Die vierteilige „Old Earth“ beginnt wie das Eindringen in ein unbekanntes Haus, in dem neben den möglicherweise erwarteten Geräuschen aus den Wohnungen, Zimmern etc. auch Ungewöhnlicheres, Unheimlicheres zu hören ist. Und wenn nach ein paar Minuten aus diesem nur ganz unterschwelligen Noise die wieder einmal völlig kaputten ersten Akkorde der Gitarre hervorbröckeln, ist auch klar, was diesen Eindruck hervorgerufen hat.
„Old Earth“ ist noch mehr ein einziges Stück mit unterschiedlichen Kapiteln, als „The Man Closing Up“ oder „Taming The Cannibals“ vorher es in Ansätzen auch schon waren. Und das nicht allein wegen des einen solchen Fakt nahelegenden Titels der CD-Abschnitte „Old Earth I“ bis „Old Earth IV“; Ehnahre dehnen dieses Mal auch die Dynamik über die gesamte Veröffentlichung zu einer großen Geschichte, mit dem Effekt, dass sich diejenigen, die ihre Ausbrüche, ihre fast bösartige Zerstörungskraft besonders schätzen, auf eine lange Geduldsprobe einstellen müssen: die kurze Andeutung dieser Kraft am Ende von „Old Earth I“ löst sich auf in ein zweites Kapitel („Old Earth II“), das mehr als deutliche Bezüge zu freien Musikformen aufweist, interessanterweise ohne den Grundsound von Ehnahre zu verlassen und damit wie eine logische Fortsetzung des Vorangegangenen (bei der Hörer und -in an dieser Stelle bloß selbst nicht mehr verstehen, wie sie da ohne Bruch hingelangt sind); inklusive ambienten Trompeter-Duell. Und fast schon lässigen Aufbau hin zum kaputt/ bruchstückhaften „Old Earth III“ mit seinem Statik-Main-Riff als Rückgrat, der durch Betonungen, Gegenbewegungen, Brüche verstärkt, gebrochen, unterwandert wird, um als „Old Earth IV“ wiedergeboren zu werden, sich dort einen kurzen dynamischen Rückzug gönnt, nur um dann um so stärker als ein wiederum vielfach ergänzter und erweiterter 2-Ton-Riff sein Zerstörungswerk zu vollenden (und alles an musikalischen Erweiterungen zuvor vergessen zu machen). Und kaum beginnen Ehnahre zu verstummen, schließt sich der Kreis zum Auftakt von „Old Earth“; Aufforderung zum wiederholten Start.
Eigentlich ist das schon fast Kopfhörermusik; in jedem Fall sind Ehnahre detailverliebte Dynamikfreunde mit außergewöhnlichem Sinn für außergewöhnlichen „außerhalb-von-Metal-Metal“. Und ich habe keinerlei Vorstellung, wie die Band die komplexen Details live umsetzen kann, ich weiß aber, dass ein Ehnahre-Auftritt ganz oben auf dem Merkzettel steht, sollten sie denn mal tatsächlich in erreichbarer Nähe spielen. Und noch eine Anmerkung zum Titel: Ehnahre borgen sich wieder einen Text aus der Lyrik, diesmal „Old Earth“ von Samuel Beckett (was sich den allermeisten Hörern bei der von Ehnahre bevorzugten Art des Gesangs nur anhand des beigelegten Textblatts erschließen wird).
(N)
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