Verbitterte Alt-Linke aus der westlichen Welt können schon ganz schön nerven und albern wirken, wenn diese angesichts des ungebrochenen Siegeszuges des Kapitals immer noch die gleichen Parolen wie vor 30 Jahren skandieren. Billy Bragg oder eben Mark Stewart sind dagegen für mich persönlich rein subjektive Ausnahmen, denen ich ihre starre Haltung einfach abnehme und einem Alec Empire zum Beispiel eben nicht. In Bristol Ende der 70er Jahre begann Mark Stewart mit THE POP GROUP seine musikalische Karriere und wenn der Band auch kein großer Erfolg beschieden war, wurde sie mit ihrem rüden Mix aus Punk, Funk und Reggae doch zu einen wichtigen Einfluss für Legionen folgender Musiker. Selbst die einst von linken Kreisen so argwöhnisch beäugte Formation LAIBACH lies sich für ihren Titeltrack des „WAT“-Albums vom „We Are Time“-Song der POP GROUP inspirieren! Nach nur zwei Alben bzw. dem schnellen Ende der Band zog Mark Stewart nach London und schloss sich dem On-U Sound-Clan um Adrian Sherwood an. Seine Alben waren fortan stark geprägt von einer unangenehmen Mischung aus Politik, Dub und Industrial, die meist Kopfschmerzen bescherte und den Soundtrack zur Revolte lieferte. So nun auch das inzwischen 6. Album „The Politics Of Envy“, welches in Zeiten der Weltwirtschaftskrise, Globalisierung, Umweltkatastrophen und kriegerischen Friedensmissionen dem Kapitalismus unbeeindruckt ins Gesicht spukt. Unterstützt wird er dabei unter anderem durch Musikern von THE CLASH, PIL, THE RAINCOATS, FACTORY FLOOR, SLITS, MASSIVE ATTACK, PRIMAL SCREAM und THE JESUS & MARY CHAIN. Als wäre das nicht schon genug Prominenz, spielt Kult-Regisseur Kenneth Anger („Lucifer Rising“) den Theremin beim Opener „Vanity Kills“, was bei einigen Okkult-Nerds schon für feuchte Hosen gesorgt hat. Musikalisch gesehen kommt die erste Hälfte des Albums gewohnt aggressiv wie sperrig daher und räumt auffallend oft kreischenden Gitarren-Sounds wieder mehr Platz ein. Im zweiten Teil wird es dann überraschend melodiös und zugänglich. Insbesondere der Euro Disco Trash von „Baby Bourgeois“ und das sich elegant schlängelnden „Stereotype“ entpuppen sich als richtige Hits, denen im ersten Teil das aufpeitschende „Autonomia“ zusammen mit Bobby Gillespie und der hämmernde Reggae-“Gang War“ mit Lee Scratch Perry gegenüber stehen. „The Politics Of Envy“ ist also wieder ein unbequemer und vor allem aufregender Schmelztiegel der verschiedensten Stile geworden, welcher aber erstmals auch einige entspannende Momente bereit hält, in denen Mark Stewart trotzdem wie ein Wolf im Schafspelz daher kommt. Das Album erscheint neben der regulären LP/CD-Variante auch als CD-Deluxe-Edition im Hardcover-Buch-Format mit der Bonus-EP „Experiments“, die übrigens anlässlich des diesjährigen Record Store Day auch als auf 700 Stück limitiertes 12“-Vinyl separat zu haben war. (Marco Fiebag)
Format: LP/CD/2CD |
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