Inselkind Schallträger konzentriert sich mit seiner Reihe der Querschalltapes auf so etwas Abseitiges wie „looptapegestützte Hörinstallationen für zuhause“: alte, aber nie eingesetzte Endloskassetten, eigentlich mal für Anrufbeantworter gedacht, in den Längen 20 Sekunden, 45 Sekunden und 60 Sekunden. Das Ganze dann eben nicht in einem Anrufbeantworter benutzt, sondern als Abspielmedium für eigens dafür komponierte Musik. Sofern dann noch ein ebenso antikes Abspielgerät (= Kassettenrecorder) im Hause ist, steht einem stundenlangen Genuss nichts mehr im Weg. Die künstlerische Achillesferse (neben der Tatsache, dass die Komposition extreme Kürze und extreme Länge gleichermaßen berücksichtigen sollte) ist die Klebestelle im Band, die eine halbe Sekunde lang Stille fordert. Und dann gibt es auch noch die extrem opulente Verpackung aus einem vierteiligen, fast 2 Kilo schweren Metallgehäuse mit lasergravierter Oberfläche und dem Inlay aus bedrucktem Transparentpapier.
Thorsten Soltau ist nach Aidan Baker und N (=mir selbst) der Dritte, der ein solches Querschalltape bespielt hat; und wieder geht das, was mit dem Stückchen Band gemacht wird in eine ganz andere Richtung als zuvor. Stichwort diesmal: Plunderphonics. Hier aber nicht in der Version einer überbordenden Collage freakigster Breaks, sondern als eine eher ambiente Version, deren Schichten bereits ineinanderkorrodiert sind und über ein positiv träges musikalisches Motiv und ein paar treffend gesetzte Bassnoten mit der Wirklichkeit verankert werden. Und diese genauso, je mehr Laufzeit „Glanczpunkt Wiener Wald“ gegeben wird, wieder aufhebt. Wichtigstes weiteres Material sind Sequenzen von Gesprächen, fast unverständlich, Erinnerungen Thorsten Soltaus an Gesprächsabende mit einem (älteren) toten Freund namens Bernhard, der Thorsten Soltau vor seinem Tod erzählerische Einblicke in sein mit ungewöhnlichen Erlebnissen wohl reiches Leben gegeben hat, die diesen (Thorsten Soltau) immer wieder zu künstlerischen Arbeiten inspiriert haben. Konsequenterweise widmet er „Glanczpunkt Wiener Wald“ dann auch diesem Freund Bernhard und leitet selbst die Limitierung von 43 Stück aus der Summe der Zahlen des Todesdatums ab. Für alle, die langsam die Augenbrauen heben: in der musikalischen Umsetzung und im Hören hat das nichts mit möglicherweise unterstellter konzeptueller Verschrobenheit zu tun, „Glanczpunkt Wiener Wald“ bildet seinen ganz eigenen Fluss…
PS: die Schreibweise des Titels ist kein Schreibfehler. PSPS: die Inselkind-Schallträger sieht mit signalsundertests aus Irland und Frollein Fritz aus Deutschland in 2012 noch zwei weitere Veröffentlichungen auf Querschalltapes in 2012 vor.
(N)
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