BLACKHOUSE – Interview

Brian Ladds Projekt BLACKHOUSE gehört zu den dienstältesten Industrial-Projekten. Alben wie „Five Minutes After I Die“, „We Will Fight Back“ oder „Hope Like A Candle“ genießen nicht nur hierzulande Kultstatus. Als dezidiert christlicher Künstler ist Ladd in der sonst eher dem Okkulten zugeneigten Szene eine erwähnenswerte Ausnahme. Erfolgreich war er trotzdem und amüsant der Anblick mit Runen und Pentagrammen behangene Grufties zu Textpassagen wie „Christ Is The Hope Of Man“ durch den Nebel schwanken zu sehen. Das nahende 30jährige Jubiläum wird aktuell mit verschiedenen Neuauflagen alter Alben vorbereitet. Das BLACK bat Brian Ladd zum Gespräch.

? Brian, BLACKHOUSE ist das wohl bekannteste christliche Industrial-Projekt – und das einzige mir bekannte. Welche Rolle spielt der Glaube in deinem Leben?

Ich habe mich immer als Christen gesehen. Auch zu Zeiten, wo ich schlimme Sachen gemacht habe. Auch wenn ich weiß, dass ich nicht besser als andere Menschen bin, so weiß ich zumindest, wann ich Falsches tue. Und dafür entschuldige ich mich dann auch. In meiner Welt muss man keine Buße tun und es gibt Platz, zu verzeihen. Es ist eine schwierige Reise und manchmal auch ein richtiger Kampf. Aber ich hoffe, wir können alle ein Stückchen Licht sehen. Ich begann sehr früh, mich als Christen zu sehen. Meine Eltern nahmen mich mit in ihre Kirche. Mein Gott, war das langweilig! Aber eines Tages, als ich in ein Fenster oberhalb des Kirchenschiffs schaute, sah ich das Gesicht von Jesus. Im obersten Fenster! Ich sagte das meinem Vater und er meinte, dass Leute Schilder hochhielten, um Kinder damit zu narren. Aber ich weiß, dass ich Jesus gesehen habe. Ich sehe ihn auch heute noch oft, aber jetzt weiß ich auch, wo ich Ausschau halten muss.

? Du blickst auf eine lange Karriere mit einer ganzen Schubkarre voller Veröffentlichungen zurück. Welches deiner Alben würdest du als deinen persönlichen Liebling bezeichnen – gibt es überhaupt einen?

Ich mag immer am meisten das, an dem ich gerade arbeite. Manchmal, wenn ich mir ein altes Album anhöre, kriege ich das Gefühl nicht los, dass es besser hätte sein können. Aber es ist wie bei einem Gemälde, das man 30 Jahre früher gemalt hat. Es hat keinen Sinn, zurückzublicken und zu denken, man hätte bessere Farben verwenden sollen, vielleicht war ja auch die Technik damals noch nicht so ausgereift. Damit muss man leben. Eigentlich sehe ich meine Alben eher wie Fotografien aus meinem Leben. Mit all ihren Fehlern ist das okay so.

? Dein Soloprojekt heißt BRIAN LADD – was machst du hier, was du mit BLACKHOUSE nicht machen kannst?

BLACKHAOUSE ist eine Farbe in meinem Regenbogen. Meine Solomusik ist mehr punk-artig. Mehr strukturiert und weniger konzeptuell. Manchmal spiele ich da Schlagzeug oder Bass, mehr Gitarre und viel mehr Kuhglocke. Mich interessieren auch andere Texturen, die nicht zu BLACKHOUSE passen. In letzter Zeit arbeite ich auch an einem Hybrid aus BLACKHOUSE und BRIAN LADD. Ich nenne diese Kombination B.L.Ackhouse. Vielleicht kommt in naher Zukunft etwas raus, ich arbeite an zwei Alben. Wenn ich jemand finde, der es herausbringt. Aber ich finde immer jemanden.

? Apropos Veröffentlichungen – wieso hast du eigentlich deinen eigenen „HELLRAISER“-Soundtrack gemacht?

Warum auch nicht? COIL haben ja auch ihre unveröffentlichten Hellraiser-Tracks herausgebracht. Meine unveröffentlichten Tracks dafür sind in Deutschland bei Auf Abwegen erschienen. Mir gefällt der COIL-Soundtrack. Gefiel, sollte ich sagen – bis mir jemand gesagt hat, dass die 10″ auf 45 statt auf 33 Umdrehungen läuft. Meine Sounds sind besser, und viel unheimlicher. 45? Na komm…

? Neben deinem Namen finden sich in den Booklets diverser Veröffentlichungen noch die ominösen Namen IVO CUTLER und STERLING CROSS – Alte Mitstreiter oder unsichtbare Freunde?

Man muss verstehen, zu Beginn wusste ich einfach, dass ich das Richtige tat. Ich spürte es. Gleichzeitig war mir bewusst, dass die Ideale, die ich unterstützte keine waren, die ich selber repräsentieren konnte. Heiligkeit? Ich? Auch wenn ich wusste, es war richtig, konnte ich dem selber nicht entsprechen. Wie auch? Ich habe meine Fehler. Ich habe gesündigt, bin ein Sünder, das akzeptiere ich. Trotzdem wollte ich meinen Idealen näherkommen. Ich musste es versuchen, glaubte jedoch nicht, dass ich es schaffen würde. Aber ich sah den Weg, den ich gehen wollte. Den Pfad, auf dem ich immer noch bin. Eine spirituelle Reise. Da ich mich selber als zu fehlerhaft einstufte, erfand ich STERLING CROSS und IVO CUTLER, als meine Alter Egos. Auf einer Schulter saßen die beiden, die mich zum Guten führen sollten. Auf der anderen Schulter saß mein mangelhaftes Selbst. Als ich bemerkte, diese beiden Seiten nicht unter einen Hut bringen zu können, setzte ich den Mythos vom Motorradunfall von IVO und STERLING in die Welt und nahm meinen Platz in der Geschichte von BLACKHOUSE wieder ein. Warum? Weil ich merkte, dass mich Gott so liebte wie ich war, mit all meinen Fehlern. Für ihn war das alles okay. Das wichtigste war, das richtige zu tun und mir selber einzugestehen, wer ich bin. Trotz meiner Fehler bin ich ein guter Christ und daran arbeite ich immer weiter. Ich versuche, ein besserer Mensch zu werden, jeden Tag ein Stück. Immer gelingt mir das nicht.

? Gern wird ja behauptet, dass BLACKHOUSE das namentliche Gegenstück zu WHITEHOUSE sei – stimmt das eigentlich?

Ja, denn zu Beginn habe ich den Sound von WHITEHOUSE bewundert. Die Texte ließen allerdings einiges zu wünschen übrig. Ich meine, warum Songs über Frauen singen, die getötet werden? Das ist so unnötig, so sinnlos und dumm. Eigentlich sogar recht feige. Also erfand ich als Kontrast die gegenteilige Botschaft, aber mit ähnlichem Sound. Ich denke, es begann als Parodie oder als Antithese. Sicher! Aber ich dachte auch, dass es notwendig war. In meiner Seele habe ich gespürt, dass Industrial Music genauso aus dem Bauch kommen konnte, genauso überzeugend und vielleicht sogar mehr herausfordernd sein könnte, wenn sie christliche Themen behandelte. Ich dachte mir auch, dass das einer Menge Industrial-Hörern gegen den Strich gehen würde. Sie fühlten ja nichts dabei, wenn es in Songs um das Abschlachten von Frauen ging. Ich wollte sie mit Liedern über Glaube, Hoffnung und Gott ärgern. Und es gelang! Dabei war es kein Witz, oder Streich. Ich glaubte an diese Dinge wirklich. Und glaube immer noch daran. Immer. Während der frühen Jahre war ich mit William Bennett von WHITEHOUSE in Kontakt. Ihm gefiel, was ich machte. Es war ja auch nie als Beleidigung von WHITEHOUSE gedacht. Ganz im Gegenteil! Nachdem BLACKHOUSE dann Aufmerksam bekam, begann Bennett mich schlecht zu machen. Er lästerte über Rhythmusmaschinen: „WHITEHOUSE wird nie Rhythmusmaschinen verwenden.“ Schade, dass er diesen Weg einschlug. Das ist besonders amüsant, da Bennett heutzutage ein Laptopkrieger geworden ist. Aber bitte – jeder, wie er will. Ich mach das nicht.

? WHITEHOUSE ist ja keine leichte Einstiegskost – mit welcher Musik bist du eigentlich aufgewachsen und wie landet man letztlich beim Industrial?

Mit sechs oder sieben Jahren habe ich begonnen, mich für Musik zu interessieren. Heute bin ich 53 – wir reden also von 1966. Das war damals eine komplett andere Welt: keine Computer, kein Kabelfernsehen, keine CDs, keine DVDs. Meine Eltern haben mich einmal in einen James Bond-Film mitgenommen. Die Soundtracks der alten Bond Filme sind unglaublich! Im Fernsehen gefiel mir Batman besonders gut. Das hatte einen guten Swing… Dann habe ich begonnen, Bands im Fernsehen auftreten zu sehen, z.B. in der Ed Sullivan Show – THE DOORS, BUFFALO SPRINGFIELD, JEFFERSON AIRPLANE und die ELECTRIC PRUNES. So was hat mich umgehauen. Psychedelisches Zeug. Natürlich auch Pop wie die BEE GEES. Mit zehn Jahren hat mich der Soundtrack zu „2001“ komplett umgeworfen. Mir haben besonders die verzerrten Stimmen und das bassartige Grummen gefallen. Danach kam Rock – die STONES, LED ZEPPELIN, THE WHO. Als ich mir „Ziggy Stardust“ gekauft habe, war das endlich das Wahre, nach dem ich gesucht hatte. ROXY MUSIC, BOWIE, IGGY POPs „Raw Power“. In Chicago, wo ich damals lebte, gab es eine Menge tolle Radiostationen. Ich konnte also leicht Neues entdecken. Dann kam irgendwann Industrial. LAIBACH finde ich toll, von WHITEHOUSE „Psychopathia Sexualis“ – das ist meiner Meinung nach ihr bestes Album. Ich könnte die Liste jetzt endlos fortsetzen und immer noch das Gefühl haben, die allerwichtigsten Alben ausgelassen zu haben. Ich liebe Musik! BLACKHOUSE begann dann 1984. Das war ein gutes Jahr. Ich mochte viele Bands aus der ersten und zweiten Generation des Industrial, keine Frage. Ich mag eigentlich alle Arten von Musik und alle inspirieren mich. Namen zu nennen, wäre da dumm. Andererseits möchte ich eine Hymne schreiben für alle, die mich jemals inspiriert haben. Es wird da eine Liste von Namen geben, die ich jetzt eigentlich noch nicht verraten will. Wenn ich eine Richtung angeben müsste, würde ich sagen, ich bin weniger THROBBING GRISTLE-Fan, dafür mehr SPK. Zumindest bis inklusive „Leichenschrei“. Wer weiß, warum? Weil sie die bessere Band sind. Ich mag also alle Arten von Musik. WHITEHOUSE, PUBLIC IMAGE Ltd., PUBLIC ENEMY, TOMITA, FLIPPER, FLUX OF PINK INDIANS, RONSON, BOWIE.

? Kollaborationen sind heutzutage ein Muss – kaum ein Album ohne Remixes und Features – wie stehst du dazu? Arbeitest du gerne mit anderen Künstlern zusammen?

Natürlich! Ich bin seit vielen Jahren mit PACIFIC 231 befreundet. Es ist mir immer ein Vergnügen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Pierre Jolivet ist mein ältester Musikfreund. Außer Julie Frith natürlich. Dann gibt es da Scott von :LILITH:. ORBITRONIK mit ihm ist die einzige meiner Bands, die auf einem Majorlabel erschienen ist. Das hat seinen Grund, denn ORBITRONIK rockt! Dann gibt es HYPNOSKULL. Unsere französische Maxi-Single rockt auch total. Vielleicht meinst du auch CRAIG G.? Rapper der JUICE CREW? Wir arbeiten eng zusammen, haben vier Tracks als DY-NO-MITE gemacht. Julie Frith ist meine Frau. Wir machen gemeinsam Musik seit 1977! Googelt es, wenn ihr es nicht glaubt!

? Wir kennen das Phänomen des bühnenscheuen Künstlers ja zur Genüge, nur die Motive bleiben oft im Dunkeln. Warum trittst du mit BLACKHOUSE eigentlich nie live auf?

Niemand will mir Genug Geld dafür zahlen. Ich habe 30 Alben auf Vinyl und CD veröffentlicht – warum sollte ich auch nur daran denken, live zu spielen? Natürlich könnte es auch Spaß machen, ziemlich sicher sogar. Aber ich sehe nicht ein, dass ich mein Geld dafür ausgeben soll. Wenn mich Leute haben wollen, sollen sie zahlen. Ich betreibe ja hier kein Hilfswerk und keine Non-Profit-Organisation. Obwohl es eigentlich darauf hinausläuft. Ich liebe es einfach, Musik zu machen. Und das für sehr wenig Lohn. Es ist mir eine Freude, wenn jemand sie anhört und sie ihm gefällt. Also, wenn mich jemand haben will, dann hier ein kleiner Tipp: Macht es so, dass ich auch was davon habe? Verstanden?

? Bleibt also mehr Zeit für sonstige Projekte. Kannst du uns etwas zu deinem eigenen Label LADD-FRITH erzählen?

Das sind Julie und ich. Wir begannen als Kassettenlabel 1980. Zuerst haben wir PSYCLONES und BLACKHOUSE veröffentlicht, und später auch andere Bands. Am Ende haben wir über 100 Releases auf Kassette, Vinyl und CD veröffentlicht. Zu meinen liebsten LF-Releases gehören VIVENZA, VIDNA OBMANA, PACIFIC 231, BLACKHOUSE etc. Ich bin sehr stolz auf unsere Arbeit!

? Follower deiner Facebook-Seite stoßen immer wieder auf politische Aussagen – welche Rolle spielt die Politik in der Musik und den Texten von BLACKHOUSE?

BLACKHOUSE ist nicht nur die Antwort auf eine alte Industrial-Band. Es reflektiert auch meine politischen Ansichten über das Weiße Haus. Mir ist es egal, wer dort das Sagen hat: Clinton, Bush, Obama. Das ist alles dasselbe. Sie sind Feinde meines Denkens. Ich verachte sie als Betrüger und Mörder. Das wird sich nie ändern, bis wir endlich aufhören, andere zu bombardieren. Stoppt den Krieg, stoppt  die Ungerechtigkeit! Manche entscheiden sich für ein kleineres Übel, aber Übel bleibt Übel. Als ob Obama ehrlicher wäre als Bush. Lasst mich doch damit in Ruhe! Die Dinge sind schlimmer als je zuvor. Und wer hat das zu verantworten? Der Mann, der uns davon befreien sollte! Ich lasse mir meine Meinung nicht verbieten und sage sie auch. Politisch korrekt oder nicht. Obama ist mir ein Gräuel! Schlimmer als alle anderen. Und übrigens: Musik und Politik sind dasselbe. Labels sagen, sie sind für alles offen und liberal. Aber sie sind es gar nicht. Sie sind Lügner und Besserwisser, genauso wie die im Weißen Haus. Ich habe es satt, mit solch ignoranten Leuten zu tun zu haben: „Oh sorry, sie vertreiben ja Lieder über Mord, entschuldigen Sie meine christlichen Texte.“ So viele Labels verkaufen Lieder über Mord, aber fühlen sich beleidigt, wenn ich Obama kritisiere. Ich weiß echt nicht, wie lange ich mir das noch antue. Ich habe rassistische Labels satt. Rassisten sind Lügner und Hasser. Und Hasser hassen. Genug davon!

? Du machst seit fast 30 Jahren Musik – was ist für die nächsten 30 zu erwarten?

Was ich mache, ist mein Leben. Ich werde nie aufhören. Also kann man mehr Alben erwarten, mehr Zusammenarbeiten, mehr Soundtracks, mehr Nebenprojekte. Mein Ziel ist es, gute Popmusik mit psychedelischem Touch zu machen. Das ist es.

(Walter Robotka/ Andreas Plöger)

Mailorder: Going Underground
 

Stichworte:
, , , , , ,