen Bands. Wenn ich noch Zeit für meine Kinder finden möchte, wird so langsam der Platz für Nebenprojekte eng.

? Was sagst du zum leider leidigen Thema – Electric Music bei Radioeinsätzen – was in Germany so gut wie gar nicht stattfindet oder ist das nicht umsetzbar?

Elektro-Sounds, wie du und ich sie kennen, sind meistens für den Mainstream nicht geeignet oder zu unspektakulär, glaube ich. Es gibt auch wirklich kaum Bands, die es aus der Elektroszene geschafft haben, in die Charts zu kommen. Die haben sich alle hübsch bürsten lassen müssen, z.B. APOPTYGMA BERZERK. Hör dir ein Album an von denen, welches 1993 rauskam, mit noizy Beats, verzerrtem Gesang und hämmernden Synths. und dann heute, wo auf dem Musikspeiseplan „Shine On“, „Cambodia“ oder „Back On Track“ stehen. Alles gängige Pop-Perlen, alles sehr geschmeidig. Elektronische Musik lässt sich meiner Meinung nach eher vermarkten, wenn sie Dancefloor ist mit Breakbeats und Gesang-Stimme a lá CHIISTINA AGUILERA.

? Wie stehst du zum Thema CD-Piraterie – oder ist es okay, wenn man Eigentum  z.B. von Superstars  von irgendwelchen Seiten herunterladen darf und kann! Und was hältst du im gleichen Atemzug von der These, dass es für kleine Gruppen ein Multiplikator sein könnte, um deren Nischenmusik überhaupt erst bekannt zu machen, bei den vielen Neuerscheinungen jeden Monat?

Ich wusste, irgendwann würde mir jemand diese Frage mal stellen. Ich finde, es ist nicht in Ordnung, dass man sich inzwischen ganze Alben einfach so runterladen kann, ohne einen Cent dafür zu bezahlen. Ich versuche auch, bei einem Neu-Release der Bands, bei denen ich mitwirke, alle Download-Portale auszuspähen, wo man „mich“ runterladen kann. Die Sachen sind meist ganz schnell weg…das Doofe ist, sie kommen auch ganz schnell wieder. Aber ich finde es ganz mies, wenn findige Sharefiling-Anwälte Geld machen und  jungen Leuten mit Abmahnungen drohen, bei denen eh kein Geld zu holen ist. Das würde ich nie in Auftrag geben. Ich hätte aber nichts dagegen, wenn Bands hier und da gewisse Tracks kostenlos zur Verfügung stellen, herunterladbar für jeden, und ohne, dass man da etwas dafür zahlen muss. Darktraxx beispielsweise macht das ja auch für DJs und für solche, die es mal werden wollen. Da sind dann nicht nur Newcomer, sondern auch namhafte Künstler wie z.B. DAS ICH, DE/VISION vertreten, die Musikgut kostenlos zur Verfügung stellen. Und es gibt ja auch noch Bands, welche nur reine Online-Alben produzieren, und wo man für den Download etwas spenden kann (Kickstarter) – aber nicht muss. Die meisten Nischenbands leben ja auch nicht von ihrer Musik, sondern machen das nur als Hobby.

? Ist es noch nötig, in diesen audiovisuellen und medialen Zeiten zu einer CD auch gleichzeitig ein Video zu erstellen? Hast du in der Richtung etwas geplant oder schon einmal umgesetzt, mit PSYCHE vielleicht?

Oh ja, es ist meiner Meinung nach sogar sehr wichtig. Du kannst machen was du willst, aber ein Song mit einem Video dazu kommt einfach besser an, weil das Auge „mit isst“. Viele Songs haben kein dazugehöriges Video, aber es gibt so viele Leute, die einige Stücke so sehr lieben, dass sie Fan-Videos zusammenbasteln, mit Filmsequenzen, Bildern von Dreammotiven oder ihrer Lieblingsband usw… auf Youtube habe ich über manchen privaten Künstler gestaunt, was er für tolle Arbeit in sein kleines Werk gesteckt hat. Damals haben Darrin und ich versucht, zum ersten gemeinsamen Song „You Ran Away“ ein Video zu drehen…wir sind aber nie über die Hälfte hinaus gekommen. Außerdem haben wir uns später mit der Besitzerin der SVHS-Kamera so zerstritten, dass diese dann letztendlich das Material auch nie herausgerückt hat. Danach gab es ausschließlich Videomitschnitte von unseren Konzerten.

? Was dürfte deiner Meinung nach eine CD heutzutage noch kosten, um den Verkauf zu forcieren?

Eine gute CD sollte nicht mehr als 12-13 Euro kosten diese Summe ist schon erschwinglich, aber wenn man sich eine CD als Digipack kauft, kann man auch mal 18 Euro bezahlen. Dann ist es aber auch gut.

? Wie bewertest du den Einsatz von Licht und Lasereffekten bei deinen Konzerten, dient es rein als Visualisierung?

Effekte auf der Bühne finde ich sehr wichtig, aber es ist natürlich auch wichtig, dass der Lightjockey sein Handwerk versteht und entsprechend zur Bassdrum auch mal die Strobo-Lichter ansteuert im Takt. Lichteffekte heben die Optik der Band einfach an, erzeugen zusätzliche Stimmung. Aber auch Diaprojektionen sind immer gut. Das habe ich bei ETERNAL AFFLICT gemacht und auch mit NINE CIRCLES. Die Wirkung ist bombastisch.

? Bist du mit deinen Projekten auch im Ausland erfolgreich und bekannt und auf welchen Festivals spielst du am liebsten?

Ich habe in den letzten 16 Jahren sehr oft im Ausland gespielt oder getourt, war also auch dementsprechend sehr erfolgreich mit meinen Projekten & Bands. Wenn man Glück hat, kann man dann am Vortag des Auftrittes oder unmittelbar danach noch etwas Sightseeing unternehmen. Das ist wie bezahlter Urlaub. Hm, ich spiele sehr gerne auf dem WGT und damals habe ich auch gerne auf dem WithFullForce-Festival oder Fiend Festival gespielt. Aber die Liste der Festivals, auf denen ich IMMER noch mal gerne spielen möchte, ist viel länger.

? Aus welcher Szene kommen deine Fans oder wenn genau möchtest du ansprechen?

Seitdem ich Musik mache, kamen „meine“ Fans nie aus irgendeiner speziellen Szene. Früher, als ich eher so Orgelpunk-Musik machte, waren es die Flanellhemd-tragenden Studenten, die sich gerne THE CHARLATANES oder VELVET UNDERGROUND reinzogen, später mit PSYCHE die schwarz angezogenen, aber eher synthpop-liebenden Herrschaften, die auf unseren Konzerten waren. Mit THE SPOOK hatten wir Punks, Psychobillys, Skins (ich hoffe, die waren alle unpolitisch) und Metal-Freaks als Fans. Nach der Gravepunk-Zeit kamen wieder die schwarzen Fans: Goth’ler, EBM- und Industrial-Hörer und – wieder die Flanellhemd-Träger (lacht).

? Was sind deine „All Time Heroes“ in den heimatlichen Plattenregalen, was war die erste und letzte Scheibe, die  du gekauft hast?

Es wäre zu viel, es hier aufzuzählen, aber ich liebe z.B. alles von MASSIVE ATTACK, THE PRODIGY, I AM X, OMD, COCTEAU TWINS, STEVEN WILSON und PORCUPINE TREE – dennoch brauche ich ab und zu auch mal ANTHRAX „Return of the Killer B-s“ und die DEFTONES. MARYLIN MANSON, NINE INCH NAILS und etwas KORN dürfen auch nicht fehlen. In meiner Plattensammlung, welche sich in den Jahren doch eher zur CD-Sammlung gewandelt hat, stehen aber auch Silberlinge, wie z.B. von BLONDIE, BEATLES, DORIS DAY oder den BEASTIE BOYS drin. Meine erste selbstgekaufte Scheibe war 1978 KRAFTWERK „Die Roboter“. Meine letzte, zuletzt gekaufte CD war von VNV NATION „Automatic“.

? Was willst du in der nahen oder späteren Zukunft noch mit deiner Musik und deinen Projekten verwirklichen und erreichen, wie steht es z.B. mit Filmmusik zu einem imaginären Streifen?

Filmmusik wäre wirklich mein geheimster Wunsch. Ich suche schon seit zwei bis drei Jahren einen Filmemacher, welcher Musik zu dystopischen Filmen oder auch Mystery-Themen benötigt. Gelegentlicher Komponist, Arrangeur oder Songschreiber für diverse Bands und Künstler bin ich ja schon seit einer Weile. Also wenn dies hier jemand liest, bitte schnell eine Nachricht an die Redaktion schicken, die leitet die Email an mich weiter :-).

? Abschließende Worte …

Vielen Dank an das BLACK für euer Interesse. Und Danke für das Interview lieber Sven.

Fotos: Michael Baumgärtel

(S.Ericksen)

 

Stichworte:
, , , , , , ,