Dieser Tage bemühen die SMASHING PUMPKINS sich sehr, ihre Fans von anno dazumal wieder auf sich aufmerksam zu machen. Konkret drückt sich das unter anderem im sukzessiven Re-Release all ihrer Erfolgsplatten der Neunziger aus, die Billy Corgan und seine (damals noch in Originalbesetzung mit D´Arcy Wretzky, Jimmy Chamberlin und James Iha auftretende) Indie-Rockband zu einer der beliebtesten der grunge-entflammten Jugend machte. Erst einmal anerkannt und verehrt, leistete der Bandleader harte Arbeit, um den errungenen Status als Klassensprecher der Generation X gründlich zu zerstören: Er feuerte nach und nach alle übrigen Bandmitglieder (wenn auch vielleicht aus guten Gründen) und zeigte dem Publikum, wer bei den PUMPKINS das Sagen hatte; er veröffentlichte mit “Adore“ ein Album, das zwar wunderschön war, aber alles andere als Indie-Rock, und er glänzte zusätzlich mit Interview-Kommentaren, die ihm wohl noch die letzten Sympathien verspielten. Vielleicht war das alles Billy Corgans bewusste oder unbewusste Auflehnung gegen die Erwartungshaltung eines Publikums, das zum “Alternative“ keine Alternativen mehr aufkommen lassen wollte und die Band am liebsten bequem für alle Zeiten mit dem Grunge-Etikett gelabelt hätte?
Jetzt hat Mr. Corgan sich offenbar doch mit der Vergangenheit versöhnt; jüngster Ausdruck dieser Neuorientierung: Der Re-Release der B-Seiten-Sammlung “Pisces Iscariot“, die zu ihrer Zeit in den USA – im Jahr 1994 – überraschend Platin einheimste, obwohl das laut Bandleader so ja gar nicht geplant war. Zwei Jahre zuvor hatten die SMASHING PUMPKINS mit “Siamese Dream“ definitiv einen Nerv getroffen: Alle Welt war im Grunge-Fieber, und was NIRVANA und PEARL JAM vorlebten, transferierte Billy Corgan mit “Siamese Dream“ auf die massentaugliche Poprock-Ebene. Die nun wiederveröffentlichte B-Sides-Collection war zunächst lediglich gedacht als Lückenfüller bis zum regulären Nachfolger.
Im Rückblick – beim Durchhören dessen, was sich in den Neunzigern unentwegt auf Repeat im CD-Player meines mit NIRVANA-Postern tapezierten Jugendzimmers drehte – wird klar, warum die kryptisch “Pisces Iscariot“ betitelte Sammlung von Outtakes und Kuriositäten zunächst versehentlich für das dritte Studioalbum der PUMPKINS gehalten wurde. Die Songs sind zwar weniger aufeinander abgestimmt als auf “Siamese Dream“, wo lyrisch und musikalisch alles dem großen Masterplan untergeordnet ist, doch die Freiräume, die sich ohne das Korsett des Konzeptalbums auftun, bringen einige bis dahin zu kurz gekommene Stärken Vorschein. Wirklich großartig sind “Soothe“ und “Landslide“, bei denen Corgan einsam vor sich hinspielt und –singt und den Singer-Songwriter gibt, der auf den regulären Alben anscheinend nichts zu suchen hatte. “Landslide“, das FLEETWOOD MAC-Cover, kann sich durchaus mit STEVIE NICKS´ Original messen (natürlich ohne es zu besiegen) und brachte Corgan damals sogar eine Audienz bei der Grande Dame ein, wie im Booklet des Re-Release nachzulesen ist. Was die restlichen Tracks betrifft, die dann wieder ordentlich rocken, spürt man doch, dass da im Vergleich zu den Alben nicht so ein großer Druck auf der Band lastete, weil ja klar war: Das sind B-Seiten; also kann man experimentieren und auch mal Fünfe gerade sein lassen – manchmal. Das führt dann günstigenfalls zu so interessanten Lo-Fi- Experimenten wie “Starla“, das in seiner kaputten epischen Großartigkeit neben den stilleren Nummern zu den interessanteren Stücken der Sammlung gehört.
Natürlich gibt´s ansonsten, was wir seit „Siamese Dream“ von den PUMPKINS gewohnt waren: Harte Gitarren und Billy Corgans weinerliche Stimme, die stellvertretend für tausende Teenager ihren Weltschmerz und ihr Unbehagen am Erwachsenwerden herausschreit. Wer in den Neunzigern SMASHING PUMPKINS-Fan war, fühlt sich beim Hören dieses Re-Release jedenfalls nicht nur fünfzehn Jahre jünger, sondern auch in seinem ehemaligen Geschmack bestätigt. Die SMASHING PUMPKINS waren eben doch DIE Band der Dekade, NIRVANA hin oder her – was; das glaubt ihr nicht? Gott sei Dank kann das jetzt nachgehört werden, auf der wiederveröffentlichten Gemischtwaren- und Raritätensammlung namens “Pisces Iscariot“.
(M.Reitzenstein)
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