Wie unterscheidet man eine gute Soundscape von einer schlechten? Wenn es weniger um Musik im engeren Sinne geht und das akustische Kunstwerk in den Bereich der grenzerweiternden Klänge driftet, drohen dem Hörer oft die qualitativen Beurteilungsgrundlagen zu entgleiten wie der Klanglandschaft die konventionelle Melodieführung, und schließlich ist man geneigt, die entsprechende Platte sicherheitshalber unter Kunst mit großem K einzuordnen – einfach, um der unangenehmen Auseinandersetzung mit der Bewertung des Werks zu entgehen. Gute Soundscape, schlechte Soundscape? Wer kann das schon wissen?
Doch halt; beim Anhören von „Trees“, dem neuen Opus des COP SHOOT COP-Mitglieds JIM COLEMAN, eröffnet sich eine neue Dimension des flächigen Genres; zeigen doch COLEMAN und seine Mitmusiker Dawn McCarthy (Stimme), Kirsten McCord (Cello) und Ellen Fullman (selbstgebautes Streichinstrument), wie Electronica und Ambient unter dem Einfluss (teilweise) klassisch geschulter Musiker zu unbekannten Qualitäten aufblühen. Nichts ist zufällig an COLEMANs Werk, das in den helleren Passagen an BOHREN UND DER CLUB OF GORE erinnert und seine in den Klangraum gestreuten Melodieansätze immer dann wieder verwirft, wenn sie sich gerade entfalten und ins Ohr des Hörers schmeicheln wollen. „Trees“ liefert Melodisches häufig genug, um uns bei der Stange zu halten, verweigert sich aber dennoch konsequent popmusikalischen Strukturen und pendelt souverän zwischen Ambient und Freejazz. Die elektronischen Elemente harmonieren so perfekt mit den „natürlich“ erzeugten, dass diese Unterscheidung fast schon hinfällig wird. Es dominieren Streicherklänge und dezente Rhythmen, die den flächigen Charakter der Stücke aber eher betonen als unterbrechen.
Während bei vielen anderen Künstlern, die sich mit in handwerklicher Hinsicht weniger versierten Vasallen im Ambient versuchen („Da muss man ja zum Glück nicht spielen können!“), zeigt uns JIM COLEMAN eben den feinen Unterschied: Auf der Basis seines tiefen Harmonie- und Kompositionsverständnisses gelingt es ihm mit „Trees“ bei einer Spieldauer von immerhin über sechzig Minuten, nicht die geringste Langeweile aufkommen zu lassen und ein Opus von fast schon klassischer Wucht vorzulegen, das vielleicht auch Hörer zu überzeugen weiß, die mit sowas sonst rein gar nichts anfangen können.
(M. Reitzenstein)
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