BILL FAY – Life Is People (CD/2LP)

Mit zunehmender Dauer entwickelt sich das Jahr 2012 zum Jahr spektakulärer Wiedervereinigungen und überraschender musikalischer Wiedergeburten. So präsentierten Kultbands wie ULTRAVOX und DEAD CAN DANCE nach jahrelangem Schweigen neues Material,  ebenso die Heavy-Metal-Band ANGEL WITCH und der Celtic-Soul-Brother Kevin Rowland mit seinen DEXYS (MIDNIGHT RUNNERS). Zu diesem illustren Kreis gesellt sich nun auch der Singer-Songwriter Bill Fay, der, 41 Jahre nach seinem letztem Album, mit “Life is People“ erst sein drittes reguläres Studioalbum vorlegt. Die Entstehung des Albums ist vor allem der Beharrlichkeit des jungen amerikanischen Produzenten Joshua Henry zu verdanken, der Fay davon überzeugen konnte, wieder in ein professionelles Studio zu gehen, um eine echte CD einzuspielen, statt weiterhin nach Feierabend zu Hause nur imaginäre Platten aufzunehmen (Teile dieser fragmentarischen Aufnahmen hat David Tibet auf seinem eigenen Labels veröffentlicht).

Mit seiner meist sparsamen Instrumentierung knüpft “Life is People“ nahezu nahtlos an seinen Vorgänger “Time of the Last Persecution“ an, nur hier und da verleiht der Einsatz von Streichern oder eines Chors dem Album ein wenig Bombast. Manche Lieder, so das Auftaktstück “There is a Valley“ oder “This World“ kommen im Gewand konventioneller Rocksongs daher, die zwar nicht weh tun, aber auch nicht wirklich aufhorchen lassen. An anderen Stellen jedoch, etwa in “The Healing Day“, gelingt es Fay, mit wenigen Mitteln seine Hörer durch eine raffinierte Melodieführung zu verzaubern, und er beweist damit einmal mehr, dass man ihn neben Ray Davies, Nick Drake oder Bob Dylan zurecht zu den bedeutendsten Songschreibern seiner Generation zählt. Die stärksten und eindringlichsten Momente des Albums sind jedoch die, die Bill Fay alleine mit dem Piano und seiner durch die Jahrzehnte gereiften Stimme bestreitet, so bei “The Never Ending Happening“, “Jesus, etc.“ und dem hymnischen “Thank you, Lord“. “Jesus, etc.“ ist das Cover eines Songs von WILCO, deren kreativer Kopf Jeff Tweedy neben David Tibet maßgeblich für die Wiederentdeckung Fays verantwortlich ist und auf “Life is People“ einen Gastauftritt absolviert.

Weitere Höhepunkte sind das düster-hypnotische “Big Painter“, das wohl nicht von ungefähr an Veröffentlichungen von Current 93 aus den letzten Jahren erinnert sowie das monumentale Titelstück “Cosmic Concerto (Life is People)“, eine episch-orchestrale  Liebeserklärung an die Welt, die Menschen und ihren Schöpfer. Den Abschluss des Albums bildet “The Coast No Man Can Tell“, eine tieftraurige Elegie über die Sterblichkeit des Menschen, aber auch über die Gewissheit eines Lebens nach dem Tod.

Die Themen seiner Texte schöpft Fay vor allem aus seinem christlichen Glauben, wobei er eine für manche vielleicht befremdliche Bekenntnisfreude besitzt. Die apokalyptischen Töne frühere Tage klingen auch heute wieder an und werden mit zum Teil ätzender Zeitkritik verbunden (etwa in “City of Dreams“). Gestützt jedoch auf sein unerschütterliches Gottvertrauen vermag es Fay, auch angesichts des irdischen Jammertals nicht in Zynismus und Verzweiflung zu verfallen, sondern stattdessen Zuversicht und Menschenliebe zu verbreiten: der zornige junge Mann von einst ist altersweise, aber nicht zwingend altersmilde geworden.

“Life is People“ ist keineswegs ein müdes Alterswerk, sondern das späte Meisterwerk eines reifen, in sich selbst ruhenden Künstlers, durchaus vergleichbar mit den “American Recordings“, die Johnny Cash in seinen letzten Lebensjahren eingespielt hat. Und vielleicht erweist sich ja die Zusammenarbeit zwischen Fay und seinem jungen Produzenten Joshua Henry als ähnlich fruchtbar wie die Kollaboration zwischen Rick Rubin und dem gegen sein eigenes Sterben anspielenden Cash: dann wäre Fays letztes Wort noch nicht gesprochen.

(M. Boss)

Format: CD/2LP
Vertrieb: DEAD OCEANS
 

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