Immer dann, wenn stringent aufgebaute Konzepte (aus welchem Grund auch immer) gebrochen oder auch nur merkbar variiert werden, bevor die konzeptuell gemeinte Serie vollendet ist, besteht die grundsätzliche Gefahr, dass Einzelne die Reise nicht mehr bis zu eben diesem Punkt begleiten, sondern abspringen; möglicherweise weil sie der Meinung sind, das letzte Stück der Etappe birgt keine neuen Erkenntnisse, scheinen die doch allein hinter der Zäsur zu liegen.
Es wäre in diesem Sinne äußerst schade, wenn dieses Schicksal der letzten aus der Reihe der Live-EPs von Dirk Serries‘ Microphonics zu teil würde: aufgenommen bereits 2011 im Quiet Cue in Berlin, entwickelt Dirk Serries auf dieser einseitigen EP (wieder in den drei Farben der bisherigen: Weiß, Silber, Gold) eine weitere Variation der intimen Seite von Microphonics; mit in Zeitlupe aufbauenden Melodien in loopartiger Wiederholung, mit einem meditativen Orgeldrone als Unterlage und mit einem gleichzeitig transparenten und sehr direkten und dabei auch sehr massiven Sound. Wie schon bei den vier vorangegangenen Veröffentlichungen steht „Microphonics XX“ unter dem Focus langsamster Veränderungen; das Stück entsteht gleichsam unmerklich, Veränderungen erscheinen im Moment des Auftauchens wie selbstverständlich, schaffen es trotzdem, dem Stück völlig neue Facetten zu geben, erreichen irgendwann den Höhepunkt und die gleichsam in Trance befindlichen Hörer bemerken erst nach und nach, dass der Zenit an Verdichtung, Veränderung und Lautstärke bereits erreicht wurde und sich das Stück nunmehr bereits in der Phase des Ausklangs befindet.
Als besondere Überraschung kommt „Microphonics XX“ nicht in den transparenten Hüllen der Vorgänger, sondern in einer Box mit OBI und hält neben der einseitig bespielten Vinyl-EP auch neue (Innen-) Hüllen für die Vorgänger bereit; gedacht als Möglichkeit, die bisherigen EPs in die Box einzureihen; mit Blick auf die musikalische Entwicklung von Microphonics und die daraus resultierende Stellung der Live-EPs eine nur konsequente (nichtsdestotrotz sehr dankenswerte) Entscheidung des Labels. Und, über diesen Mehrwert hinaus, weiß denn dieses letzte Stück der Etappe vor dem Sprung in 2013 noch neues zu erzählen? Wer die Live-EPs kennt, weiß auch, dass deren Unterschiede auf Detailebene liegen; wenig offenkundig für den oberflächlichen Hörer, aber in der Entwicklung konsequent. Und so ist es auch in Bezug auf „Microphonics XX“. Vielleicht sogar in besonders komprimiert/ fokussierter Form.
(N)
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