Am 26. November 2012 verkündeten Cosey Fanni Tutti und Chris Carter, nach dem Ausstieg von Genesis Breyer P-Orridge und dem Tod von Peter „Sleazy“ Christopherson die letzten aktiven Mitglieder von THROBBING GRISTLE, das offizielle Ende der Band (was natürlich nicht heißt, dass nicht auch in Zukunft mit weiteren Veröffentlichungen aus den TG-Archiven zu rechnen ist). Als letztes Kapitel der Bandgeschichte ist nun das Doppel-Album Desertshore / The Final Report erschienen, das vor allem als ein Memorial für den am 25. November 2010 in Bangkok verstorbenen „Sleazy“ zu verstehen ist. Dass mit dem Album Trauerarbeit geleistet wird macht auch das Artwork deutlich: so ist das Außencover ganz in Weiß, der traditionellen Trauerfarbe von Hinduismus und Buddhismus gehalten, während die Tonträger (zu mindestens in der Vinylfassung) in schwarze Hüllen eingelegt sind .
Desertshore ist die Coverversion des gleichnamigen, mittlerweile legendär gewordenen Albums von Nico aus dem Jahr 1971. Christopherson verfolgte das Projekt einer Neueinspielung seit 2006, konnte dessen Vollendung aber nicht mehr realisieren. Wesentliche Teile der Musik spielten THROBBING GRISTLE bereits im Sommer 2007 live ein, aber mit erst 2011 begannen Tutti und Carter, die losen Fäden zu einem fertigen Gewebe zu verbinden. Für die Gesangspartien gewannen sie namhafte Gastmusiker mit subkultureller Patina wie Marc Almond, Antony Hegarty und Sasha Grey. Die beiden deutschsprachigen Lieder des Albums, Abschied und Mütterlein, werden von Blixa Bargeld interpretiert, wobei insbesondere Mütterlein einen absoluten Höhepunkt darstellt.
Musikalisch herrschen die eher ruhigen, elegischen Töne vor. Diese Stimmung setzt sich auch in The Final Report fort, auf dem die letzten gemeinsamen Studioaufnahmen von X-TG dokumentiert sind. Das Trio zeigt hier noch einmal seine Lust, voller Experimentierfreude mit neu entwickelten Gerätschaften dynamische Klanglandschaften zu erzeugen und den typischen, über Jahrzehnte vertrauten THROBBING GRISTLE-Sound noch einmal erklingen zu lassen. Hier zeigen die Altmeister der elektronischen Avantgarde noch einmal ihre ganze Klasse und lassen viele der Bands aus dem Post-Industrial- / Military-Pop-Bereich als müde Epigonen dastehen, denen es an der nötigen innovativen Kraft mangelt, um zu neuen musikalischen Ufern aufzubrechen. Die wenigen Vokalpartien wurden elektronisch erzeugt bzw. verfremdet (schöne Grüße an KRAFTWERK, möchte man vermuten) und lassen einen dann doch die Stimme von Genesis P-Orridge schmerzlich vermissen.
Desertshore / The Final Report ist eine groß angelegte Elegie, die nicht nur „Sleazy“ Christopherson, sondern auch der unvergessenen Nico ein bewegendes Denkmal setzt. Alles, was jetzt noch aus dem Hause THROBBING GRISTLE kommt, kann nur noch Nachlassverwaltung und Resteverwertung sein.
M. Boss
Format: 2CD |
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