Vince Clark und Martin L. Gore sind für viele Menschen Götter der elektronischen Musik und Pioniere des sogenannten Synthie Pop. Beide begannen 1980 ihre Karriere gemeinsam unter dem Banner DEPECHE MODE, die Vince Clark gleich nach dem Debüt-Album wieder verließ, um gemeinsam mit Alison Moyet als YAZOO 80er Jahre Pop-Geschichte zu schreiben. Später gründete er zusammen mit Andy Bell ERASURE, die bis heute Bestand haben und so etwas wie eine musikalische Ikone der Schwulen-Bewegung geworden sind. Bei DEPECHE MODE übernahm dafür Martin L. Gore die Zügel und machte letztendlich die Band zu einer der erfolgreichsten überhaupt auf der Welt, die seit jeher auch auf eine fanatische wie treue Fangemeinde rund um den Globus vertrauen kann. Inzwischen sind beide kurz über die 50, gleichfalls in Amerika wohnhaft und hatten sich angeblich die vergangenen 30 Jahre nicht viel zu erzählen. Der Legende nach erhielt nun aber Martin L. Gore wie aus dem Nichts eine Email von Vince Clark mit der Idee, ein gemeinsames instrumentales Techno-Album zu machen. Als die ersten Meldungen über diese „Sensation“ durchsickerten, geriet die DEPECHE MODE-Gemeinde natürlich in hellen Aufruhr und die wildesten Spekulationen machten die Runde. Bei mir persönlich erntete die Ankündigung dagegen nur Schulterzucken, da ich ERASURE absolut fürchterlich finde und ehrlich gesagt auch kein großer Freund von Martin L. Gore bin bzw. bei DEPECHE MODE eher Alan Wilder und Dave Gahan favorisiere. Beim ersten Hören von „Ssss“ schienen sich dann meine Vorbehalte gegenüber dem Duo zu bestätigen, denn ich fand die insgesamt 10 Tracks nur langweilig, nervtötend und überflüssig. Wie sollten es die zwei „älteren Heren“ in Sachen Techno auch bringen, wenn sie doch damals mit ABBA groß geworden sind? So dachte ich jedenfalls noch, bis, ja, bis ich dann doch nach einigen Durchläufen unweigerlich mit den Beinen zuckte und mit dem Kopf nickte. Da hatten mich die zwei alten Füchse also doch noch gekriegt und ihr dunkel-monotoner wie trotzdem äußerst facettenreicher Minimal Techno im Stile der 90er Jahre fräste sich förmlich in mein Hirn. Vor allem ist hier der pumpende Groove noch „handgemacht“ oder besser gesagt analog generiert, wofür übrigens auch der Projektname VCMG steht, denn nicht die Initialen des Duos, sondern die Oszillator-Gerätschaft Voltage Control Modulation Generator stand dafür Pate. VCMG fetzt und eine Fortsetzung ist eventuell nicht ausgeschlossen. Wer sich für die Vinyl-Version von „Ssss“ entscheidet, erhält zu den zwei Platten im Klappcover noch die CD als Bonus dazu, was ich für eine lobenswerte Standard-Vorgehensweise bei Mute in letzter Zeit halte. (Marco Fiebag)
Format: CD/2LP+CD |
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