THOMAS KÖNER – Novaya Zemlya (CD)

Jahr 3 nach „La Barca“, Thomas Köner auf Touch. Thomas Köner gehört zu den wenigen, die es geschafft haben, Genreklassiker zu erschaffen; die (zum Teil vor kurzem von Type-Records wiederveröffentlichten) Alben seiner Diskografie (besonders Solo, aber auch zusammen mit Asmus Tietchens als „Kontakt der Jünglinge“, weniger die andere Baustellen bedienenden Alben und EPs zusammen mit Andy Mellwig als „Porter Ricks“) werden zu Recht als Meilensteine einer bestimmten Art von Ambient gehandelt, bei der der tatsächliche Ton oder Akkord, die Harmonie, in der Umsetzung als Komposition zu einem grauschwarzen Granulat vermahlen wird, so dass die Musik fast objekthaften Charakter gewinnt.

Nicht Klänge bestimmen das Geschehen, sondern Texturen im Raum, fast nicht ortbare Gewebe aus Klang, fernab konventioneller musikalischer Zwänge. Die Tatsache, dass das verwendete Soundspektrum überwiegend in schattierten Endlostiefen stattfindet, die kaum ein Zweiter in dieser Form so händelt, ist dabei natürlich von zentraler Bedeutung, genau wie auch das Weglassen aller nicht unbedingt notwendigen kompositorischen Wendungen. Am Ende steht eine Klangskulptur, die aufgrund ihrer Massivität in den Tiefen geradezu körperlich wirkt (und wird), durch das Wegrücken aller fassbaren Töne in den Hintergrund aber gleichzeitig völlig unnahbar erscheint. Wie ein unzugänglicher Monolith, der sich aus unerklärlichen Gründen veranlasst sieht, sich durch den Raum zu schieben.

Derartiges in der eigenen Vergangenheit kann dann nicht nur eine Freude sein. Wie bei jeder Form sehr fokussierter, sehr eigener Musik, besonders wenn sie (zumindest vordergründig) so minimal angelegt ist wie die von Thomas Köner, stellt sich mit jeder Veröffentlichung mehr die Herausforderung, wie es denn weitergehen kann. Der Vorgänger „La Barca“ beantwortete dies in der Form als die Veröffentlichung, die bisher am vordergründig stärksten Fieldrecordings integrierte. Und zwar in Form von Stimmen, was der Unnahbarkeit der Musik einen greifbaren Kontrast entgegensetzte, nur um dies durch die (für mich) nicht zu identifizierende Sprache der aufgenommenen Protagonisten auch gleich wieder ad absurdum zu führen.

„Novaya Zemlya“ geht wieder einen anderen Weg: zunächst einmal liegt eine immense Ruhe in den drei Stücken, die sich dadurch völlig außerhalb jeder Zeitwahrnehmung stellen. Und dann sind dort endlose Schichten von Ereignissen, die meisten ganz, wirklich ganz weit hinten nahe der Hörschwelle und nur in wenigen Momenten hervortretend: der Auftakt von „Novaya Zemlya 1“, der kurz hereinbrechende Funkverkehr (?) von „Novaya Zemlya 2“ und das in diesem Zusammenhang ebenso perfekte wie nur angedeutete Pianothema in „Novaya Zemlya 3“ als End-Titel. Und dann sind da Bassdrones, die gleichzeitig im eigenen Hall zerfallen und trotzdem durch alle Mauern dringen; so perfide tief, dass sie mehr fühl- als hörbar sind. Wie ein sich ankündigendes Erdbeben, wie das Verschieben der Schollen. Perfektes Album, fast kurz (weniger als 40 Minuten), dabei aber gleichzeitig unglaublich geschlossen und trotzdem eine spannende Erzählung ohne Wiederholungen.

Der einzige Wermutstropfen: die Anlage entscheidet hier mit, wie viel der Veröffentlichung überhaupt zu hören ist; viel mehr, als bei anderen Alben, auch aus dem gleichen (Sub-) Genre… Wer also keinen Zugang findet: vielleicht ist es „nur“ (d)ein Problem in der Abspielkette…

(N)

Format: CD
Vertrieb: TOUCH
 

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